bAV: Beitragszusage mit Mindestleistung droht das Aus

Die Niedrigzinssituation sorgt zunehmend für Probleme in der betrieblichen Altersversorgung, warnen die deutschen Versicherungsaktuare und mahnen Reformen an. Bleiben diese aus, könnten die Auswirkungen bald schmerzhaft spürbar werden.

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13:03 Uhr | 12. März | 2021

Sicherheit ohne Garantien – unter diesem Motto steht das erste Sozialpartnermodell, dessen Verabschiedung am Donnerstag das aus Talanx und Zurich bestehende Konsortium „Die deutsche Betriebsrente“ und die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi bekannt gaben.  

Garantien befinden sich auf dem Rückzug: In der privaten Rentenversicherung hatten sich zuletzt mehrere Versicherer – Marktführer Allianz vorneweg – von der vollumfänglichen Beitragsgarantie verabschiedet. Mit der Vereinbarung zwischen Verdi und Talanx/ Zurich fällt die Garantie auch in der betrieblichen Altersversorgung. Allerdings nur im Rahmen des Sozialpartnermodells. In der „alten“ bAV-Welt hat die Garantie weiterhin Bestand, schon allein aus dem Grund, da sie hier vom Gesetzgeber festgeschrieben wurde.  

Beitragszusage mit Mindestleistung droht das Aus

Daran müsse sich schnellstmöglich etwas ändern, fordert nun das Institut der Versicherungsmathematischen Sachverständigen für Altersversorgung e.V (IVS) – denn sonst drohe der in der betrieblichen Altersversorgung weit verbreiteten „Beitragszusage mit Mindestleistung“ das Aus.  

„Denn ab einem Rechnungszins von 0,5 Prozent oder weniger ist die bislang verpflichtende 100-prozentige Beitragsgarantie faktisch nicht mehr darstellbar“, erklärte IVS-Vorsitzender Dr. Friedemann Lucius, der sich auf Musterrechnungen des Instituts berief.  

Verbunden war diese Aussage mit einem Appell an die Politik, die bAV aus ihrem Garantie-Korsett zu befreien. Würde Berlin in dieser Hinsicht nicht tätig, wären die Auswirkungen gravierend: „Ansonsten werden spätestens ab 2022 zahlreiche Direktversicherungen, Pensionskassen und Pensionsfonds gezwungen, die BZML für neue Verträge zu schließen“, prognostizierte Lucius.  

So hatte die deutsche Finanzaufsicht BaFin im vergangenen Jahr angekündigt, neue Tarife regulierter Pensionskassen mit Garantien jenseits einer Schwelle von 0,25 Prozent nicht mehr unbefristet genehmigen zu wollen. „Und auch das nur, wenn das Unternehmen plausibel erläutert, wie es funktionieren kann“, erklärte im September vergangenen Jahres BaFin-Exekutivdirektor Frank Grund.  

Partieller Verzicht auf Garantien

Um dem Neugeschäfts-Stopp zuvorzukommen und es den Anbietern zu ermöglichen, für die bAV-Kunden noch Renditen zu erwirtschaften bzw. überhaupt einen Werterhalt zu gewährleisten, müsse der partielle Verzicht auf Garantien erlaubt werden, fordert der IVS. Nur dann sei es für die Anbieter möglich, einen nennenswerten Teil des Beitrags in renditestärkere Werte wie Aktien, Immobilien oder Infrastrukturprojekte zu investieren.  

Bereits vor einigen Tagen hatte Lucius die durch das andauernde Niedrigzinsumfeld immer schwieriger werdende Situation für die Pensionsfonds und Versicherer thematisiert und vor einem möglichen Generationenkonflikt gewarnt. Insbesondere jüngeren bAV-Generationen drohten Versorgungslücken, denen möglichst heute und nicht erst in 10 bis 15 Jahren begegnet werden müsse.  

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Generell werden von der Politik Lösungen erwartet, wie die betriebliche Altersversorgung, aber auch die Riester-Rente an die Niedrigzinsen angepasst werden kann. Auch beim Thema Riester besteht seitens der Versicherungswirtschaft der Wunsch, die 100-prozentige Beitragsgarantie einzumotten. Eine Reform in dieser Legislaturperiode erscheint trotz der Dringlichkeit jedoch vielen Experten als unrealistisch – zu konträr scheinen die Reform-Vorstellungen zwischen Union und SPD.  

Im Gegensatz zur Riester-Rente, die in Teilen von SPD und CDU bereits als gescheitert gilt, genießt die betriebliche Altersversorgung jedoch eine hohe Wertschätzung. Geht es nach Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD), so ist „der Baustein der betrieblichen Altersversorgung das Mittel der Wahl, um den Lebensstandard im Alter zu halten“. Mehrfach hatte die Bundesregierung in den vergangenen Jahren die Betriebsrente reformiert, unter anderem mit der Einführung des Betriebsrentenstärkungsgesetzes 2017.  

Große Hoffnung auf Nahles-Rente

Große Hoffnungen ruhen dabei auf der sogenannten Nahles-Rente, dem Sozialpartnermodell, die durch die gestrige Verkündung neuen Auftrieb gewinnen dürfte. Alleine auf dieses Modell zu setzen, scheint aber fahrlässig. Denn obwohl es weitere Interessenten gibt, rechnet man bei Verdi zumindest in diesem Jahr nicht mehr mit weiteren Abschlüssen.  

Es braucht folglich weitere Reformen auch in der alten bAV-Welt. Befürchtungen, dass ein Garantieverzicht ein für die Versicherten unkalkulierbares Risiko darstelle, trat Lucius entgegen. Schwankungsrisiken im Zusammenhang mit Aktien und anderen Sachwertanlagen seien aufgrund der in Deutschland vorherrschenden Risikoaversion dramatisch überbewertet, so Lucius. Diese Risiken seien über lange Zeiträume in einem Versorgungskollektiv und mit einem professionellen Risikomanagement sehr gut beherrschbar.

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