Am 1. Januar wird bekanntlich der Höchstrechnungszins (HRZ) für das Neugeschäft in der Lebensversicherung von 0,9 auf 0,25 Prozent gesenkt. Damit wächst auch der Druck in der betrieblichen Altersversorgung (bAV) auf die Garantien, denn in der weit verbreiteten Beitragszusage mit Mindestleistung (BZML) wie auch bei der betrieblichen Riester-Rente sind weiterhin 100 Prozent Garantie vorgeschrieben.
Erst kürzlich forderten die deutschen Aktuare erneut, von dieser Garantie abzurücken. „Andernfalls gibt es morgen am Markt vermutlich keine Riester-Rente und BZML mehr“, prophezeit Guido Bader, Vorstand der Deutschen Aktuarvereinigung (DAV). „Der vollständige Beitragserhalt mündet in einen Realwertverlust“, so Bader weiter auf der virtuellen DAV-Tagung.
Gefahren für die bAV, wenn volle Garantie bleibt
Auch bei der virtuellen Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung (aba) kochte das Thema erwartungsgemäß hoch. „Ich bin höchst besorgt, dass eine Absenkung des HRZ ohne gleichzeitige Absenkung der Garantieanforderungen bei der BZML erfolgen soll“, sagt aba-Vorstandschef Georg Thurnes, Inhaber der Firma Thurnes-bAV.
Viele Firmen nutzen versicherungsförmige Durchführungswege mittels BZML, weil dies leicht zu administrieren und risikoarm zu bewerkstelligen ist. „Nun droht eine Abkehr von dieser Zusageart, da das Subsidiärhaftungsrisiko für Arbeitgeber bei Beibehaltung der 100-Prozent-Garantie steigt, weil die Anbieter die Garantie nicht mehr erwirtschaften können“, warnt der Aktuar. Die aba sei dazu im Gespräch mit dem zuständigen BMF und auch dem BMAS – bisher ohne Ergebnis.
aba beschwört die Politik
„Manche Politiker glauben offenbar, dass eine Absenkung von Mindestgarantien eine Leistungssenkung darstellt, doch das ist definitiv nicht so“, stellt Thurnes klar. Die Absenkung sei die einzige Chance für mehr Rendite und damit nennenswerte Betriebsrentenhöhen. „Die internationale Fachwelt war 2019 begeistert bei Vorstellung des deutschen Modells einer reinen Beitragszusage auf dem Weltkongress der Aktuare“, erinnert Thurnes. Im Moment scheine es so, dass der Prophet im eigenen Land nichts gilt.
Für Bundearbeitsminister Hubertus Heil (SPD) ist die „ergänzende Altersvorsorge wichtig und die baV der beste und effizienteste Weg dafür, weil sie passgenau, kostengünstig, vertrauenswürdig und gelebte Sozialpartnerschaft ist“. Doch auf der aba-Tagung sagt er nichts zur Garantieabsenkung. Und das zuständige BMF unter Leitung von Olaf Scholz (SPD) unternimmt bisher nichts. Man sehe keinen Regelungsbedarf, hießt es kürzlich auf der BaFin-Jahreskonferenz 2021.
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Was die Parteien zu Zukunft der Altersversorgung sagen
Spannend war daher, wie sich Rentenpolitiker verschiedener Parteien auf der aba-Tagung zur deutschen Altersversorgung äußerten. Die aba fragte: Muss mehr Geld ins System? Können staatliche Aktienfonds helfen und wie wirken solche Modelle auf die bAV aus?
Bündnis90/Die Grünen: Markus Kurth, Sprecher für Rentenpolitik: Mehr Geld gehört in erster Säule ins System, insbesondere durch mehr Erwerbsbeteiligung von Frauen, qualifizierte Zuwanderung und Produktivität sowie maßvolle Anhebung des Beitragssatzes. „Ein Abknapsen von Teilen des Rentenbeitrags und Umleitung in den Kapitalmarkt wie in Schweden ist für Deutschland nicht akzeptabel.“ bAV könne sinnvolle Ergänzung für Sicherung des Lebensstandards sein, vor allem mit Finanzierung durch die Arbeitgeber. Ein Angebots-Obligatorium samt besserer Portabilität wäre dazu eine Option. Auch ein freiwilliger Bürgerfonds statt immer neue Direktversicherungen mit neuen Abschlusskosten nach Jobwechsel könnte eine Alternative sein.
Überlegungen der Parteien kaum eine Rolle.
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