Beratungshaftung: Bleibt sie trotz Ausgleichsvereinbarung bestehen?

Kunde und Versicherer vereinbaren nach einem strittigen Schadenfall eine anteilige Ausgleichsvereinbarung. Ist damit auch jegliche Gefahr für eine Beratungshaftung des Vermittlers vom Tisch? Darüber entschied das OLG Dresden. Rechtsanwalt Jens Reichow ordnet ein.

14:12 Uhr | 01. Dezember | 2021

Das OLG Dresden hatte zu entscheiden, ob eine Ausgleichsvereinbarung, die ein Versicherer mit einem Versicherungsnehmer schloss, auch Auswirkungen für den Versicherungsvermittler hat. Der Versicherungsnehmer hatte vom Versicherer ursprünglich Leistungen aus einer Gebäudeversicherung verlangt. Anlass waren Vandalismus- und Sturmschäden. Der Versicherer verweigerte zunächst die Auszahlung der entsprechenden Versicherungssumme, zumal Vandalismusschäden nicht mitversichert worden waren. Daraufhin verlangte der Versicherungsnehmer von dem Versicherer und den Versicherungsvermittler Schadensersatz. Zwischen dem Versicherer und Versicherungsnehmer kam es daraufhin zum Abschluss einer Ausgleichsvereinbarung, nach welcher „alle Ansprüche“ als abgegolten gelten.

Anschließend verlangte der Versicherungsnehmer vom Versicherungsvermittler noch die Differenz zwischen dem entstandenen Schaden und dem vom Versicherer aufgrund der Ausgleichsvereinbarung gezahlten Betrages. Das OLG Dresden hatte daraufhin zu entscheiden, ob aufgrund der verwendeten Formulierung auch eine Abgeltung von Schadensersatzansprüchen gegenüber dem Versicherungsvermittler im Rahmen der Ausgleichsvereinbarung erfolgt ist.

Vermittler bleibt in der Haftung

Mit Beschluss vom 15.10.2020 (Az.: 4 W 697/20) entschied das OLG Dresden, dass mittels der Ausgleichsvereinbarung keine etwaigen Schadensersatzansprüche gegenüber dem Versicherungsvermittler abgegolten seien. Ob eine solche Gesamtwirkung gewollt gewesen war, ist nämlich durch Auslegung des Vertrages zu ermitteln. Aus der Formulierung „alle Ansprüche“ und der Unterzeichnung der Ausgleichsvereinbarung durch den Versicherungsnehmer kann jedoch nicht geschlossen werden, dass dieser auch Ansprüche gegen den Versicherungsvermittler abgelten wollte.

Aufgrund der geschlossenen Ausgleichsvereinbarung blieb die Haftung des Versicherungsvermittlers in Bezug auf seine etwaigen Beratungspflichtverletzung also unberührt. In dem Fall vor dem OLG Dresden konnte dem Versicherungsvermittler jedoch keine Beratungspflichtverletzung nachgewiesen werden. Für den Versicherungsvermittler war erst nach dem Eintritt des Schadensereignisses erkennbar, dass der Versicherungsnehmer einen Schutz für Vandalismusschäden wünschte. Deswegen lehnte das Gericht eine Beratungspflichtverletzung im Rahmen der Vermittlung des Gebäudeversicherungsvertrages durch den Versicherungsvermittler ab.

Jens Reichow ist Rechtsanwalt bei der Hamburger Kanzlei Jöhnke & Reichow.

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