Lange haben die Lebensversicherer zu jeder Zeit eine volle Beitragsgarantie geboten. Das Problem dabei ist nach wie vor das Dauerzinstief. Über die Folgen für Versicherer und Pensionskassen hatte eine eigenständige Jahreskonferenz der Versicherungsaufsicht 2021 berichtet.
„Das niedrige Zinsniveau bleibt weiterhin eine Herausforderung für die Anbieter und zugleich ein kurzfristiges Risiko, mit dem sich die Aufsicht prioritär beschäftigt", sagte Mark Branson, seit August 2021 Präsident der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), anlässlich der Jahrespressekonferenz 2022 der Behörde am Dienstag in Frankfurt/Main.
Sechs kurzfristige und zwei langfristige Risiken im Blick
Insgesamt nannte Branson sechs kurzfristige Risiken, mit denen sich die Behörde derzeit bevorzugt beschäftigt:
Hinzu käme die Beschäftigung mit zwei Zukunftsrisiken, die die Aufsicht noch viele Jahre beschäftigen dürften: Risiken der Digitalisierung und Nachhaltigkeit.
Lage bei Pensionskassen etwas entspannt
„Wir sehen auch, wie infolgedessen die Inflation weiter steigt, was Zinsanhebungen immer wahrscheinlicher macht, auch in der Eurozone“, urteilte Branson. In diesem Zusammenhang erinnerte er daran, dass „derzeit rund 20 Lebensversicherer und gut 30 Pensionskassen unter intensivierter Aufsicht stehen, allesamt mit Altlasten aus früheren Garantieversprechen“.
Vor einem Jahr hatten noch rund zehn Pensionskassen mehr „unter Manndeckung“ gestanden. „Da kommen sie nur mit viel Geld und nachhaltiger Finanzierung raus“, hatte Frank Grund, Exekutivdirektor Versicherungs- und Pensionsfondsaufsicht der BaFin, seinerzeit erklärt. Nun registrierte er eine „etwas entspannte Lage wegen der Zinsen und der Nachfinanzierung durch Trägerunternehmen“.
Ambivalente Folgen steigender Inflation und Zinsen
„Sollten die Zinsen aufgrund der steigenden Inflation angehoben werden, hätte das mittelfristig in der Neu- und Wiederanlage höhere laufende Kapitalerträge zur Folge“, sagte Branson jetzt mit Blick auf Lebensversicherer und Pensionskassen. Zunächst aber fordere die hohe Inflation alle Versicherer heraus: Schadenaufwendungen und Kosten dürften steigen. „In der Lebensversicherung dürfte das Neugeschäft zumindest vorübergehend zurückgehen, da die Kaufkraft der privaten Haushalte leidet“, so Branson.
Ein abrupter und kräftiger Zinsanstieg könnte insbesondere Banken in Schwierigkeiten bringen, so Branson. „Ihre kurzfristig angelegten Refinanzierungen würden plötzlich teurer, während ihre Zinseinkünfte aufgrund langer Zinsbindungen langsamer stiegen“, so der BaFin-Chef. In Deutschland seien Wohnimmobilien landesweit um rund 20 bis 35 Prozent überbewertet, erinnerte Branson an eine Schätzung der Deutschen Bundesbank. „Wir kontrollieren bei Versicherern anhand von Szenarioanalysen, wie sich Preisrückgänge bei Immobilien auf ihre Risikotragfähigkeit auswirken“, blickte der BaFin-Chef voraus.
Versicherer bei Anleihekurskorrekturen im Blick der Aufsicht
Die derzeitige Gemengelage an den internationalen Kapitalmärkten birgt zudem das Risiko signifikanter Bewertungskorrekturen. Die niedrigen Zinsen und die hohe Liquidität an den Märkten haben die Kurse an den Aktien- und Rentenmärkten über Jahre hinweg steigen lassen. Obwohl gewisse Bewertungen zurückgegangen sind, besteht laut Branson offensichtlich weiter das Risiko einer Abwärtsbewegung. Bei den Versicherern wolle man daher anhand von Szenarioanalysen prüfen, welche Auswirkungen Downgrades von Anleihen auf ihre Risikotragfähigkeit haben.
Einen Zungenschlag in Richtung Versicherer machte Branson noch einmal im Zusammenhang mit Nachhaltigkeitsrisiken. Die BaFin müsse sicherzustellen, dass die Unternehmen ihre Nachhaltigkeitsrisiken im Griff haben. „Es sind also Finanzrisiken, mit denen wir uns beschäftigen, zum Beispiel ‚Stranded Assets‘ in den Bilanzen von Banken oder Anlageportfolien von Versicherern“, so Branson. Man werde sich dort auch für Transparenz einsetzen, die Qualität der Offenlegung kontrollieren und irreführende Vermarktung verhindern, um Verbraucher zu schützen.
Keine Reform der Anlageverordnung nötig?
Einige Fragen von procontra zur Kapitalanlage der Lebensversicherer und Pensionskassen im Zusammenhang mit anziehender Verbraucherinflation beantwortete ein Sprecher grundsätzlich. Demnach sei die Kapitalanlage grundsätzlich eine geschäfts- bzw. unternehmenspolitische Entscheidung, für die die BaFin keine Handlungsempfehlungen ausspricht.
Zu Beschränkungen durch die aktuelle Anlageverordnung verwies der Sprecher auf Aussagen von Frank Grund: Pensionskassen verfügten demnach über ausreichenden Handlungsspielraum, um eine renditeorientierte Anlagepolitik zu verfolgen. „Die Höchstquote der Anlageverordnung von 35 Prozent für Aktien und ähnliche Anlagen wird in aller Regel nicht annähernd ausgeschöpft“, so Grund.
Weitere Details zur Jahresbilanz steht im BaFin-Jahresbericht 2021.
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