Zielgruppe Frauen

Rote Karte für rosa Finanzprodukte

Frauen wollen ihre Finanzen zunehmend selbst in die Hand nehmen. Wie die Beratung dafür aussehen sollte, damit die Klientel ihre gewünschte Unabhängigkeit erreicht.

15:10 Uhr | 27. Oktober | 2023
Zielgruppe Frauen

Braucht es tatsächliche spezielle Finanzprodukte für Frauen? In der Branche stößt man hier eher auf Ablehnung.

| Quelle: eternalcreative

Die Fakten sprechen für sich: Rund die Hälfte der Erdbevölkerung ist weiblich. Trotzdem spielen sie in der Finanzberatung oft eine untergeordnete Rolle – sowohl auf der Berater-, als auch auf der Kundenseite. „Die Finanzbranche ist seit jeher männerlastig“, sagt Antje Schönherr von der Berliner Finanzberatung Das Finanzkontor, die sich seit über 35 Jahren auf Frauen als Zielklientel konzentriert. „Bei der Firmengründung 1986 war es Frauen gerade erst zehn Jahre erlaubt, ein eigenes Bankkonto zu haben. Die Finanzen lagen in den Händen der Männer und Väter. Daher ist es notwendig gewesen, einen Wissensvorsprung aufzuholen und Frauen zu ermutigen, den Schritt in die eigene Unabhängigkeit zu gehen“, erklärt Schönherr. Schließlich ist ein Mann keine Altersvorsorge, wie die Finanzfachfrau Helma Sick in ihrem 2019 erschienenen Buch treffend formulierte.  

Rote Karte für rosa Finanzprodukte

An Anknüpfungspunkten mangelt es nicht und der Bedarf ist groß: „Frauen haben oft keinen gradlinigen Lebenslauf und müssen ihre Karriere unterbrechen oder ganz aufgeben. Dies braucht spezielle Planung und Absicherung auch finanziell“, weiß Finanzberaterin Schönherr. Denn in der Konsequenz entstehen mitunter erhebliche Lücken bei der Altersvorsorge, sofern diese überhaupt betrieben wird. Was es hingegen nicht braucht, sind spezielle Finanzprodukte für Frauen. „Der Markt für Finanz- oder Vorsorgeprodukte lässt sich Unisex nutzen“, sagt Angelika Henker von der Kölner Finanzberatung CAPA. „Wichtig sind passende Finanzlösungen, nicht rosa Produkte.“

Unterschiedliche Ansprachen und Prioritäten

Unterschiede gibt es allerdings bei der Ansprache und Prioritäten. So legen Frauen in der Tendenz größeren Wert auf ein persönliches Gespräch und hinterfragen mehr. Zudem sind ihre Wünsche öfter an konkreten Zielen orientiert und sie brauchen mehr Bedenkzeit und Termine, um sich zu entscheiden. „Frauen haben andere Bedürfnisse als Männer und das findet in den ‚normalen‘ Finanzgesprächen kaum Platz oder wird oft überhört“, weiß Schönherr. „Zudem scheuen sie eher das Risiko und möchten nachhaltig investieren. Mit diesen Wünschen werden sie in der Bank oft belächelt und nicht ernst genommen.“

Drei Punkte, mit denen sich bei der Zielklientel punkten lässt: Einfühlungsvermögen, Kommunikation auf Augenhöhe und ein feines Gespür für sensible Themen in unterschiedlichen Lebensphasen. Hoch im Kurs stehen dabei Themen wie Konzepte in der Partnerschaft und bei der Familiengründung. Aber auch Altersarmut, Altersvorsorge und Ruhestandsplanung. Denn Fakt ist, dass Frauen überdurchschnittlich von Altersarmut betroffen sind. Sie bekommen im Schnitt deutlich weniger Rente als Männer, weil sie schlechter verdienen, Kinder erziehen und oft auch Pflegetätigkeiten oder unbezahlte, ehrenamtliche Aufgaben übernehmen. Hier bieten sich echte Chancen für Berater, um passende Finanz- und Vorsorgeprodukte an die Frau zu bringen.

Facettenreiche Zielgruppe

Die Nachfrage nach Finanzberatung für Frauen ist vorhanden. Und es gibt vieles, was für die Zielgruppe spricht. Zum einen ist sie sehr facettenreich. Zum anderen werden Frauen immer unabhängiger, selbstbewusster und finanzkräftiger und sind gut ausgebildet: Der Frauenanteil bei Studierenden liegt hierzulande aktuell bei knapp über 50 Prozent. Etliche Studien bezeichnen sie als ‚die besseren Investoren‘ – sofern sie sich denn trauen. Denn Fakt ist auch, dass sich Frauen hier noch immer stärker zurückhalten als Männer, weil sie unsicherer sind und weniger Finanzwissen und Erfahrung haben. 

Hier können Berater einen gezielten Mehrwert bieten, indem sie ihren Kundinnen passende(re) Lösungen aufzeigen: Denn oft haben Frauen zwar einiges an Kapital angespart, aber falsch oder zu ungünstigen Konditionen angelegt. „Viele parken ihr Geld auf dem Girokonto oder dem Sparbuch“, weiß CAPA-Finanzberaterin Henker aus dem eigenen Alltagsgeschäft.

Um sich einen Kundenkreis aufzubauen, empfiehlt sich – wenig überraschend – eine Ansprache vor Ort. Das kann die Universität sein, ein Verein, andere Einrichtungen, wo Frauen zusammenkommen, oder Frauen-Netzwerke. Einen weiteren Tipp hat Finanzberaterin Schönherr: „Eine Maklerin einstellen, dann kommt das automatisch.“ Worauf es in der Quintessenz aber noch stärker ankommt, ist eine umfassende, gute und individuell auf die jeweilige Frau zugeschnittene Beratung und Absicherung. Genau wie beim Produkt-Universum gibt es auch hier keinen Unterschied gegenüber Männern.