AG-Zuschuss: Bürokratiemonster oder leichte Übung?

Arbeitgeber müssen ab 2022 einen verpflichtenden Zuschuss für alle vor 2019 abgeschlossenen Entgeltumwandlungsvereinbarungen zahlen. Das stürzt Arbeitgeber und Berater aktuell ins Chaos. Welche Lösungen sich abzeichnen.

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06:05 Uhr | 28. Mai | 2021

Das Betriebsrentenstärkungsgesetz (BRSG) verpflichtet Arbeitgeber, bei jeder Entgeltumwandlung ihrer Arbeitnehmer, die dadurch selbst eingesparten SV-Beiträge in Höhe von 15 Prozent in den bAV-Vertrag des Arbeitnehmers einzuzahlen. Bekanntlich gilt das für Entgeltumwandlungen, die ab 2019 vereinbart wurden, schon längst. Bei älteren Vereinbarungen muss der Arbeitgeberzuschuss ab 1. Januar 2022 gezahlt werden (nach Paragraf 26a BetrAVG).

Was einfach klingt, ist in der Praxis in vielen Fällen schwer umsetzbar. „Eine Vielzahl bestehender Verträge zur Entgeltumwandlung über Pensionskassen, Pensionsfonds oder Direktversicherungen, um die es hier geht, können schlichtweg nicht erhöht werden“, sagt Karsten Rehfeldt, Geschäftsführer des Rentenberaters BBVS Beratungsgesellschaft für betriebliche Versorgungssysteme.

Warum Versicherer AG-Zuschuss nicht in Bestände nehmen

Gründe gibt es mehrere. „Wegen Run-offs zum Beispiel kann der Versicherer keine Neuverträge beziehungsweise Erhöhungen mehr annehmen“, erinnert Rehfeldt und nennt als prominente Beispiele Skandia, Generali oder auch die Pro-bAV Pensionskasse. Weitere Hinderungsgründe für die Versicherer sind inzwischen geschlossene Tarife, zu hohe frühere Rechnungszinsen, die im Niedrigzins nicht mehr erwirtschaftet werden können oder durch den Zuschuss erhöhte Beiträge auch für BUZ-Risiken, die einer erneuten Gesundheitsprüfung bedürften.

„Somit gibt es kaum eine Gesellschaft, die in allen Tarifen eine entsprechende Erhöhung gestattet“, legt Rehfeldt den Finger in die Wunde. Der Arbeitgeber stehe nun mit Blick auf das neue Jahr zunächst in der Pflicht zu prüfen, ob der bestehende Vertrag überhaupt erhöht werden kann. Sollte das nicht der Fall sein, hat er zwei Optionen:

Wie ein großer Arbeitgeber den Zuschuss verrechnet

Letzteres tut die Otto-Group. „Wir werden den Zuschuss aus administrativen Gründen in nicht anders lösbaren Fällen mit den Beiträgen verrechnen“, sagt Andre Cera, Aktuar und Bereichsleiter Altersversorgung & Compliance Lohnsteuer/Sozialversicherung der Otto-Group. Ein übergreifender Gruppenvertrag mit der Allianz erlaube zwar die Aufstockung der Bestandsverträge (außer 40b-Policen), da man im Einzelhandel bereits seit 2002 einen Arbeitgeberzuschuss zahle und somit die vorhandenen Verträge darauf ausgelegt sind. „Doch der Hauptanteil der Entgeltumwandlung läuft bei uns über Direktzusagen, so dass wir kaum von dem praktischen Problem der schwierigen Aufstockung in Bestandsverträgen betroffen sind“, so Cera weiter.

Das größte Problem seien Verträge, die keine zusätzlichen Einzahlungen akzeptieren (in der Regel BUZ und 40b). „Bei einer BUZ-Versicherung mit 50 Euro beträgt der volle Zuschuss 7,50 Euro im Monat“, macht Cera deutlich. Den dürfe man nicht einfach „on top“ zahlen, aber für einen neuen Vertrag lohnt sich die Höhe nicht bzw. braucht man zudem die Sicherheit, dass die Beiträge in Zukunft auch konstant bleiben. „Außerdem würde sich der administrative Aufwand verdoppeln, so dass faktisch nur die Möglichkeit bleibt, den AG-Zuschuss mit den Bestandsbeitrag zu verrechnen“, begründet Cera. Anders bei der Direktzusage: Da könne man Zuschüsse flexibel zahlen und auch eventuelle Kleinstbeträge oder wegfallende Zuschüsse stellten kein Problem dar.

