Finanztest: Schwierige Versicherung von Hörgeräten

Hörgeräte sind teuer und können leicht kaputt oder verloren gehen. Dagegen bieten Akustiker und Versicherer Policen an, die den Schaden teilweise decken. Diese sind jedoch oftmals entbehrlich, urteilt Finanztest.

09:09 Uhr | 02. September | 2020
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Wer nichts mehr hört, sollte mit akustischer Technik nachhelfen. Ob dabei eine Versicherung nützlich ist, bezweifelt zumindest der Akustiker Fielmann. Finanztest rät nur unter Vorbehalt zum Abschluss. Bild: Pixabay/ Clker-Free-Vector-Images

Hörgeräteversicherungen ähneln sonstigen Reparaturversicherungen, die etwa für Brillen, Handys oder Laptops angeboten werden: Sie ergänzen oder verlängern die Garantie und zahlen häufig auch bei Verlust oder Beschädigung. Allerdings längst nicht zu 100 Prozent und bei jeder Gelegenheit. Man muss also genauer hinschauen bei solchen Annex-Verträgen, die beim Kauf von Geräten abgeschlossen werden können und die Kosten bei Reparaturen, dem Austausch defekter Geräte und der Wartung beherrschbar machen sollen.

Was Hörgeräte betrifft, so wird Versicherungsschutz von den Hörgeräteakustikern selbst geboten (die sich dazu eines Versicherers als Risikoträger bedienen) und von einigen Versicherern oder spezialisierten Vermittlern direkt. Die Hörakustiker haben üblicher­weise ein festes Angebot. Die Kunden wählen bei ihnen also nicht zwischen mehreren Tarif-Varianten. Frei zu wählen sind nur Tarife, die sie direkt beim Versicherer abschließen können. Finanztest hat den Markt sondiert und die Ergebnisse  in der September-Ausgabe publiziert.

Lange Liste der Ausschlüsse

Fast alle der acht untersuchten Tarife zahlen etwas bei Kauf oder Reparatur eines neuen Hörgeräts, wenn das alte Hörgerät etwa durch einen Sturz beschädigt wurde oder verloren ging – allerdings nur bis zur vereinbarten Versicherungssumme und abzüglich des Anteils der Krankenkasse. Schäden durch Verschleiß sind dagegen fast nie gedeckt. Zudem zahlt die Versicherung nicht, wenn andere Verträge wie Hausrat- oder Privathaftpflichtversicherung einspringen könnten. Erst nach deren Vorleistung würde die Hörgeräte-Police den Rest bezahlen. Und dann sind da noch Selbstbeteiligungen (SB) des Kunden bei Verlust – zwischen 178 und 715 Euro im Modellfall.

Ausgangspunkt für die meisten ist die Vorleistung der Krankenkasse: Gesetzlich Krankenversicherte haben Anspruch auf eine Versorgung mit Hörgeräten, wenn diese ärztlich verordnet sind. Allerdings zahlen die Kassen immer nur einen Festbetrag. Wer sich für eine teurere Versorgung entscheidet, muss die Differenz aus der eigenen Tasche bezahlen. Im Allgemeinen zahlen die Krankenkassen alle sechs Jahre für neue Hörgeräte – bei Verschlechterung schon früher.

Typischer Modellfall macht Kosten sichtbar

Finanztest gab folgenden Modellfall vor: Der Kunde kauft ein Hörgerät für 1.500 Euro. Die Krankenkasse übernimmt davon 785 Euro, der Eigenanteil beträgt 715 Euro. Parallel wird eine Hörgeräteversicherung mit fünf Jahren Laufzeit abgeschlossen (bei Amplifon nur vier Jahre möglich, bei der Mannheimer drei oder vier Jahre). Im dritten Jahr geht das Gerät verloren. Die Krankenkasse trägt erneut einen Anteil der Kosten von 785 Euro.

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Finanztest zeigt, wie viel von den restlichen 715 Euro die Versicherung für das Gerät übernimmt. Untersucht wurden Angebote der Akustiker Amplifon, Apollo, Geers, Gerland und Kind. Fielmann bietet keine Absicherung dieser Hilfsmittel an. Grund: Es gibt nach Ansicht des Unternehmens „keine Versicherung, die einen Mehrwert zu den kostenlosen Garantieleistungen von Fielmann bietet“. Zusätzlich verglichen die Tester zwei Tarife der Mannheimer Versicherung (über den Ausschließlichkeits-Vermittler Schiegg Assekuranzservice) und einen Tarif der Wertgarantie. Andere Akustiker haben nicht geantwortet.

Das Ergebnis ist ernüchternd. Die Erstattung bei Verlust beträgt zwischen 415 Euro bei Gerland (SB: etwa 214,50 Euro) und 536 Euro bei Apollo (SB: knapp 179 Euro). Dafür muss der Kunde einmalig beim Hörgeräteakustiker zwischen 65 Euro (Kind) und 199 Euro (Geers) für die Versicherung bezahlen.

Versicherer nicht günstiger als Akustiker

Wer nun glaubt, Versicherungen im Direktvertrieb seien besser und günstiger, irrt. Bei der Mannheimer kostet die Neuwertentschädigung bei jährlicher Beitragszahlung für vier Jahre insgesamt 311,50 Euro (SB: 250 Euro). Die Entschädigung ist mit knapp 465 Euro aber höher als bei den Akustikern. Alternativ bietet die Mannheimer einen Tarif mit Zeitwertentschädigung; der kostet insgesamt 160 Euro und damit knapp die Hälfte (SB: 396,50 Euro), die Erstattung bei Verlust beträgt 318,50 Euro.

Das Angebot der Wertgarantie ist eher abschreckend teuer: Der Kunde müsste 548 Euro für Neugeräte bis 24 Monate bei Vorauszahlung für fünf Jahre bezahlen (SB: 715 Euro). Eine Erstattung bei Verlust nach drei Jahren gebe es nicht. Begründung: Da der Zeitwert im Modellfall nach Angaben des Versicherers in etwa der Höhe des Krankenkassen-Anteils entspricht, würde Wertgarantie keine weitere Leistung erbringen.

Weitere Fußangeln und Besonderheiten

Zudem sollten Makler-Kunden, die selbst so gut wie keinen Zugang zu diesem Marktsegment haben, auf weitere Fußangeln achten. Laut Finanztest benötigt man für Schäden beim Probetragen eine separate Absicherung, die jedoch nicht alle Akustiker und Versicherer im Angebot haben – darunter nicht Geers, Gerland und Wertgarantie. Die anderen verlangen dafür extra für vier bis acht Wochen zwischen 9,90 und 29 Euro, wobei auch da mitunter SB im Schadenfall vom Kunden zu zahlen ist.

Weitere Besonderheiten: Mitunter sind Beschädigungen vom regulären Versicherungsschutz ausgeschlossen (Geers), ebenso Totalschäden (Geers). Bei Totalschaden oder Verlust endet der Versicherungsschutz sofort (Amplifon). Mitunter gilt die Absicherung weltweit nur bei vorübergehendem Aufenthalt (Apollo; Wertgarantie). Oder versichert wird nicht der volle Preis, sondern sinnvollerweise nur der Eigenanteil des Kunden (Kind). Fazit: Bei hochpreisigen Geräten kann der Schutz lohnen, sofern auch Beschädigung und Totalschaden abgedeckt sind.

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