AGB-Änderung: Schweigen heißt jetzt nicht mehr „Ja“

Der BGH hat einseitigen Vertragsanpassungen eine Absage erteilt. Was vor allem die Kontogebühren von Banken betrifft, kann auch für Versicherungsmaklerverträge relevant sein. Die Kanzlei Michaelis erklärt, worauf unabhängige Vermittler nun achten müssen.

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14:05 Uhr | 03. Mai | 2021

Schweigen als stille Zustimmung zu werten war jahrelang gelebte Praxis in vielen Vertragsverhältnissen. Vor allem Banken konnten auf diesem Wege immer wieder die Leistungen und Gebühren für die Konten ihrer Kunden beliebig anpassen – besonders in den letzten Jahren, geprägt von einem immer niedrigeren Zinsniveau, waren Anpassungen zugunsten der Geldhäuser häufiger der Fall. Ein Brief an den Kontoinhaber mit einer Auflistung der Änderungen reichte. Wenn der Kunde nicht innerhalb einer Frist widersprach, galt sein „Schweigen“ als zustimmende Willenserklärung. Zumal im Falle eines Widerspruchs zumindest bei Privatkunden damit zu rechnen war, dass die Bank das Vertragsverhältnis auflöste. Auch für Versicherungsmakler bestand rein theoretisch die Möglichkeit, die Versicherungsmaklerverträge mit ihren Kunden auf diese Weise einseitig anzupassen.

Doch damit ist nun Schluss. Denn mit seinem Urteil vom 27.04.2021 (Az.: XI ZR 26/20) hat der Bundesgerichtshof (BGH) diese Praxis als unangemessene Benachteiligung der anderen Vertragspartner gewertet und untersagt. Genauer gesagt wurde die dafür grundliegende Klausel, die sogenannte „Erklärungsfiktion“, für ungültig erklärt. Eigentlich müssen für eine Vertragsänderung beide Parteien eine Willenserklärung abgeben. Durch die einmalige Zustimmung der Kunden zur „Erklärungsfiktion“ hatten sie aber bei Vertragsschluss bestätigt, dass ihr Schweigen bei zukünftigen Vertragsanpassungen als Zustimmung gewertet werden durfte. Nun benötigen die Anbieter, um beim Bankenbeispiel zu bleiben, für Anpassungen die aktive Zustimmung der Kunden.

Auch für Versicherungsmakler relevant

Dass dieses Urteil auch für Versicherungsmakler relevant sein kann, darauf weist Stephan Michaelis von der gleichnamigen Hamburger Rechtsanwaltskanzlei hin. Zwar seien ihm keine praktischen Fälle bekannt, in denen Makler die Bedingungen mit ihren Mandanten über die „Erklärungsfiktion“ angepasst hätten. „Der bislang zumindest theoretisch bestehenden Möglichkeit der einseitigen Vertragsanpassung ist nunmehr auch bei den Versicherungsmaklerverträgen eine Absage erteilt worden“, schreibt Michaelis in seinem aktuellen Newsletter.

Im Vertragsverhältnis Makler zu Kunde sei es ohnehin üblich, dass bei einer Vertragsänderung ein neuer Versicherungsmaklervertrag ausgefertigt und von beiden Parteien unterschrieben würde. Vor dem Hintergrund des Urteils empfiehlt Michaelis den Maklern aber ausdrücklich Abstand von der „Erklärungsfiktion“ zu nehmen. Um das zu unterstreichen, hat seine Kanzlei die Klausel auch direkt aus den Musterverträgen herausgenommen, die Maklern über die Kanzlei-eigene App „app-riori“ angeboten werden.

Für Makler jetzt uninteressant geworden

Grundsätzlich dürfe die „Erklärungsfiktion“ nach dem Willen des BGH weiterhin genutzt werden, sofern die von ihr geregelten Details ganz genau definiert würden, so Michaelis. Der Kunde müsste also bei Vertragsschluss ganz genau erklären, welchen Anpassungen er schweigend zustimmt und welchen nicht. Für Makler sei die Klausel aufgrund des sehr stark eingeschränkten Anwendungsbereiches aber uninteressant geworden, glaubt der Fachanwalt für Versicherungsrecht. Denn es sei derzeit nicht vorhersehbar, welche Details eines Maklervertrages möglicherweise einer Anpassung bedürfen könnten.