Die betriebliche Altersversorgung (bAV) ist ein elementarer Baustein, wenn es um die eigene Altersvorsorge geht: Bundesarbeitsminister Hubertus Heil bezeichnete die bAV als “das Mittel der Wahl, um den Lebensstandard im Alter zu halten”. Eine Meinung, die der SPD-Politiker nicht exklusiv hat. Nahezu alle politischen Parteien haben sich die weitere Stärkung der bAV in ihre Agenda geschrieben. Denn obwohl die bAV in vielen Unternehmen fest etabliert ist, bestehen bei zahlreichen Arbeitnehmern offenbar noch Skepsis und Unwissen, wie eine aktuelle Umfrage von Willis Towers Watson zeigt. Zwar bieten 87 Prozent der befragten 80 Unternehmen eine Entgeltumwandlung in bAV an, allerdings liege der Verbreitungsgrad unter den Mitarbeitern nur bei rund einem Drittel bei über 50 Prozent der Angestellten. Als mutmaßliche Gründe vermuten die bAV-Verantwortlichen der Firmen, dass Angestellte ihren Vorsorgebedarf entweder nicht kennen oder versicherungsbasierten Vorsorgeangeboten skeptisch gegenüberstehen.
Scheu und Unwissen bei den Mitarbeitern
„Es zeigt sich, dass Mitarbeiter vor allem aus Unwissen oder Scheu vor manchen neueren Versicherungsprodukten noch viel zu selten zugreifen“, erklärt Heinke Conrads von Willis Towers Watson. Verantwortlich hierfür seien auch die zahlreichen Produktinnovationen, mit denen die Versicherer in der vergangenen Zeit auf den Markt gekommen sind. Diese setzen in der Regel auf verminderte Garantieversprechen, um im aktuellen Niedrigzinsumfeld den Kunden eine chancenreichere Anlage zu ermöglichen.
Bei diesen bestehe aufgrund der Produktflut aber eher Verunsicherung. "Viele Unternehmen vermuten, dass die Mitarbeiter – nach vielen Veränderungen bei den Versicherungsangeboten in nur kurzer Zeit – nur noch wenig Vertrauen in solche Produkte haben", erklärt Heiko Gradehandt, Senior Director Retirement bei Willis Towers Watson. Zumal viele Mitarbeiter weiterhin auf die mit Garantien assoziierte Sicherheit setzen.
„Das Niedrigzinsumfeld wird wohl noch einige Zeit bestehen bleiben. Die Anbieter werden deshalb am Trend zu kapitalmarktnäheren Lösungen festhalten, um Produkte attraktiv gestalten zu können. Unternehmen und Mitarbeiter kommen daher nicht umhin, sich mit diesen Produkten auseinanderzusetzen“, so Gradehardt. Entsprechend große Bedeutung komme darum nicht nur den Unternehmen, sondern auch den Versicherungsvermittlern zu, die bestehende Wissenslücken schließen und die neuen Versicherungsprodukte erklären müssen. „Mitarbeiter werden Vorsorgeangebote nur annehmen, wenn sie sie verstehen“, ist Gradehardt überzeugt.
Nachholbedarf bei kleinen und mittleren Unternehmen
Wenig Auftrieb hat der bAV hingegen das vor vier Jahren eingeführte Betriebsrentenstärkungsgesetz (BRSG) beschert. So registrierten 76 Prozent der befragten Unternehmen seitdem keine wesentliche Veränderung bei der Inanspruchnahme der bAV durch Mitarbeiter. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) registrierte 2017, ein Jahr vor Inkrafttreten des BRSG, einen Bestand von 15,8 Millionen Verträgen. 2020 hatte sich die Anzahl mit 16,2 Millionen bAV-Kontrakten nur leicht erhöht. Von einer flächendeckenden Verbreitung könne laut GDV noch keine Rede sein, Nachholbedarf sieht der Verband vor allem bei den kleinen und mittleren Unternehmen. Gradehandt rät: „Unternehmen sollten ihre bAV immer wieder aktiv kommunizieren.“