Krieg in Europa: Folgen für die Versicherungsbranche
Was viele lange Zeit für undenkbar hielten, ist Realität geworden: In Europa herrscht Krieg. Russland hat sein Nachbarland Ukraine angegriffen, die EU hat Sanktionen gegen Russland verabschiedet, weitere Schritte sind denkbar. Dennoch lässt sich der Angriff nur schwer als überraschend bezeichnet, spätestens seit der Annexion der Krim 2014 hätte man ahnen können, welche geopolitischen Ziele Wladimir Putin weiterhin verfolgen würde.
Aber auch kleinere Hinweise in der nahen Vergangenheit hätten zu denken geben können: So hat der russische Staatschef erst kürzlich seine Luxusjacht, die im Hamburger Hafen von der Werft Blohm und Voss modernisiert wurde, wieder zurück nach Russland geholt. Während Putin angekündigt hatte, ab November mehr Gas nach Deutschland zu liefern, ist das Gegenteil passiert, die Füllstände der Gasspeicher sind sogar gesunken. Der Verdacht, so Druck auf Deutschland ausüben zu wollen, liegt nahe.
Am 6. Februar meldeten US-Geheimdienste dann, Russland habe offenbar 110.000 Soldaten an der Grenze zur Ukraine stationiert, das entspreche 70 Prozent der Truppen, die für einen Einmarsch benötigt werden. Die Geheimdienste nannten als möglichen Zeitpunkt für ein Einmarsch die zweite Februarwoche dieses Jahres. Während die Abgeordnete der Linken, Sahra Wagenknecht, noch über das Ausbleiben eines russischen Angriffs fabulierte, brachten sich die Soldaten an den Grenzen zur Ukraine bereits in Stellung.
"Nur geringe direkte wirtschaftliche Auswirkungen"
Am 24. Februar hat Russland die Ukraine angegriffen, mehrere hundert Menschen sind ersten Schätzungen zufolge bereits in den ersten Stunden ums Leben gekommen. In dieser Gemengelage meldet sich der Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) zu Wort: Der Krieg in der Ukraine habe nur geringe direkte wirtschaftliche Auswirkungen für die deutschen Versicherungsunternehmen, beschwichtigt GDV-Geschäftsführer Jörg Asmussen. Deutsche Versicherer seien weder in der Ukraine noch in Russland stark vertreten.
„Der russische Markt ist stark abgeschottet und frühere Staatsunternehmen sind weiterhin stark vertreten“, so der Verband. Die russische Zentralbank habe demnach 2016 als Reaktion auf die Sanktionen einen staatlichen Rückversicherer gegründet, der alles versichert, was von Sanktionen betroffen sein könnte. „Eine Tätigkeit in Russland war für internationale Versicherungsunternehmen bis vor kurzem nur in Form einer vollkapitalisierten Tochtergesellschaft oder über Fronting möglich. Trotzdem gibt es Aktivitäten deutscher Versicherer in Russland.“
Transport- und Luftfahrtversicherungen von Krieg betroffen
Die Kurse an den Börsen haben auf die russische Invasion bereits entsprechend reagiert und sind in den Keller gerauscht. „Die Auswirkungen von Kriegen auf die internationalen Kapitalmärkte sind kurzfristig oft stark, aber selten langfristiger Natur“, so Asmussen. Welche Folgen die absehbaren Wirtschafts- und insbesondere Finanzsanktionen haben, bliebe abzuwarten.
Während die meisten Versicherungssparten nicht betroffen sein werden, sehe das bei der Transport- und Luftfahrtversicherung sowie der Industrie- und Rückversicherung anders aus: In der Warentransportversicherung werden Schäden nur abgedeckt, wenn die Ladung auf einem Schiff oder Flugzeug beschädigt werde und zwar nur dann, wenn der Zeitpunkt des Transportbeginns vor dem Ausbruch des Krieges lag. Schäden, die durch einen Krieg an Land entstehen, seien üblicherweise nicht gedeckt. Ganz anders bei Seeschiff-Policen, die eine umfassende Kriegsdeckung enthalten.
Cyberattacken: Kriegsausschluss-Klausel
Der Angriff Russlands auf die Ukraine erhöht auch die Sorge vor Cyberattacken auf deutsche Unternehmen der kritischen Infrastruktur: „Auf Cyberangriffe sind wir vorbereitet. Wir haben Schutzmaßnahmen hochgefahren“, schreibt die deutsche Innenministerin Nancy Faeser auf Twitter. Bereits vor einigen Tagen war ein Warnhinweis zu möglichen Cyberangriffen an Unternehmen geschickt worden.