Betriebsrente: Was passiert mit Ansprüchen ab der Insolvenz?
Wie weit haftet der Erwerber eines insolventen Betriebs für Leistungen aus einer betrieblichen Altersversorgung (bAV)? Die Antwort ist auch und gerade in Pandemiezeiten mit gehäuften Insolvenzzahlen für Arbeitnehmer von Belang. Antwort gab kürzlich das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit Entscheidungen in gleich 22 Fällen.
Quintessenz: Wer ein insolventes Unternehmen erwirbt, haftet für Ansprüche der von ihm übernommenen Arbeitnehmer auf Leistungen der bAV nur zeitanteilig für die Dauer der Betriebszugehörigkeit, die der Arbeitnehmer nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens zurückgelegt hat. Dies entschied das BAG mit mehreren Urteilen vom 26. Januar 2021 (Az.: 3 AZR 139/17 und Az.: 3 AZR 878/16). Die Urteile liegen noch nicht im Wortlaut vor.
Arbeitnehmer wollte mehr Rente vom neuen Chef
Geklagt hatte im ersten Fall ein Arbeitnehmer, dem eine bAV zugesagt worden war. Nachdem über das Vermögen des Betriebes am 1. März 2009 ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde, übernahm der Käufer der insolventen Firma den Arbeitnehmer einen Monat später. Der Mann, inzwischen in Rente, erhält seit August 2015 von dem neuen Chef 145 Euro Betriebsrente und zusätzlich vom Pensionssicherungs-Verein (PSV) 817 Euro monatlich.
Das war dem Mann zu wenig. Insbesondere wollte er vom Käufer der Firma mehr Geld, da dieser die Betriebszugehörigkeit vor der Insolvenz nicht eingerechnet hatte. Die Diskrepanz ergab sich auch daraus, dass der PSV für diese Ansprüche auch nicht vollständig eingetreten war. Der PSV hatte – wie im Betriebsrentengesetz vorgesehen – das zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens maßgebliche niedrigere Gehalt des Arbeitnehmers für die Berechnung des bAV-Anspruchs angesetzt.
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Bundesrichter setzen Stoppzeichen nach EU-Recht
Das BAG wies die Klage gegen den Käufer als unbegründet zurück. Nach Ansicht der Richter haftet der Erwerber eines insolventen Betriebes für Ansprüche der von ihm übernommenen Beschäftigten auf bAV-Leistungen gemäß Paragraf 613a Absatz 1 BGB nur anteilig, und zwar für die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens zurückgelegte Dauer der Betriebszugehörigkeit.
Für Leistungen bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens hafte er auch dann nicht, wenn für diesen Teil der Betriebsrente nach dem Betriebsrentengesetz der PSV nicht vollständig eintreten sollte. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) müsse den Beschäftigten nur ein Mindestschutz gewährt werden. Der werde in Deutschland durch einen unmittelbar aus dem Unionsrecht folgenden Anspruch gegen den PSV gewährleistet. Eine Haftung des Erwerbers eines insolventen Unternehmens scheide daher aus.
Mindestschutz als Maßstab, nicht das Maximum
Diese Entscheidung ist mit Unionsrecht vereinbar, hatte der EuGH am 9. September 2020 entschieden (Az.: C-674/18 und Az.: C-675/18). Sie rechtfertigt sich nach der allgemeinen Regelung des Artikels 3 Absatz 4 der Richtlinie 2001/23/EG. Dies knüpft an die Regelungen zum Mindestschutz von Arbeitnehmern an, zu denen der EuGH bereits kurz vor Weihnachten 2019 entschieden hatte, dass Arbeitnehmer mit Zusagen aus Firmenpensionskassen bis auf weiteres leer ausgehen, wenn ihr Arbeitgeber insolvent geworden ist (Az.: C-168/18).
Die Entscheidung war auf Vorlage des BAG erfolgt, das den Fall vorab dem EuGH zur Entscheidung vorgelegt hatte. In der Sache selbst hat das BAG am 21. Juli 2020 das Urteil gefällt. Der Betriebsrentner geht leer aus, weil er durch die gekürzte Pensionskassenrente weder unter die Armutsgrenze fällt noch eine Kürzung um mehr als die Hälfte erfolgte (Az.: 3 AZR 142/16). Um Staatshaftung bei künftigen Insolvenzen zu vermeiden, hat der Gesetzgeber nun auch Pensionskassen unter den Insolvenzschutz des PSV gestellt – gültig seit dem 24. Juni 2020. Ausnahmen gelten nur für Pensionskassen, die dem Sicherungsfonds Protektor angehören oder gemeinsame Einrichtungen der Tarifparteien sind.
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