D&O: „Deutlich größere Kreativität vom Makler gefordert“

In der D&O-Versicherung steigen die Prämien um teilweise über 1.000 Prozent. Woran das genau liegt und wie Makler in Zukunft zur Managerhaftpflicht beraten sollten, verrät Arnd Briese vom Spezialversicherer Markel im Interview.

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07:04 Uhr | 06. April | 2021

Briese: Definitiv nicht.

procontra: Muss man hier also differenzieren? Wie hoch fallen die Beitragserhöhungen wirklich aus?

Briese: Man unterscheidet den D&O-Markt in zwei wesentliche Säulen: Zum einen Financial Institutions – das sind dann vor allem Banken und Versicherer, aber auch Krankenkassen und Betriebe von Versicherungsmaklern – und das Commercial-Geschäft, also produzierende und handelnde Unternehmen. In der ersten Säule sind die Prämien nach dem Banken-Crash 2009 quasi durch die Decke gegangen und seitdem auf einem hohen Niveau geblieben. Die Erhöhungen fallen seitdem aber eher moderat aus, also um etwa 20 bis 30 Prozent alle paar Jahre.

In der zweiten Säule, gibt es aktuell viele kleine Unternehmen, deren Verträge einfach durchlaufen. Diese erhalten also keine Prämiensteigerungen oder wenn dann um zehn bis 20 Prozent. Im Mittelstand, also bei Jahresumsätzen zwischen etwa 200 Millionen bis zu einer Milliarde Euro, sieht es schon anders aus. In diesem Bereich beobachten wir aktuell schon massive Preissteigerungen zwischen 30 und 70 Prozent – je nachdem, ob der Kunde nur in Deutschland, in ganz Europa oder sogar international tätig ist. Völlig verrückt erscheint dagegen, was aktuell bei den Industrierisiken passiert. Hier ergeben sich Anstiege von 500, 700 und sogar über 1.000 Prozent.

procontra: Was ist die Hauptursache für die enormen Preissprünge in der D&O für Industrierisiken?

Briese: Es hängt viel mit den USA zusammen, wo Klagen grundsätzlich viel teurer sind als hier. Die Risiken steigen einerseits durch direkte versicherte US-Firmen, aber auch durch Nicht-US-Firmen, die ihre Aktien dort zunehmend als American Depositary Receipt anbieten. Diese Hinterlegungsscheine ermöglichen es aber jedem US-Aktionär, direkt gegen das Unternehmen zu klagen, verbunden mit den dort unglaublich hohen Anwaltskosten. Das hat das D&O-Geschäft auch bei den deutschen Versicherern in den letzten Jahren immer unprofitabler gemacht und jetzt müssen einfach die Prämien angezogen werden.

„Eine Riesenbedrohung für die D&O-Versicherer“

procontra: Plötzlich kam auch noch die Corona-Pandemie dazu. Welchen Einfluss nimmt diese auf die D&O-Versicherung?

Briese: Corona hat mit voller Wucht zugeschlagen. Das zeigt sich in verschiedenen Auswirkungen. Zum einen, dass nicht mehr produziert werden kann, also direkt die Leistungsfähigkeit des Unternehmens eingeschränkt ist. Gleichzeitig ist aber auch das gesamte unternehmerische Umfeld betroffen, beispielsweise durch den Ausfall von Lieferanten. Auch dafür können Vorstände oder Geschäftsführer verantwortlich gemacht werden. Sie müssen im Blick behalten, ob sie gewisse Partner überhaupt noch als Lieferanten akzeptieren können oder ob deren Ausfallrisiko zu groß ist.

Ein weiteres Thema ist das Handling der Mitarbeiter: Lässt man diese zu früh wieder im Betrieb arbeiten, wodurch sich vielleicht viele mit Corona infizieren, hagelt es Klagen. Fällt dann in der Folge die Produktion aus, kriegt der Manager auch noch Probleme mit seinen Gesellschaftern und Geschäftspartnern. Und dazu droht auch noch eine enorme Welle an Insolvenzen durch die Pandemie.

procontra: Stichwort ‚drohende Insolvenzen‘: Kalkulieren die D&O-Versicherer in die jetzigen Prämienerhöhungen bereits zukünftige Insolvenzen mit ein, die ja noch gar nicht real sind?

