Altersvorsorge: Aktuell mehr Chancen durch weniger Garantien

In der Altersvorsorge sind Garantien weiter beliebt, doch die Kosten dafür beschneiden die Rendite. Dabei bieten Garantien nicht zwingend Sicherheit. Vielmehr erhöhen Aktien die Sicherheit, zeigt eine neue Studie.

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10:03 Uhr | 30. März | 2021

Es ist Zeit für eine Neuausrichtung des deutschen Altersvorsorgesystems. Bei der Suche nach Lösungen für Probleme der Kunden wie Demografie, Akzeptanz lebenslanger Zusatzversorgung und Volatilitätsrisiken bei der Alterssicherung stehen Berater weitgehend allein auf weiter Flur.

Aufgrund des Niedrigzinsumfelds sowie der bestehenden 100-Prozent-Beitragsgarantie laufen die gängigen bAV-Produkte und die Riester-Rente Gefahr, unwirtschaftlich zu werden. Abhilfe bringen nur weniger Garantien und moderne Sicherheitsmechanismen.

Wasser auf die Mühlen gießen Experten des Instituts für Finanz- und Aktuarwissenschaften (IFA) in Ulm. Ihre wissenschaftliche These in Kurzform: Garantien führen nicht zwingend zu Sicherheit. Und: Aktien können das Risiko deutlich mindern. Details nannten Dr. Stefan Graf und Professor Jochen Ruß bereits vor einigen Wochen. Sie untersuchten den Einfluss der Inflation auf die Altersvorsorge und hatten dazu die grundsätzlichen Zusammenhänge zwischen Inflation, Garantien, Chancen und Risiken erläutert.

Aktien können Kaufkraftrisiken verringern

Hintergrund: Selbst moderat steigenden Verbraucherpreise entwerten die Kaufkraft der kaum noch verzinsten sicheren Sparguthaben zunehmend. Bei einer Inflationsrate von 2,0 Prozent, die die EZB als langfristiges Ziel vorgibt, verliert jeder unverzinste Euro innerhalb von etwa 36 Jahren die Hälfte seines realen Wertes. Dem kann man nur durch Investitionen in Sachwerte entgegenwirken, deren Marktwerte sich ähnlich wie der allgemeine Preistrend entwickeln.

Inzwischen sind die Erkenntnisse in der Studie „Auswirkungen von Garantien auf inflationsbereinigte Chancen und Risiken langfristiger Sparprozesse“ vertieft und zusammengefasst worden, an der zusätzlich Dr. Alexander Kling beteiligt war. „Darin untersuchen wir die Chancen und Risiken von drei verschiedenen Altersvorsorgeprodukten“, sagt Russ. Ein versicherungsförmiges statisches Hybridprodukt, ein versicherungsförmiges dynamisches Hybridprodukt sowie ein rein fondsbasiertes I-CPPI-Produkt mit laufender Beitragszahlung wurden zunächst für eine Laufzeit von 30 Jahren untersucht – in einem Kapitalmarktmodell mit stochastischen Aktien, Zinsen und Inflation.

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Aktienrendite korreliert positiv mit langfristiger Inflation

Für procontra hat Ruß die wichtigsten Ergebnisse der Studie zusammengefasst:

„Es ist auch kein Fehler, dass die Anbieter im aktuellen Zinsumfeld aufhören, sehr hohe Garantien anzubieten“, bestärkt Russ die Unternehmen. „Es ist aber ein Fehler, die hohe Garantieerfordernis bei der Riester-Rente und in der BZML im aktuellen Zinsumfeld nicht abzusenken“, sagt Ruß in Richtung Gesetzgeber.

Warum Berater die Kaufkraft im Blick haben sollten

Was bedeutet das für den Sparer? „Zu hohe Garantien verringern nicht nur das Renditepotenzial – in Zeiten niedriger Zinsen übrigens besonders stark –, sondern können auch das Risiko in Bezug auf die Kaufkraft zukünftiger Leistungen erhöhen“, ergänzt Ruß.

In der aktuellen Situation am Kapitalmarkt sind Garantien besonders teuer, denn die Sparer müssen dafür auf eine vergleichsweise hohe Renditedifferenz verzichten. Im Gegenzug steigen die Chancen aktuell besonders stark, wenn der Kunde eine geringere Garantie wählt. Ein Absenken der vorgeschriebenen Garantie von bislang 100 Prozent des Bruttobeitrags erhöht die Chancen relativ stark – sowohl nominal als auch real, so Ruß.

Das Risiko steigt real viel geringer als nominal. In manchen Fällen führt eine abgesenkte Garantie sogar dazu, dass auch das reale Risiko sinkt. Finanzberater dürfen daher nicht nur die erwartete Inflation berücksichtigen, denn die Unsicherheit der Inflation ist ebenfalls relevant. „Niedrigere Garantieniveaus können auch für sicherheitsorientierte Kunden bedarfsgerecht sein“, unterstreicht Ruß.

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