bAV: Schonungslose Analyse und Aufgaben für die Politik

Die Perspektive der bAV bleibt insgesamt unklar, obwohl die Ampel-Koalition sie fördern will. Passiert ist bislang nichts, doch Experten mahnten auf einer Fachtagung zur Eile und nannten die wichtigsten Aufgaben für die Politik.

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08:05 Uhr | 25. Mai | 2022

Wie geht es weiter mit der deutschen Altersversorgung? Antworten auf diese Grundsatzfrage suchte und fand die 84. Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung (aba) vergangene Woche in Berlin – sehr konkret bei den Experten, aber weniger konkret bei den zuständigen Sozialpolitikern. Erfreulich: „Die ersten drei Sozialpartnermodelle (SPM) könnten noch in diesem Jahr an den Start gehen“, prophezeite aba-Vorstandschef Dr. Georg Thurnes in seinem Bericht zur Lage.

Namen nannte er nicht, aber die Chemie- und auch die Energiebranche seien weit vorangekommen, und beim Versicherer Talanx fehle es noch immer an der BaFin-Genehmigung. Last but not least brauche es beim SPM mehr Klarheit, was der Gesetzgeber sich unter der Beteiligung der Sozialpartner an Durchführung und Steuerung genau vorstellt. Bislang schreckten da einige Sozialpartner vor der Verantwortung noch zurück.

Reine Beitragszusage auch ohne Tarifvertrag

Es brauche weitere gesetzgeberische Maßnahmen, um der bAV den nötigen Schub zu geben, so Thurnes. „Der Zugang zur reinen Beitragszusage (rBZ) muss erleichtert werden, auch jenseits von Tarifverträgen“, forderte der aba-Chef. Neben der BZ und klassischen Leistungszusagen muss es gesetzgeberisch auch möglich gemacht werden, mit niedrigeren Garantien rechtssicher zu arbeiten, wenn die Beteiligten das wollen. Auch Tariföffnungsklauseln müssten geprüft werden.

Ganz generell müssten bAV-Zusagen auch endlich mit einem Garantieniveau unter 100 Prozent rechtssicher erteilt werden können, denn Dauerniedrigzins und hohe Garantien schließen einander aus. Noch immer müsse aber bei der betrieblichen Beitragszusage mit Mindestleistung (BZML), die vielen Tarifverträgen zugrunde liegt, der Versicherer trotz abgesenktem Höchstrechnungszins von nur noch 0,25 Prozent weiterhin eine 100-Prozent-Beitragsgarantie darstellen.

Erlaubnis, bAV-Zusagen für Zukunft ändern zu dürfen

Zudem müssten bAV-Zusagen flexibler werden, forderte die aba. Das heißt: Bereits erteilte Zusagen müssen für die Zukunft abänderbar sein, zum Beispiel mit einer rBZ. „Aufgrund der Systembrüche bei Demographie und am Kapitalmarkt wirkt übertriebener Besitzstandsschutz einer generationengerechten Versorgung entgegen“, betonte Thurnes, im Hauptberuf Aktuar.

Bislang dürfen arbeitsrechtlich erteilte Zusagen nicht abgeändert werden. „Nach einer Gesetzesänderung müssten bereits verdiente Versorgungsanteile erhalten bleiben, aber künftige Arbeitsjahre mit weniger Garantien der Ansprüche verbunden, jedoch die gestrichenen Garantien mit chancenreicher Anlage wie in der RBZ verknüpft werden“, blickte Thurnes voraus.

Wenig Konkretes von Ampel-Koalitionären

Und was meinen Ampel-Politiker? In mehreren Punkten zur bAV ist noch keine einheitliche Strategie der Ampel-Koalitionäre zu erkennen. Zwar wollen alle die bAV fördern, doch die gesetzliche Rente gehe vor. Daher läuft es wahrscheinlich auf ein weiteres Jahr des Stillstandes hinaus. Immerhin war auf der aba-Tagung zu hören, dass es zu den bisherigen bAV-Garantien keine Denkverbote geben darf, zumal die Arbeitgeber mit der bAV eben nicht das Kapitalmarktrisiko auf die Arbeitnehmer abwälzen.

Thurnes warb um Zeit beim SPM. Es brauche Zeit, bis die Einsicht reift, dass Sicherheit auch jenseits von teuren Garantien geschaffen werden kann. „Nach Jahrzehnten des Einschwörens auf Garantien zur Altersversorgung muss man nun den Arbeitnehmern und Gewerkschaften vermitteln, dass Garantien schädlich sind für die Altersversorgung und ein Modell wie die rBZ hier entscheidende Vorteile bringt“, so der aba-Chef.

Überregulierung kann freiwillige Sozialleistung kaputtmachen

Thurnes warnte die Politik, insbesondere auch EU-Behörden, davor, mit Überregulierung die bAV zu beschädigen. „Wir müssen aufpassen, dass Arbeitgeber als Träger dieser freiwilligen Sozialleistung nicht die Lust an der bAV durch Überregulierung verlieren und die Kostenvorteile der bAV von bisweilen kaum sinnträchtigen, kleinteiligen Regulierungsanforderungen aufgefressen werden.“

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