Biometrie-Versicherungen: Wachstum bis zu 150 Prozent ist möglich
Wie kommen die Versicherer durch die Corona-Krise? Glaubt man dem Branchenverband GDV, zeigen sich die Versicherer „vorsichtig optimistisch“, was die Geschäftsentwicklung in der nahen Zukunft angeht. Zu optimistisch vielleicht, merkt nun Dirk Schmidt-Gallas, Senior Partner bei der Unternehmensberatung Simon-Kucher & Partners an. Schließlich beruhe die Zuversicht der Versicherer auf der Annahme, dass die Corona-Maßnahmen in diesem Frühjahr bereits gelockert werden. „Aktuell ist aber das Gegenteil der Fall“, beobachtet Schmidt-Gallas.
Insbesondere die Lebensversicherer sieht Schmidt-Gallas mit großen Problemen konfrontiert: Durch die diese Woche beschlossene Absenkung des Höchstrechnungszinses auf 0,25 Prozent würden klassische Lebensversicherungen immer unattraktiver. Zudem sei bereits im vergangenen Jahr die Zahl neuabgeschlossener Verträge um zwölf Prozent zurückgegangen. Dass die Versicherer die Prämieneinnahmen trotz Corona-bedingter Einschränkungen jedoch weitgehend konstant halten konnten und damit beinahe das Niveau des Rekordjahres 2019 erreichten, erwähnt Schmidt-Gallas allerdings nicht.
Alleinstellungsmerkmal nutzen
Nichtsdestotrotz: Die herausfordernde Situation bei der Altersvorsorge sollte die Versicherer dazu veranlassen, sich schwerpunktmäßig dem Biometrie-Geschäft zuzuwenden. Schließlich handele es sich hierbei um das Alleinstellungsmerkmal der Versicherungswirtschaft: Professionell investieren könnten auch andere, „aber die Expertise in der Absicherung biometrischer Risiken liegt bei den Versicherungen“, stellt Schmidt-Gallas fest. Laut seiner Einschätzung ist das Marktpotential für die Versicherer gewaltig: „Richtig angegangen, sollten Versicherer in der Biometrie um 150 Prozent wachsen können“.
Befeuert werde das bestehende Potential durch die bestehenden Lücken in der staatlichen Absicherung sowie die erhöhte Sensibilität vieler Menschen für das Thema Gesundheit. Nach Einschätzung von Schmidt-Gallas könne insbesondere die Sorge vor möglichen Langzeitfolgen einer Corona-Erkrankung (Long Covid) das Interesse vieler Menschen für biometrische Risiken erhöhen.
Stärkung von Vertrieb und Digitalisierung
Um das aus seiner Sicht hohe Potential zu heben, müssten die Versicherer jedoch zum einen mehr in Digitalisierung investieren. „Dabei geht es nicht darum, den Berater zu ersetzen, sondern ihn smart zu unterstützen,“ so Schmidt-Gallas. Dessen empathische Fähigkeiten seien bei der Beratung zu biometrischen Risiken essentiell – dennoch könne man mithilfe digitalen Supports die Beratungsleistung merklich steigern. Zum anderen gelte es, den Vertrieb zu stärken. Insbesondere im Bezug auf Biometrie müssten Vermittler besser geschult werden, sowohl inhaltlich als auch vertrieblich. Da biometrische Versicherungsprodukte äußerst komplex seien, sei hier viel Guidance nötig, so Schmidt-Gallas.
Dass sich einige Versicherer stärker dem Biometrie-Geschäft zuwenden wollen, hatte zuletzt die Nürnberger Versicherung deutlich gemacht. So hatte der Versicherer, der die Nummer eins im Geschäft der Einkommenssicherung werden will, seine Provisionssätze für die hauseigenen Vertreter angepasst – während sie für Altersvorsorgeprodukte leicht gesenkt wurden, stiegen sie für Biometrie-Produkte um 5 Promille an. Damit wolle man auch auf den erhöhten Beratungsaufwand seitens der Vermittler für Biometrie-Produkte reagieren, erklärte Lebensversicherungsvorstand Harald Rosenberger im procontra-Interview.