bAV: Neue Produkte braucht das Land im Niedrigzins…

… doch Regierung und Aufsicht blockieren Neuerungen bei Garantien und dem Sozialpartnermodell, wurde auf einem HDI-Expertenforum deutlich. Dabei sind die allgemeine Zukunftschancen moderner bAV-Produkte unbestritten.

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05:06 Uhr | 22. Juni | 2022

Das Geschäft mit der bAV geht unbeirrt weiter. Dennoch ist die Entwicklung des Höchstrechnungszinses nach unten hinderlich. Folge: „Garantien von 100 Prozent der Beiträge sind derzeit mit bisher üblicher Produktkalkulation nicht mehr darstellbar“, sagt Sandra Blome, Direktor und Partner beim Institut für Finanz- und Aktuarwissenschaften (Ifa) auf dem virtuellen HDI-Expertenforum am Dienstag, dem knapp 400 Makler beiwohnen.

Anders als im Vorjahr bietet auch der HDI wegen der verfügten Absenkung des Höchstrechnungszinses auf 0,25 Prozent keine 100-Prozent-Beitragsgarantie mehr an. „Die Beitragszusage mit Mindestleistung (BZML) ist marktweit im Abseits“, sagt Talanx-bAV-Vorstand Fabian von Löbbecke. Das gehe weder mathematisch für die Anbieter noch von der erreichbaren Rentenhöhe für die Arbeitnehmer auf und „ist nicht die richtige Lösung“.

Warum fondsgebundene Produkte in der bAV richtig sind

Garantien waren noch nie so „teuer“ wie heute, resümiert die Aktuarin. Sie hatte schon vor vielen Jahren auf die Chancen fondsgebundener Garantieprodukte verwiesen. Die Reduktion von Garantien sei unausweichlich. Teilweise müsste zum Beispiel in der Direktversicherung auf garantierte Rückkaufswerte verzichtet oder solche Werte nur noch kurz vor Rentenbeginn eingeräumt werden. Ein Rückkaufswert dürfe jedoch nicht zu gering ausfallen, denn arbeitsrechtlich müsse die Wertgleichheit bei Entgeltumwandlung gewährleistet sein, so Blome.

Die BZML sei schlicht und einfach mathematisch nicht mehr darstellbar. Vor einer solchen Entwicklung hatten in der Vergangenheit bereits die Aktuare vom Institut der versicherungsmathematischen Sachverständigen für Altersversorgung (IVS) gewarnt. Gleiches gelte auch für die Riester-Rente, so Löbbecke.

Gesetzgeber muss Mindestgarantie bei BoLZ klären

Reduzierte Garantien seien alternativlos, hatte Löbbecke bereits im Vorjahr erklärt. Aktuell gebe es aber unverändert Grenzen im Arbeitsrecht. Die beitragsorientierte Leistungszusage (BoLZ) biete die Chance, die Garantien auf 80 bis 90 Prozent zu senken. Der Gesetzgeber müsse aber noch die Aussage „Beiträge in Anwartschaft umwandeln“ (Paragraf 1 Absatz 2 Nr. 1 BetrAVG) in Sachen Mindestgarantie zu präzisieren.

„Für die Bewertung von Zusagen bzw. damit verbundenen Produkten gilt: Nicht nur die Garantiehöhe muss betrachtet werden, sondern Chancen und Risiken“, erklärt Blome. Bedarfsgerecht sei inzwischen nicht mehr eine nominale Betrachtung der bAV-Werte in Euro-Leistung, sondern die reale Betrachtung unter Beachtung der Inflation in Kaufkraft-Leistung – siehe Grafik.

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Sicherheit und Garantie sind nicht dasselbe

Das Ifa hat dazu im vergangenen Jahr eine Studie vorgelegt, auf die Blome noch einmal dezidiert verweist. Ergebnis: Auch für sicherheitsorientierte Kunden können niedrigere Garantieniveaus bedarfsgerecht sein. Zu viel Garantie (in der Dimension Euro) kann das Risiko (in der Dimension Kaufkraft) sogar erhöhen. „Sicherheit und Garantie ist nicht dasselbe“, betont Blome.

"Zur Abfederung der Inflation sind Fonds im Versicherungsmantel besonders attraktiv“, meint Fabian von Löbbecke, Vorstandschef HDI Pensionsmanagement und Vorstand der HDI Lebensversicherung. In der bAV kämen weitere Renditehebel hinzu, etwa die staatliche Förderung in der Ansparphase (4 Prozent SV-Freiheit und 8 Prozent Steuerfreiheit auf den Beitrag, 15 Prozent Arbeitgeberzuschuss bei Entgeltumwandlung) und in der Rentenphase (kleiner Freibetrag in der Krankenversicherung der Rentner).

Inflation mit Förderung und renditestarker Anlage trotzen

Unterm Strich hat das Institut für Vorsorge und Finanzplanung daraus samt der Rendite bei einer Kapitalanlage im Fondsmantel eine Gesamtrendite von 9,82 Prozent pro Jahr errechnet (Modell: Mann, 45, 25.000 Euro Einkommen, 2 Kinder). Auf Basis dieses Beispiels sagt Löbbecke: „Geförderte Altersvorsorge ist unschlagbar und auch die richtige Antwort in Zeiten hoher Inflation.“

Auch die steigende Lebenserwartung muss bei moderner bAV berücksichtigt werden. Zehn Jahre länger zu leben bedeutet 200.000 Euro mehr Kapitalbedarf, erinnert Löbbecke. „Und der Kapitalbedarf wächst mit der Inflation, doch spätere Korrekturen sind kaum möglich“, sagt Löbbecke wörtlich. Auch in der Rentenphase gelte es das Vermögen vor Inflation zu schützen. Dazu biete HDI einerseits eine leistungsstarke U-Kasse über das Versorgungswerk der deutschen Wirtschaft (Smart Pension) und zudem die reine beitragszusage über das Sozialpartnermodell (SPM).

Talanx-SPM noch immer in der Warteschleife 

Das SPM von Talanx und Verdi sei immer noch im Genehmigungsverfahren bei der BaFin. Den genauen Grund nennt Löbbecke aus vertragspolitischen Gründen (Geheimhaltung) nicht. Immerhin deutet er im Pressegespräch nach dem Expertenforum an: „Die künftige Ausgestaltung von Tarifverträgen wirkt sich ja womöglich auch auf bestehende Versorgungszusagen aus. Der Gesetzgeber muss dieses Spannungsfeld von Tarifvertrag und Versicherungsaufsichtsgesetz klären.“ Damit kann Löbbecke weiterhin keinen Termin für den Start des hauseigenen SPM nennen.

Klar sei dagegen, dass die 100-Prozent-Garantie in der versicherungsförmigen bAV ausgedient hat. „Wir haben daher zu Jahresbeginn mit 'Safe Invest' eine intelligente Lösung für die Direktversicherung gefunden“, meint Löbbecke. Dahinter steckt ein dynamisches Hybrid mit Wertsicherungskomponenten. Ein „Börsencrash-Airbag“ in den drei möglichen Portfolios sorgt dafür, dass monatlich immer 80 Prozent der Fondsguthabens vom Vormonat gesichert sind. Über das gewählte Investment-Portfolio sei der Kunde je nach Marktsituation dennoch bis zu 100 Prozent in Aktien investiert.

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