Altersvorsorge: Wie die Kapitaldeckung vorankommen könnte
Der Verbraucherzentrale-Bundesverband (vzbv) rät zur Zusatzvorsorge über den Kapitalmarkt. Das war nicht immer so. Die Vorsorge soll kostengünstig und renditestark sein sowie breit diversifiziert in Aktien erfolgen, so vzbv-Vorstand Klaus Müller. Um das durchzusetzen, verbündete man sich sogar mit dem streng auf die Verbreitung der Aktienkultur fokussierten Deutschen Aktieninstitut (DAI).
Ein gemeinsames Papier von vzbv, DAI und dem Family-Office Finvia unter dem Titel „Kapitalgedeckte Altersvorsorge mit Aktien! 120 Jahre Aktien und Staatsanleihen im Renditevergleich“ zeigt: Aktien haben nach Abzug der Inflation im Schnitt immer 5,7 Prozent Rendite jährlich erwirtschaftet, während Anleihen nur 2,1 Prozent schafften. Zugleich sei die langfristige Aktienanlage weniger riskant im Vergleich zum Investment in Staatsanleihen.
Ungewohnte Allianz von Aktieninstitut und Verbraucherschützern
Darin werden auch die Risiken nicht verschwiegen. Wer etwa zum falschen Zeitpunkt (Hausfrauen-Hausse) einsteigt, muss bei einem folgenden Kursrutsch starke Nerven haben, um die Kursverluste auszusitzen. Dem Papier zufolge dauert das bis zu elf Jahre. Bei Staatsanleihen seien es aber im schlimmsten Fall 53 Jahre gewesen, bis Anleger wieder die Gewinnzone erreicht haben.
Länder wie Australien, Großbritannien oder Schweden setzen bereits erfolgreich auf Aktien in der Altersvorsorge. Vor diesem Hintergrund müsse die zukünftige Bundesregierung die kapitalgedeckte Altersvorsorge in Deutschland neu aufstellen und attraktiver machen, heißt es im gemeinsamen Positionspapier. Einzig die FDP setzt im Wahlprogramm auf Kapitaldeckung in der ersten Säule.
Einigkeit nur über Aktienrente in dritter Schicht
Mit dieser „gesetzlichen Aktienrente“ soll die GRV „enkelfest“ gemacht werden. „Mehr Aktien samt mehr Kapitalerträgen machen das System stabil gegen die Demografie – wie es die Schweiz und Schweden geschafft haben“, sagt Johannes Vogel, FDP-Sprecher für Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik. Die Zweifel in der Bevölkerung sind allerdings groß.
Der vzbv spricht sich gegen eine Kapitaldeckung in der gesetzlichen Rentenversicherung aus. Das DAI kann sich ein Ansparverfahren mit Aktien in allen Säulen vorstellen. Gemeinsamer Nenner von beiden ist die Einführung einer Widerspruchslösung (Opt-out). Dabei wird jeder automatisch in das Ansparverfahren einbezogen, wenn er nicht aktiv widerspricht.
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Während das DAI an bisherigen Zugangswegen nicht rüttelt, sondern generell die Kapitaldeckung vorantreiben will, um die Versorgungslücken im Alter nachhaltig zu schließen, setzt der vzbv einzig auf eine Art Staatsfonds in der dritten Vorsorgeschicht (Extrarente).
Wirtschaft mehrheitlich gegen Obligatorium und Staatsfonds
Der vzbv will mit seiner Staatsfonds-Extrarente sogar die Arbeitgeber einspannen, obwohl es als ein öffentlich-rechtlich organisiertes Standardprodukt für die private Altersvorsorge konzipiert ist. Verbraucher sollen demnach über ihren Arbeitgeber automatisch in die Extrarente einbezogen werden, quasi als verpflichtende, arbeitgebergestützte Privatvorsorge mit Opt-out-Option.
Die Wirtschaft spricht sich jedoch mehrheitlich gegen Obligatorien und gegen Staatsfonds aus. In Bezug auf die bAV begründen Experten die Ablehnung so: „Freiwilligkeit sei besser als ein Obligatorium, weil die Arbeitskosten sonst ausufern und dennoch eine niedrigere bAV-Leistung droht“, sagt Richard Nicka (BASF), Vizevorstandschef der Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung (Aba).
„Die Enthaftung des Arbeitgebers bei der reinen Beitragszusage (rBZ) und der Gestaltungsspielraum der Tarifvertrags-Partner sind besser als starre Staatsfonds“, ergänzt Aba-Vizevorstandschef Dirk Jargstorff (Robert Bosch). Bei einem Obligatorium schwinde der Elan der bAV, weil es einheitliche Lösungen gäbe statt passgenauer bAV.
Bisherige Erfolgsmodelle nicht beiseiteschieben
„Alles, was man sich von einem Staatsfonds erhofft, könnte man durch die rBZ besser erreichen“, fasst AbA-Vorstandschef Georg Thurnes zusammen. Die bAV sei ein erprobtes Fördermodell. Eine aktienbasierte Altersvorsorge lasse sich beispielsweise in der rBZ umsetzen. Zudem biete die bAV eine kollektive Abfederung von Risiken auch in der Rentenbezugsphase.
Thurnes empfiehlt den Ampel-Koalitionären, Bewährtes nicht aus dem Blick geraten zu lassen: „Wenn mein Wohnzimmer etwas renovierungsbedürftig ist, dann renoviere ich es und baue nicht einfach ein neues Wohnzimmer ans Haus.“
Was Vermittler für das Kundengespräch mitnehmen können
Dennoch: Vermittler können aus dem jetzt veröffentlichten Hintergrundpapier wichtige Fakten und Argumente für das Kundengespräch entnehmen – egal ob es um Vorsorge mit Fonds oder um Fondspolicen geht. Obwohl Aktien derzeit weltweit auf Rekordwerten notieren, rechnet Finvia bei seinen im Papier genannten Prognosen mit deutlich positiven Erträgen von real bis zu drei Prozent in den nächsten zehn Jahren.
Zum Vergleich: Die Erträge deutscher Staatsanleihen werden sich voraussichtlich stark negativ entwickeln (real einschließlich Inflation: minus 3,2 Prozent). Mit einer maßgeblichen Kurskorrektur der EZB in diesem Zeitraum rechnet das Family-Office nicht.
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