Schon vor der Bundestagswahl im vergangenen Herbst geisterten zahlreiche Staatsfonds-Modelle für die Zusatzvorsorge in Deutschland durch den Markt. Gute Chancen werden dem skandinavischen Rentensystem mit staatlichen Aktienfonds in den ersten beiden Säulen zugeschrieben. Einen freiwilligen öffentlich-rechtlichen Bürgerfonds als bAV-Vehikel halten mehrere Politiker der Ampel-Koalition für eine gute Alternative.
Das taugt aber nur sehr bedingt für Deutschland. Beispiel Schweden: Der fast 66 Milliarden Euro schwere Staatsfonds hatte in den vergangenen zehn Jahren vielfach von steigenden Aktienkursen im Niedrigzinsumfeld profitiert. Mit der quasiobligatorischen bAV sparen 90 Prozent der Beschäftigten in Schweden für das Alter an. Unterm Strich kommen sie damit auf 25 bis 35 Prozent ihrer Gesamtrente. Doch Schweden hat mit gut zehn Millionen Einwohnern nur ein Achtel der deutschen Bevölkerung zu versorgen. Und den verspäteten Umstieg in den Aktienmarkt für die bAV müsste Deutschland mit heftigen Aufschlägen bei den Börsenkursen bezahlen.
Warum Schweden und Norwegen als Vergleich kaum taugen
Noch schiefer fällt der Vergleich mit Norwegen aus, dessen staatlicher Pensionsfonds sogar 1,11 Billionen Euro schwer ist und damit der weltgrößte rohstoffbasierte Staatsfonds der Welt. Er machte im vergangenen Jahr sagenhafte 158 Milliarden Euro Gewinn. Der Staat investiert durch den in den 90er-Jahren gegründeten Pensionsfonds die Einkünfte aus der Öl- und Gasproduktion an den globalen Finanzmärkten, hält Beteiligungen an rund 9.100 Unternehmen weltweit und investiert darüber hinaus in Anleihen, nicht börsennotierte Immobilien und Infrastruktur für erneuerbare Energien.
Dabei muss der Staatsfonds in Norwegen nur eine Bevölkerung versorgen, die mit 5,1 Millionen lediglich halb so groß wie in Schweden ist. Damit taugt der Vergleich noch weniger für Deutschland, das bekanntlich keine Ölquellen und nur sehr wenig Gas besitzt, sich aus der Atomkraft verabschiedet und den Kohleabbau beerdigt. Dennoch ist der Glaube an Staatsfonds hierzulande weit verbreitet.
Offenkundig liebäugelt die Politik mit einem öffentlich verantworteten Fonds samt Opt-out-Möglichkeit in der dritten Schicht, für dessen Umsetzungsweg man sich die Arbeitgeber vorstellen kann, die bekanntlich die bAV in der zweiten Vorsorgeschicht organisieren, und zwar freiwillig. Das rief bereits den Protest der Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersvorsorge (Aba) hervor.
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Was bAV-Spitze von Staatsfonds hält
„Staatsfondsmodelle können der reinen Beitragszusage nicht das Wasser reichen, denn das Sozialpartnermodell ist mehr als eine effiziente Kapitalsammelstelle, es kann auch sichere, lebenslange Leistungen darstellen“, betont Aktuar und Aba-Vorstandschef Georg Thurnes. Hauptfinanzier seien ohnehin die Unternehmen, von denen viele bei der Entgeltumwandlung schon seit Jahren die ersparten Sozialabgaben an die Mitarbeiter weitergeben. „Zudem bietet die bAV eine kollektive Abfederung von Risiken auch in der Rentenbezugsphase – bei einem Staatsfonds müsste der Steuerzahler einspringen“, erinnert Aba-Geschäftsführer Klaus Stiefermann.
Bei einem Staatsfonds als Umsetzungsweg die Arbeitgeber heranzuziehen, wie es die SPD überlegt, würde der bAV schweren Schaden zufügen, warnt Stiefermann. Wie real diese Gefahr auch ein knappes halbes Jahr nach der Bundestagswahl noch ist, wurde auf der Fachtagung „6. Berliner bAV-Auftakt: Die Zukunft der bAV im Dialog“ deutlich, zu der Mathias Ulbrich, Professor für Arbeitsrecht an der Fakultät für Wirtschaftsrecht der Hochschule Schmalkalden, geladen hatte.
Ampel will offenbar weiter Staatsfonds-Prüfung
„Um KMU ohne TV-Bindung und ohne bAV besser einzubeziehen, könnten die bei einem Staatsfonds andocken, was eine Ergänzung der bAV wäre“, glaubt Volkswirtin Tanja Machalet, die für die SPD im Bundestagsausschuss für Arbeit und Soziales sitzt. „In der bAV gibt es staatliche Förderung, daher ist Einflussnahme der öffentlichen Hand nötig“, ergänzt Markus Kurth, Politologe und rentenpolitischer Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen. Auch wenn für ihn die bAV „erst einmal freiwillig“ bleibt, ist der Schritt zu einem Staatsfonds nicht verbaut.
Bleibt die FDP, die schon vor der Wahl ihre Sympathien für eine „Ikea-Rente“ kundtat, wenn auch zunächst nur als zusätzliches Element in der gesetzlichen Rentenversicherung, also in der ersten Schicht. Militärseelsorger Pascal Kober, der für die FDP im Bundestagsausschuss für Arbeit und Soziales sitzt, erwähnt Staatsfonds namentlich nicht, schließt für die bAV aber ein Obligatorium nicht generell aus, wenn dies dazu beiträgt, „die Betriebsrente einfacher und attraktiver zu machen“. Dabei müsse aber das Gesamtsystem stabil bleiben.
BMAS: bAV-Prinzipien passen nicht zu Staatsfonds
Da die Bundesregierung noch keinerlei konkrete Umsetzungsschritte in Sachen Staatsfonds-Prüfung veranlasst hat, ruht das Thema im Moment. Daher hält sich auch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) mit Prognosen zurück. Das BMAS sieht Auswirkungen der im Koalitionsvertrag genannten Staatsfonds-Prüfung auf die bAV, hieß es auf der Tagung.
Käme es zu einem Opt-out – womöglich über die Arbeitgeber organisiert – „könnte die bAV unter massiver Konkurrenz leiden“, sagt Bettina Schwindt aus dem Referat „Zusätzliche Altersvorsorge. Andere Diskutanten sprachen offen von Kannibalisierung. Käme es dazu, wären die vom BMAS propagierten bAV-Prinzipien obsolet. Sie lauten im Moment noch: Freiwilligkeit, Stärkung, Verbreitung der reinen Beitragszusage sowie höhere Renditeziele.
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