Briese: Als Versicherer müssen wir unsere Risiken natürlich dauerhaft spiegeln und antizipieren. Früher war die D&O bei Insolvenzen kein Thema, aber mittlerweile planen alle Insolvenzverwalter Leistungen aus diesen Policen mit ein. Soll heißen, das frühere Management wird dann wegen Pflichtverletzungen in Anspruch gezogen und die D&O soll leisten. Selbst wenn nur der Vorwurf im Raum steht, müssen wir als Versicherer ihn aufgrund der gesetzlichen Beweislastumkehr prüfen und gegebenenfalls vor Gericht ziehen. Das alles kostet Geld und vor diesem Hintergrund ist die Corona-bedingte Insolvenzwelle eine Riesenbedrohung für die D&O-Versicherer.

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Briese: Genau. Deckungen von mehreren hundert Millionen Euro für Neuverträge gibt es zunehmend nicht mehr. Aufgrund der steigenden Risiken reduzieren viele Versicherer ihr Engagement oder ziehen sich sogar ganz vom Markt zurück.

procontra: Ist das die unvermeidbare Zukunft, auf die Makler ihre Kunden einstellen müssen? Also dass die Unternehmen mehr Risiko selbst tragen müssen?

Briese: Als Versicherungsmakler muss man wahrscheinlich internationaler werden, um noch genügend Deckung für seine Kunden zusammenzukaufen. Das heißt, nicht mehr nur bei deutschen Versicherern Deckung suchen, sondern vor allem auch auf dem Londoner Markt. Diese Deckung muss dann aber wiederum von Versicherern kommen, die im Zuge des Brexits auch auf dem deutschen Markt zeichnen dürfen. Deshalb ist mittlerweile in der D&O eine deutlich größere Kreativität seitens des Maklers gefordert.

Briese: Es ist einfach so, dass die Versicherer jahrelang nicht kostendeckend gearbeitet haben. Wenn man das als Makler beim Kunden überhaupt nicht anmoderiert hat, dann ist die Gesprächsgrundlage schwierig. Ein Argument ist aber sicher, dass die Preissprünge jetzt dafür sorgen, dass es in Zukunft überhaupt noch Versicherungsschutz in der gewünschten Höhe geben wird. Man sollte auch erwähnen, dass die Kunden in der Vergangenheit großes Glück hatten mit den viel zu niedrigen Prämien. Aber die Parameter haben sich nun komplett gedreht.

„Nicht gleich den Makler verklagen“

Briese: Auch als Vermögensschadenhaftpflichtversicherer glauben wir, dass die Anspruchsmentalität hierzulande noch nicht so weit gekommen ist, dass die D&O-Policeninhaber im Schadenfall gleich ihren Anwalt oder ihren Makler verklagen.

procontra: Sollten Makler dann mit der Beratung von D&O-Neukunden oder der Umdeckung von Policen erst noch abwarten bis sich der Markt etwas stabilisiert hat?

Briese: Auf gar keinen Fall. Der Makler muss sich viel mehr mit diesem Thema beschäftigen, alles andere wäre fahrlässig. Aus meiner Sicht ist die D&O genauso wichtig wie eine funktionierende Feuer- oder Betriebshaftpflichtversicherung. Zudem bietet sie ein super Akquisitionspotenzial. Schließlich hat man hier ein Thema, mit dem man den Entscheidungsträger im Unternehmen direkt ansprechen kann. Es geht dabei ja um seine persönliche Haftung. Sein Vermögen, sein Haus – das kann im Schadenfall alles weg sein. Und darum herum kann man auch gut ein eigenes Versicherungsportfolio aufbauen. Meine Erfahrung hat mir gezeigt, dass viele Menschen immer noch nicht wissen, welches persönliche Haftungsrisiko sie in einer solchen Entscheiderfunktion tragen. Viele sind dann glücklich, dass ihnen das überhaupt mal jemand erklärt.

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