Folgen der Inflation: Teil der Bürger ist „nicht mehr sparfähig“

Die Sparkassen warnen davor, dass schon bald 60 Prozent der Haushalte kein Geld mehr übrigbleibt, um zu sparen. Dispokredite würden bereits vermehrt ausgereizt. Experten erwarten eine Verschärfung der Situation im Herbst und Winter.

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10:08 Uhr | 22. August | 2022

Mehrere Banken-Vorstände warnen aktuell vor den Folgen der Inflation: Ein Großteil der Bevölkerung gerate durch die derzeitige wirtschaftliche Lage finanziell an seine Grenzen. Sparkassen-Präsident Helmut Schleweis sagte der „Welt am Sonntag“: „Wir rechnen damit, dass wegen der deutlichen Preissteigerung perspektivisch bis zu 60 Prozent der deutschen Haushalte ihre gesamten verfügbaren Einkünfte – oder mehr – monatlich für die reine Lebenshaltung werden einsetzen müssen.“ Dieser Teil der Bevölkerung sei dann schlicht „nicht mehr sparfähig“.

40 Millionen Haushalten könnte das Geld zum Sparen ausgehen

Bei 40 Millionen Haushalten bundesweit wären demnach 24 Millionen Haushalte davon betroffen. Im vergangenen Jahr war es laut dem Sparkassen-Vermögensbarometer nur 15 Prozent der Bürger nicht möglich, Geld zurückzulegen. Auch die Volks- und Raiffeisenbanken befürchten weiter schrumpfende finanzielle Spielräume bei den Menschen. Andreas Martin, Vorstand des Bundesverbands der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken, sagte dazu: „Die hohe Inflation entzieht den Verbrauchern Kaufkraft, dadurch sinkt die Sparfähigkeit.“

Wie der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV) – der Spitzenverband der 363 Sparkassen – ergänzte, werde die angespannte Situation auch dadurch deutlich, dass immer mehr Menschen ihren Dispokredit nutzen, um finanzielle Engpässe kurzfristig zu überbrücken. Dieser Rahmen werde inzwischen „deutlich weiter ausgeschöpft“, so der Verband. Dabei habe die Entwicklung kurz nach dem Überfall auf die Ukraine, im März 2022, begonnen.

Bei der Gesamtzahl der Dispo-Nutzer sei trotzdem bisher kaum eine Veränderung zu bemerken. Der Anteil der Dispo-Nutzer bei den Sparkassen liegt seit Jahren stabil bei 15 Prozent und war zuletzt sogar leicht rückläufig. Als Grund dafür nannte der Sparkassenverband, dass mit der hohen Inflation viele Menschen vorsichtiger geworden seien und ihr Geld mit Blick auf die kommenden Monate zusammenhielten.

Eine aktuelle Erhebung des Deutschen Instituts für Altersvorsorge (DIA) zeigt ebenfalls: Die heftigen Preissteigerungen haben erste Auswirkungen auf das Vorsorgeverhalten der Deutschen. So gab bei einer Befragung von 2.000 Bundesbürgern Anfang August ein Viertel der Teilnehmer an, wegen der hohen Preise vorhandene Sparverträge eingestellt zu haben. Bei 51 Prozent war das hingegen nicht der Fall und 35 Prozent prüfen derzeit, ob sie auf bestehende Verträge verzichten können.

Die Sparkassen-Vertreter rechnen für Herbst und Winter mit einer deutlichen Verschärfung der Situation, was die fehlenden Möglichkeiten zum Sparen betrifft. Gerade Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen würden dann betroffen sein.