ESG-Beratungspflicht: Was droht Vermittlern bei Verstößen?

Seit gut zwei Wochen müssen Versicherungsvermittler in der Beratung auch die Nachhaltigkeitspräferenzen ihrer Kunden feststellen. Nach möglichen Spielräumen und Rechtsfolgen fragten wir BVK-Präsident Michael H. Heinz.

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13:08 Uhr | 17. August | 2022

Experten sprechen von Chaos oder auch von nachhaltiger Verwirrung. Gemeint ist die neue Beratungspflicht zu ESG-Produkten. Seit dem 02. August müssen Versicherungsvermittler ihre Kunden nach deren Nachhaltigkeitspräferenzen befragen und ihnen entsprechende Produkte anbieten. Dabei müssen die Vermittler aber noch mindestens bis Ende des Jahres mit unvollständigen Informationen seitens der Versicherungsunternehmen klarkommen. Doch das erhöht leider das Haftungsrisiko für die Vermittler selbst.

Irgendwie wäre es da verständlich, wenn Makler und Vertreter das Thema für die nächsten Monate lieber ganz beiseiteschieben würden. Zum Beispiel, wenn sie einen bestimmten Kunden als sehr konservativ einschätzen und deshalb davon ausgehen, dass dieser sowieso kein Interesse an ESG-Produkten haben wird.

ESG-Beratungspflicht lässt keinen Spielraum

Doch bei der Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenzen gibt es keinen Ermessensspielraum für die Berater, weiß Michael H. Heinz, Präsident des Bundesverbands Deutscher Versicherungskaufleute (BVK). „Dabei spielt es keine Rolle, was der Vermittler für ein Bild von seinen Kunden hat, er muss das Thema Nachhaltigkeit ansprechen und dies auch im Beratungsprotokoll dokumentieren“, betont Heinz.

Vergisst der Vermittler die Ansprache von Nachhaltigkeitspräferenzen oder gar die Beratungsdokumentation, setzt er sich einem großen Haftungsrisiko aus und macht sich gegebenenfalls schadensersatzpflichtig. Anders als etwa bei der Nichterfüllung der IDD-Weiterbildungspflicht würde es sich in solchen Fällen nicht um Ordnungswidrigkeiten handeln, die mit pauschalen Geldstrafen geahndet würden. Vielmehr müsste, wie auch in anderen Bereichen der Beratungshaftung, ein Fehler des Vermittlers nachgewiesen und ein konkreter finanzieller Schaden für den Kunden ermittelt werden.

Auch wenn ein Makler oder Vertreter persönlich nichts von nachhaltigen Versicherungsprodukten hält, diese also ideologisch ablehnt, muss er seine Kunden über deren Optionen aufklären. „In der Beratungssituation dürfen ideologische Vorbehalte von Vermittlern keine Rolle spielen, ihre Beratung muss im bestmöglichen Interesse des Kunden erfolgen“, erklärt der Präsident des Vermittlerverbands und weist einmal mehr auf die enorme Wichtigkeit der Protokollierung der Beratung sowie der allgemeinen Dokumentation des Gesprächsverlaufs hin.

Damit Vermittler Fallstricke in der ESG-Beratung umschiffen können, wurden bereits aus verschiedenen Teilen der Branche Tools und Checklisten zur Verfügung gestellt, unter anderem vom BVK selbst.

Heinz verweist darauf, dass sich die Beschwerdequoten über Versicherungsvermittler seit Jahren im äußerst geringen Promillebereich bewegen. Bleibt zu hoffen, dass die neue ESG-Beratungspflicht daran nichts ändert.