Betriebsrenten: Solides Sicherungsnetz bei Firmenpleiten
Nachdem Ende April die Sonderregelung zur Aussetzung der Insolvenz-Antragspflicht ausgelaufen ist, rückt bei vielen Mitarbeitern eine Frage besonders in den Fokus: Wie sicher ist die Betriebsrente im Falle einer Unternehmenspleite? Fabian Dittrich vom Deutschen Institut für Altersvorsorge (DIA) diskutierte darüber mit Experten. Tenor der Debatte: Deutschland ist in puncto bAV-Absicherung bei einer Unternehmensinsolvenz gut aufgestellt. Durch den Pensionssicherungsverein (PSV) und den Lebensversicherungs-Fonds Protektor gehen Angestellten Betriebsrenten-Ansprüche nicht verloren.
Pleitewelle wird nicht erwartet
„Elf Millionen Arbeitnehmer stehen unter dem Insolvenzschutz des Pensionssicherungsvereins. Dazu kommen 1,3 Millionen aus den Pensionskassen. Das gibt es so in Europa nicht“, stellte der ehemalige PSV-Vorstand Hans Melchiors klar. Der PSV ist per Gesetz dazu verpflichtet, bei Unternehmensinsolvenzen die Betriebsrenten-Ansprüche der Versorgungsberechtigten zu übernehmen, dies betrifft Rentner wie Rentenanwärter. Komme es zu einer Insolvenz, seien für Arbeitgeber mehrere Stufen zu beachten, erklärte Karsten Rehfeldt, Geschäftsführer der bbvs Beratungsgesellschaft für betriebliche Versorgungssysteme: Verpflichtungen müssten angezeigt und bestätigt werden, auch die Zustimmung der Gesellschafter sei nötig. „Die Rentenzusage muss ausfinanziert sein“, sagte Rehfeldt.
Dass in den kommenden Monaten tatsächlich eine Pleitewelle bei den Unternehmen eintritt – diese Einschätzung unterschrieben die anwesenden Experten so nicht. „Das ist wie ein Blick in die Glaskugel“, meinte der frühere PSV-Vorstand Melchiors. Bei der Finanzkrise im Jahr 2008 habe sich das Ausmaß der Insolvenzen beispielsweise erst nach der Rezession gezeigt. 2020 sei eine besondere Situation eingetreten. „Wir hatten den zweithöchsten Beitragssatz in der PSV. Das war weniger auf die Pandemieproblematik zurückzuführen, als vielmehr auf Rezessionsansätze aus dem Vorjahr, die sich bemerkbar machten.“ Die Annahme von Finanz-Staatssekretär Jörg Kukies, dass mit einer Steigerung der Insolvenzzahlen um 30 Prozent zu rechnen sei, sage über die Finanzsituation des PSV nichts aus. Denn: Fünf Prozent der PSV-Mitglieder würden für 90 Prozent des PSV-Beitrags aufkommen. „Wenn diese Unternehmen in eine Schieflage geraten, dann hätte das großen Einfluss“, machte Melchiors deutlich. Er sei jedoch optimistisch, dass der Beitragssatz nicht übermäßig steigen werde, sondern sich eher auf dem Niveau des Vorjahres bewege. „Die Regierung hat zur Unterstützung der Wirtschaft einiges unternommen.“
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Ähnlich positiv betrachtete Henriette Meissner, Geschäftsführerin der Stuttgarter Vorsorge-Management GmbH, die Lage. „Während des ersten Lockdowns waren die Befürchtungen der Arbeitnehmer groß. Doch jetzt ist der Blick in die Zukunft eher optimistisch“, meinte sie und gab Angestellten die Empfehlung mit auf den Weg: Die bestehende bAV sollte überprüft werden, um sich zu vergewissern, dass tatsächlich alles richtig gemacht wurde. So lohne sich ein Blick in die Bezugsrechte und es könne beispielsweise wichtig sein, sich in der aktuellen Pandemie-Zeit das Einsetzen eines Lebensabschnittsgefährten in die bAV noch einmal genau anzuschauen.
Arbeitgeber kaufen nicht die "Katze im Sack"
Auch das 2019 ergangene EuGH-Urteil sorgte aus Sicht der Diskussionsteilnehmer für eine sichere Grundlage der Betriebsrenten. Demnach ist der PSV verpflichtet, Pensionskassenzusagen im Falle einer Insolvenz abzusichern, wenn das Einkommen des ehemaligen Arbeitnehmers wegen der Kürzung unter die von Eurostat ermittelte Armutsgefährdungsschwelle fällt. Nach einer Gesetzesänderung, die ab dem 1. Januar 2022 gültig ist, muss der PSV grundsätzlich für Pensionskassenzusagen einstehen. Auch damit ein insolventes Unternehmen leichter an einen neuen Inhaber übergeben werden kann, muss der PSV aus Sicht des EuGH die Anwartschaften der Mitarbeiter bis zum Eintritt der Insolvenz übernehmen – ab dem Zeitpunkt der Unternehmensübergabe ist der neue Inhaber in der Pflicht. Aus Sicht von Henriette Meissner eine sinnvolle Maßnahme. „Kein Arbeitgeber will die Katze im Sack kaufen“, sagte sie.
Ebenfalls für unwahrscheinlich hielten es die Diskussionsteilnehmer, dass infolge der Pandemie reihenweise Lebensversicherer Insolvenz anmelden – immer wieder wird angesichts des andauernden Niedrigzinsumfelds und der damit verbundenen Probleme für die Lebensversicherer über eine solche spekuliert. Zuletzt hatte Ende vergangenen Jahres Allianz-Chef Oliver Bäte vor der Pleite von Lebensversicherern gewarnt. Tritt dieser Fall ein, kommt Protektor für die Versicherungsansprüche auf, die Verträge der Versicherten bleiben erhalten. Bbvs-Geschäftsführer Rehfeldt sah an dieser Stelle keinen Grund zur Panik: „Bisher hat aber noch kein einziger Lebensversicherer Insolvenz angemeldet.“