Betriebsrente: Für junge Arbeitnehmer nicht gerecht

Der Generationenvertrag wird zum Konfliktherd: Arbeitnehmer nehmen Ungerechtigkeiten auch bei der Betriebsrente wahr. Neue Regelungen gehen oft zu Lasten der jüngeren Generation, so eine Studie. Wo Handlungsbedarf für Arbeitgeber besteht.

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08:09 Uhr | 14. September | 2021
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Die meisten Arbeitnehmer (60,5 Prozent) wünschen sich eine höhere Leistung bzw. Rendite, um die bAV insgesamt attraktiver zu machen. Das geht aus einer Umfrage des bAV-Beraters Aon Deutschland hervor, an der rund 1.000 Angestellte aus deutschen Unternehmen mit mindestens 500 Beschäftigten sowie 119 Arbeitgebervertreter teilgenommen haben.

Erfahrungsgemäß sind Arbeitnehmer in der Großindustrie besser als ihre Kollegen in KMU über das Thema Betriebsrente informiert, da die Arbeitgeber traditionell eine komplett oder teilweise firmenfinanzierte bAV bieten. „Betriebsrente ist nach wie vor ausgesprochen attraktiv und folgt auf der Wunschliste gleich nach der Barvergütung“, sagt Aon-Geschäftsführer Fred Marchlewski.

Arbeitnehmer spüren Ungerechtigkeit bei Betriebsrenten

Ein anderer Aspekt der Studie klingt alarmierend: 72 Prozent der befragten Arbeitnehmer zwischen 18 und 29 Jahren sind der Ansicht, dass Veränderungen an den betrieblichen Versorgungswerken (Umfang der Leistungen oder der Beiträge) vor allem zu Lasten der jungen Generation gehen.

Die Älteren (60 bis 65 Jahre) unter den Befragten sehen es mit knapp 70 Prozent genauso. Deutlich mehr als die Hälfte der Arbeitgeber (62 Prozent) gesteht ein, dass sie Änderungen vor allem bei jüngeren Arbeitnehmern vornimmt, um vorhandene Hürden, meist rechtlicher Natur, im System zu umgehen.

Hintergrund: Immer weniger Jungen stehen durch die demografische Entwicklung immer mehr Alte gegenüber. Dieser Generationenkonflikt spiegelt sich nicht nur bei der gesetzlichen Rente wider, sondern auch in der bAV. Ein Betriebsklima, in dem die jüngeren Arbeitnehmer neidisch auf die älteren blicken, tut jedoch niemandem gut und schadet dem gesamten Unternehmen, so Aon.

Arbeitgeber größerer Firmen bestätigen Ungerechtigkeit

Die heutige bAV ist weniger wert als die Leistungen für vergangene Generationen, meinen 39 Prozent der Arbeitnehmer, während 21 Prozent das Gegenteil glauben. Eine objektivere Sicht bieten die Arbeitgebermeinungen, die oft von langjährigen bAV-Verantwortlichen abgegeben wurden. Danach sagen über zwei Drittel (69 Prozent), dass die heutige bAV weniger wert sei als früher.

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„Unsere Studie offenbart den Handlungsbedarf deutlich, in der Politik ebenso wie in den Unternehmen,“ kommentiert Marchlewski. Sie lege Arbeitgebern nahe, konkret und zeitnah etwas gegen den Generationenkonflikt in der bAV zu unternehmen, denn noch genieße die bAV bei Arbeitnehmern großes Vertrauen. Zudem bietet sie Arbeitgebern viel kreativen Spielraum, gerade auch für die jüngere Generation.

Wie sich in Sachen Gerechtigkeit gegensteuern lässt

Nur rund ein Fünftel der Firmen mit mehr als 500 Beschäftigten hat bereits konkrete Initiativen gestartet, um für mehr Generationengerechtigkeit in der bAV zu sorgen, so die Studie. Es gehe vor allem darum, die Versorgungswerke an die geänderten Rahmenbedingungen anzupassen und die Mitarbeiter auch darüber zu informieren. So gilt es, die veränderte Demografie und die sich daraus ergebenden Versorgungslücken zu adressieren genauso wie den am Kapitalmarkt fehlenden Zins, der für die an Garantien gewöhnten Arbeitnehmer ein deutliches Umdenken bedeutet.

Sowohl Arbeitnehmer (61 Prozent) und deren Vorsorgeberater als auch Arbeitgeber (71 Prozent) sehen in der bAV eine Möglichkeit, den Generationenkonflikt zu entschärfen. „Unternehmen können also mit großer Zustimmung bei ihrer Belegschaft rechnen, wenn sie Initiativen in dieser Richtung starten“, sagt Marchlewski.

Zeit für wertpapiergebundene Zusagen gekommen

Bei den wenigen Unternehmen, die bereits aktiv geworden sind, stehen wertpapiergebundene Zusagen mit Beitragsflexibilität und höheren Renditemöglichkeiten für junge Mitarbeiter (58 Prozent) im Vordergrund. Diese Zusagen zeichnen sich im laufenden Betrieb durch einfachere Kommunizierbarkeit sowie deutliche bilanzielle Entlastung der Arbeitgeber aus und wirken somit auch positiv auf die Zukunftsfähigkeit des Versorgungswerkes.

Mit 42 Prozent ist der Anteil der Arbeitgeber sehr hoch, der „sonstige Initiativen“ angegeben hat (Mehrfachnennungen erlaubt). Dies deutet für Marchlewski darauf hin, dass es bisher keine Standardlösungen gibt, sondern in vielen Fällen ein für die jeweilige Firma und deren Umfeld maßgeschneidertes Vorgehen gesucht wird – siehe Grafik.

Quelle: Aon

Unterschätzen Arbeitgeber Generationengerechtigkeit?

Bei der Personalgewinnung wird das Thema Generationengerechtigkeit in der Altersversorgung bedeutender werden. Fast zwei Drittel (64 Prozent) der Arbeitnehmer geben an, dass Generationengerechtigkeit in der bAV eine Rolle bei ihrer Wahl eines Arbeitgebers spielt. Das ist offensichtlich von den Unternehmen trotz Fachkräftemangel noch nicht voll angekommen. Erst 38 Prozent der Arbeitgeber meinen, dass die Generationengerechtigkeit eine Rolle bei der Personalgewinnung spielt.

Nicht einmal die Hälfte der Arbeitnehmer bewertet die Kommunikation zur bAV durch den Arbeitgeber als ausreichend. Ein Drittel vermisst Verständlichkeit und Zuschnitt auf die individuellen Bedürfnisse. Dazu trifft die aktuelle Aon-Studie keine konkreteren Aussagen. Dafür gibt es interessante Erfahrungen von bAV-Beratern: Mehr als die Hälfte der Makler geht davon aus, dass ihre Firmenkunden derzeit nicht bereit sind, für eine bAV-Portallösung zu zahlen.

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