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Welche Angebote Axa Bestandskunden macht

Aus Sicht der Versicherer ist es nachvollziehbar, wenn Policen aus Tarifgenerationen mit hohem Rechnungszins nicht mit dem neuen AG-Zuschuss aufgestockt werden können. „Dies kann im Ergebnis zu einer weiteren Risikovorsorge in Form zusätzlicher Zinszusatzreserve führen“, sagt Frederick Krummet, Leiter Corporate Employee Benefits im Axa-Konzern. Im Durchschnitt handelt es sich um Kleinstbeträge.

Für alle Bestandsverträge bei Axa gilt aber zum Glück für Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Berater: Der AG-Zuschuss kann im bestehenden Vertrag zur Entgeltumwandlungsvereinbarung umgesetzt werden. „Wir machen zwischen den einzelnen Tarifgenerationen keinen Unterschied und erlauben die Aufstockung in der seinerzeit abgeschlossenen Tarifgeneration“, bekräftigt Krummet. Das hatte er bereits auf dem profino-bAV-Kongress im Interview angekündigt.

Auf Nachfrage von procontra ergänzte Krummet nun: „Bei Risikoversicherungen, etwa der betrieblichen BU-Versicherung, erhöhen wir die Leistungen um den AG-Zuschuss, ohne eine erneute Gesundheitsprüfung durchzuführen.“ Für den Zuschuss werde das aktuelle Eintrittsalter zugrunde gelegt.

Hilfe von Axa auch für potenzielle Neukunden

Axa macht Arbeitgebern und Beratern auch Angebote für Entgeltumwandlungen, die bei Wettbewerbern eingedeckt sind, die den AG-Zuschuss nicht in Bestandsverträgen zulassen. „Wir bieten den Neuabschluss eines Kollektivvertrags zur Relax bAV-Rente Comfort Plus bei uns an“, so Krummet. Voraussetzungen: Der durchschnittliche Monatsbeitrag für den AG-Zuschuss beträgt mindestens 12 Euro, das künftige bAV-Neugeschäft wird im Kollektivvertrag bei Axa angemeldet und es werden mindestens zehn Personen (innerhalb von 12 Monaten) versichert.

Zusätzlich müsse das Verhältnis von Neuverträgen (AG-Zuschuss) und neuen Verträgen (Entgeltumwandlung) mindestens 2:1 betragen. „Möchte man 20 Verträge zur Umsetzung des AG-Zuschusses versichern, so müssen mindestens 10 Neuverträge zur Entgeltumwandlung versichert werden“, erklärt Krummet.

Probleme bei der Berechnung des Zuschusses

In jedem Fall muss demnächst festgelegt werden, wie der AG-Zuschuss genau berechnet wird. Der Gesetzgeber hat dazu schwammige Vorgaben gemacht, die sich in der Praxis nicht oder nur schlecht umsetzen lassen. „Statt der angestrebten einfachen Lösung drohen hohe Komplexität und Verunsicherung“, hatte Cera schon vor einiger Zeit kritisiert. „Nach entsprechender vertraglicher Flankierung ersetzt der Zuschuss bisherige Beitragsteile des Arbeitnehmers, was letztlich bei 100 Euro Beitrag nur 13,04 Euro Zuschuss, also gut 13 Prozent bedeutet, denn 86,96 Euro Umwandlung zuzüglich 15 Prozent ergeben den vereinbarten Beitrag von 100 Euro“, erklärt Cera.

Auch Axa-Experte Krummet kommt auf ähnliche Größenordnungen. Dagegen meint Rentenberater Rehfeldt: „Der Zuschuss muss auf Basis des alten Umwandlungsbetrages berechnet werden, bei 100 Euro Umwandlungsbetrag beträgt der Zuschuss also 15 Euro.“ Würde man über einen Dreisatz rechnen (100*100/115), beträgt der Zuschuss nur 13,04 Euro und damit weniger als 15 Prozent, konstatiert der Rentenberater. „Dies würde eine doppelte Kürzung beim Arbeitnehmer bedeuten, nämlich einmal eine Kürzung der Entgeltumwandlung und dann noch eine Kürzung des Zuschusses, was der Gesetzesbegründung für das BRSG widerspräche“, so Rehfeldt, der eine spezielle Website für Arbeitgeber und Berater installiert hat.

Die Berechnungsweise wird also kontrovers diskutiert. Das letzte Wort scheint längst noch nicht gesprochen zu sein. Es bleiben spannende Monate bis zum Start der neuen Regelung für Entgeltumwandlungen, die vor 2019 vereinbart worden waren.

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