Wegen der Niedrigzinsen wird ab 2022 für das Neugeschäft in der Lebensversicherung der Höchstrechnungszins auf 0,25 Prozent gesenkt. Damit wächst auch der Druck in der betrieblichen Altersversorgung (bAV) auf die Garantien, denn in der weit verbreiteten Beitragszusage mit Mindestleistung (BZML) wie auch bei der betrieblichen Riester-Rente sind weiterhin 100 Prozent Garantie vorgeschrieben.
Seit längerem fordern die deutschen Aktuare, bei Riester und der BZML von der gesetzlich vorgeschriebenen 100-Prozent-Garantie abzurücken. „Der vollständige Beitragserhalt macht keinen Sinn mehr, da Investments in wertstabile Anlagen verhindert werden“, sagt Stefan Oecking, Vize-Vorstandschef des Instituts der Versicherungsmathematischen Sachverständigen für Altersversorgung (IVS) auf der virtuellen bAV-Handelsblatt-Jahrestagung 2021.
BZML derzeit scheintot
„Die BZML ist tot! Es lebe die BoLZ?!“ überschrieb er etwas provokativ seinen Vortrag. Gemeint ist: Alternativ zur BZML wird von immer mehr Anbietern und Arbeitgebern die beitragsorientierte Leistungszusage (BoLZ) genutzt. Dort gibt es keine gesetzlichen Vorgaben für eine Mindestleistung. In vielen Tarifverträgen und Gruppentarifen ist jedoch die BZML noch vorgeschrieben. Deren hohe Zwangsgarantien verhinderten den Werterhalt und wirkten zunehmend Gefahr für die Generationengerechtigkeit in der bAV.
Die politischen Entscheidungsträger sollten noch in den kommenden Wochen bis zum Jahresende mit einem geringfügigen gesetzgeberischen Eingriff das Garantieniveau bei den staatlich geförderten Vorsorgeprodukten senken, forderte Oecking erneut. Die Chance auf Werterhalt bestehe nur bei deutlich weniger als 100 Prozent Garantie. Lediglich an zwei Stellschrauben müsste die Politik geringfügig nachjustieren:
Von akzeptablen Garantien für unterschiedliche Zusagearten
Oecking verwies auf eine Ifa-Studie, die 70 bis 80 Prozent Garantie für sinnvoll hält. Eine BoLZ „sollte oberhalb von 50 Prozent Garantie landen“, empfiehlt der Aktuar. Unter 50 Prozent Garantie könne man eher von einer reinen Beitragszusage (rBZ) sprechen, wie sie im Sozialpartnermodell angedacht ist, meint Oecking. Die rBZ sollte „entfesselt“ werden, empfiehlt der Experte und meint vor allem die Streichung des Tarifvorbehalts.
Dazu macht auf der Tagung auch die Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung (AbA) Druck. „Alles, was man sich von einem Staatsfonds erhofft, könnte man durch die rBZ besser erreichen“, argumentiert AbA-Vorstandschef Georg Thurnes. Dazu müssten aber einige Bremsen im Sozialpartnermodell gelöst werden:
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Warum neue Formen wie Staatsfonds keine Besserung bringen
Auch Oecking kann "Deutschlandrente & Co" nicht viel abgewinnen. Die bAV sei ein erprobtes Fördermodell. Die derzeit diskutierte aktienbasierte Altersvorsorge lasse sich beispielsweise in der rBZ umsetzen. Zudem biete die bAV eine kollektive Abfederung auch in der Rentenbezugsphase.
„Wenn mein Wohnzimmer etwas renovierungsbedürftig ist, dann renoviere ich es und baue nicht einfach ein neues Wohnzimmer ans Haus“, griff Thurnes nach einem bildhaften Vergleich. „Was jedem Eigenheimbesitzer einleuchtet, sollte auch den potenziellen Koalitionären einleuchten“, so der AbA-Chef.
Sehr speziell: wertpapiergebundene Direktzusagen
Eine Aon-Studie hatte kürzlich ergeben: Bei den wenigen Unternehmen, die bereits aktiv geworden sind, um ihre bAV demografiefest und generationengerecht zu machen, stehen wertpapiergebundene Zusagen mit Beitragsflexibilität und höheren Renditemöglichkeiten für junge Mitarbeiter im Vordergrund.
Diese Zusagen zeichnen sich im laufenden Betrieb durch einfachere Kommunizierbarkeit sowie deutliche bilanzielle Entlastung der Arbeitgeber aus und wirken somit auch positiv auf die Zukunftsfähigkeit des Versorgungswerkes. Die rBZ ist für Direktzusagen nach dem Betriebsrentengesetz nicht zulässig. Daher muss die bAV in Form einer wertpapiergebundenen Versorgungszusage als beitragsorientierte Leistungszusage (BoLZ) ausgestaltet werden, erklärt Michael Hoppstädter, Geschäftsführer des bAV-Beraters Longial.
Wie ein Pharmaunternehmen Überschüsse verteilt
Vom praktischen Umgang mit dem Dauerniedrigzins und dem Einsatz einer wertpapiergebundenen Versorgungszusage berichtet auf der Fachtagung Peter Hein, Reward Partner Benefits beim Pharmaunternehmen Roche Diagnostics Deutschland. Er konzentrierte sich in seinem Vortrag vor allem auf die Verrentung und Überschussbeteiligung bei dem 2007 für alle neuen Mitarbeiter eingeführten Vorsorgeplans einer beitragsorientierten fondsakzessorischen Direktzusage mit Beitragsgarantie.
In der Rentenphase gibt es neben der Garantierente einmal jährlich eine nicht garantierte Kapitalmarktprämie (Einmalzahlung) - abhängig von den erzielten und erwarteten Überschüssen des zusammengefassten Planvermögens. „Die Gesamtrente entspricht dabei einer Rente mit einem höheren Verrentungszinssatz (Marktzins)“, erklärt Hein. Vorteil der Einmalzahlung beim Überschuss: Die Firma beteiligt die Mitarbeiter nur am tatsächlichen Überschuss und bietet keine stetige Rentenerhöhung, was als dauerhafte betriebliche Übung und damit garantierter Leistungsanspruch von Arbeitsgerichten ausgelegt werden könnte (gemäß Paragraf 16 BetrAVG).
Ausschüttungen nur für Versorgungsberechtigte
Das vorhandene Kapital werde aber immer kollektiv auf alle Versorgungsberechtigten verteilt. Gründe: Als Versorgungsleistung wird genau der Gegenwert der Wertpapiere gewährt. Überschüsse fließen nur an die Versorgungsempfänger, „der Gegenwert der Wertpapiere fließt niemals an Roche zurück“, so Hein.
Damit habe das Unternehmen lediglich das Risiko, dass die Mindestleistung nicht erreicht wird. Vorteil für die Bilanz: Künftige Anpassungen des Vorsorgeplans lösen keine oder nur sehr geringe Past-Service-Kosten aus und die Bewertung schwankt allenfalls marginal mit dem Rechnungszinssatz. Das Modell fährt Roche nur mit zwei Fonds: Ein Wachstumsfonds bringt eine hohe, risikoadjustierte Rendite und besteht fast ausschließlich aus Aktien. Ein Stabilitätsfonds dient der Stabilisierung der Startrenten und enthält neben Anleihen auch Immobilien- und Kerninfrastrukturanlagen.
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