Gekürzte Rentenfaktoren: Finanzwende klagt gegen Zurich

Die Zurich hatte die Rente eines Riester-Sparers um gut ein Viertel gekürzt, indem sie den Rentenfaktor gesenkt hatte. Gegen diese Praxis wendet sich nun die Bürgerbewegung Finanzwende. Sie strebt ein Grundsatzurteil an, das auch andere Versicherer betreffen würde.

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11:04 Uhr | 12. April | 2022

Diese Klage könnte eine enorme Sprengkraft für die gesamte Branche haben: Vor dem Landgericht Köln wird bald eine Klage eines Versicherungsnehmers gegen die Zurich verhandelt.  

Der Kölner hatte bei der Zurich eine fondsgebundene Riester-Versicherung des Tarifs „Förder Rentinvest“ abgeschlossen. Bei Vertragsabschluss sicherte die Zurich zu, ab dem Rentenbeginn je angesparter 10.000 Euro eine Monatsrente in Höhe von 37,34 Euro auszuzahlen. Im Jahr 2017 erreichte den Kunden dann aber ein Schreiben des Versicherers. In diesem teilte er ihm mit, dass die zu erwartende monatliche Rente nur noch 27,97 je 10.000 Sparkapital betragen werden.  

Kürzung bei wirtschaftlichen Erfordernissen

Die Zurich hatte folglich einfach den Rentenfaktor gekürzt – dieser ist für Kunden von Fondspolicen von großer Bedeutung, bietet er doch – gerade bei fondsbasierten Produkten – eine ungefähre Ahnung, wie hoch die Rente später einmal ausfallen könnte.  

Die Betonung liegt hierbei jedoch auf könnte – denn viele Versicherer haben es sich vertraglich vorbehalten, den Rentenfaktor während der Laufzeit anpassen zu dürfen, ausschließlich nach unten wohlgemerkt. Das können die Versicherer dann tun, wenn es dafür ein „wirtschaftliches Erfordernis“ gibt. Bei der Zurich liest sich im angesprochenen Fall die Klausel folgendermaßen:  

 „Bereits bei Vertragsschluss nennen wir Ihnen die Monatsrente je 10.000 EUR Vertragsguthaben zum Ende der Ansparphase. (…) Wenn sich die Lebenserwartung unerwartet stark erhöht bzw. die Rendite der Kapitalanlagen nicht nur vorübergehend absinkt und dadurch die langfristige Erfüllbarkeit einer lebenslangen Rentenzahlung nicht mehr sichergestellt ist, sind wir berechtigt, Ihre Monatsrente je 10.000 EUR Vertragsguthaben so weit herabzusetzen, wie dies erforderlich ist, um diese langfristige Erfüllbarkeit zu gewährleisten. (…)“  

Gegenüber der Süddeutschen Zeitung, die ebenfalls über den Fall berichtet, begründet ein Zurich-Sprecher die Kürzung des Rentenfaktors damit, dass das Versicherungsaufsichtsgesetz sie dazu zwinge, die Kalkulation mit ausreichenden Sicherheiten vorzunehmen. Ein Treuhänder habe der Rentenfaktor-Anpassung zudem zugestimmt.  

Unerfreuliche Überraschung für den Sparer

Für den Sparer ist eine solche Anpassung natürlich eine unerfreuliche Überraschung. Im vorliegenden Fall wäre der Sparer – dessen Vertrag bis 2039 läuft – mit dem ursprünglich festgelegten Rentenfaktor bei einem Sparkapital von 100.000 Euro auf eine monatliche Rente von 373 Euro gekommen – nun wären es nur noch knapp 280 Euro, also beinahe 100 Euro weniger. Zudem hat die Zurich die Möglichkeit, den Rentenfaktor weiter abzusenken, sofern sie die langfristige Erfüllbarkeit der Rentenzahlung erneut in Gefahr sieht.  

Dass dieser Fall nun vor Gericht landet, liegt auch an der Bürgerbewegung Finanzwende, die die Klage unterstützt und auf ihrer Seite umfänglich über den Fall berichtet. „Die Versicherer werben zwar gerne mit Sicherheit. Mithilfe unfairer Klauseln wird das zentrale Leistungsversprechen der Riester-Rentenversicherung – eine planbare Vorsorge – dann aber ausgehöhlt“, kommentiert Britta Langenberg, Vorsorgeexpertin der Bürgerbewegung Finanzwende. Wenn sich der Versicherer allerdings das Recht vorbehalte, die Rente bis zum letzten Tag vor dem Ruhestand zu kürzen, gebe es für die Sparer keine Planbarkeit, kritisiert „Finanzwende“ auf ihrer Homepage.  

Finanzwende will Grundsatzurteil

Dem Verein geht es um ein Grundsatzurteil. Auch viele andere Versicherer haben in der Vergangenheit aufgrund ähnlicher Klauseln den Rentenfaktor gesenkt – unter anderem die Allianz.  

Auch bei Neuverträgen ging der Rentenfaktor zuletzt deutlich zurück: Laut einer Untersuchung des Hannoveraner Ratinghauses Franke & Bornberg aus dem Januar dieses Jahres war bei fast allen untersuchten Lebensversicherern der aktuelle Rentenfaktor gesenkt worden. Lag er 2021 noch bei durchschnittlich 29,09 Euro, waren es 2022 nur 25,97 – das entspricht einem Rückgang von 10,73 Prozent. „Bei 100.000 Euro Ausgangskapital fehlen also Monat für Monat 31,20 Euro versicherte Rente“, schreiben die Analysten.  

Ob die Finanzwende und der Kölner Sparer mit ihrer Klage Erfolg haben werden, ist ungewiss. Über die Erfolgsaussichten macht der Verein auf seiner Seite keine Angaben, auch über die Dauer des Verfahrens lässt sich nur mutmaßen. Noch steht kein Termin vor dem Landgericht Köln fest, erklärte eine Sprecherin auf procontra-Nachfrage. Das Landgericht dürfte ohnehin nur die erste Station des Rechtsstreits sein, der – will man ein Grundsatzurteil erstreiten – irgendwann vor dem Bundesgerichtshof landen könnte. Sicher lässt sich nur sagen, dass der Streit um gekürzte Rentenfaktoren die Branche in den nächsten Jahren begleiten dürfte.

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