Nettotarife: Makler weitgehend unschlüssig

Viele Makler können sich vorstellen, auch Honorarberatung anzubieten. Jeder Vierte sieht wachsende Kundennachfrage, so eine Studie der Liechtenstein Life. Doch die meisten planen konkret noch nichts – auch weil der Markt kaum Nettotarife bietet.

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08:08 Uhr | 12. August | 2021

Versicherungsvermittler erfahren teils eine steigende Nachfrage nach Honorarberatung, nehmen aber noch zu wenig entsprechende Angebote wahr. Das ist ein Ergebnis der Umfrage „Nettopolicen und der Stand der Honorarberatung 2021“ unter 154 Versicherungsmaklern, die der Lebensversicherer Liechtenstein Life im Juni vorgenommen hat.

Demnach kann sich eine Mehrheit der klassischen Makler (60 Prozent) grundsätzlich vorstellen, künftig auch Honorarberatung anzubieten. Dem gegenüber stehen 40 Prozent, die auch in Zukunft nicht auf Honorarbasis beraten möchten. Konkrete Pläne, in den kommenden zwölf Monaten Honorarberatung anzubieten, haben aber nur 17 Prozent geäußert, während 83 Prozent kurzfristig keine konkreten Projekte vorhaben.

Grundsätzlich zu Honorarberatung bereit, aber …

Zwar sehe nahezu jeder zweite Makler (49 Prozent) in der Honorarberatung den Vorteil, dass sie konfliktmindernd auf Kunden und Verbraucherschützer wirkt. 57 Prozent geben sogar an, dass damit auch eine Verbesserung der Beratungsleistung einhergeht. Dennoch bieten nur 42 Prozent tatsächlich Honorarberatung an.

Auch 75 Prozent der Berater, die Nettotarife bereits im Portfolio haben, nutzen das Honorargeschäft weniger als zur Hälfte am Gesamtgeschäft. Laut Studie sieht sich der Großteil der Makler derzeit noch als hybriden Vermittler mit Fokus sowohl auf der klassischen als auch auf der Honorarberatung.

… es gibt kaum ausreichendes Angebot

Als entscheidendes Hindernis erweist sich laut Umfrage immer noch der Mangel an Nettotarifen. Davon gibt es zu wenig, sagen knapp zwei Drittel der Befragten. „Deswegen forcieren gerade wir als digitaler Versicherer ein breites Netto-Angebot”, verspricht Gordon Diehr, COO von Liechtenstein Life.

Die Marktlage ist noch unbefriedigend und diffus. So kam im Frühjahr die Studie „Nettotarifangebot deutscher Versicherungsunternehmen“ des Instituts für Versicherungswissenschaft der Uni Köln zu dem Schluss, dass entscheidende Wettbewerbshindernisse für den freien Wettbewerb zwischen der Provisionsvermittlung und der Honorarvermittlung abgebaut worden sind.

Meist nur in Lebensversicherung verankert

„Trotzdem ist der Absatz an Nettotarifen weiterhin verschwindend gering und beschränkt sich überwiegend auf die Lebensversicherung“, schreiben die Professoren Matthias Beenken (FH Dortmund) und Heinrich Schradin (Uni Köln). Der Markt der Honorarberatung sei damit so klein, dass er sich nur für wenige, kleine Spezialanbieter lohnen dürfte. Zudem sei der Begriff des Nettotarifs weiterhin unklar - eine gesetzliche Klarstellung wäre wünschenswert.

Aktuell gibt es laut DIHK nur 326 Honorarberater für Versicherungen, 228 für Finanzanlagen und 675 für Immobiliardarlehen. Das entspricht 0,2 aller Berater im Versicherungsbereich, 0,5 Prozent bei Finanzanlagen und 1,2 Prozent bei Immobiliardarlehen.

Versicherer-Stichprobe: vorsichtig optimistisch

Insgesamt bieten laut Studie nur 17 von 33 in der Stichprobe befragten Versicherer Nettotarife für die Honorarvermittlung an, davon 13 Lebensversicherer. Außerdem bieten acht Versicherer die Durchleitung von Zuwendungen bei Vermittlung von Bruttotarifen durch Versicherungsberater (nach Paragraf 48c GewO“) an. „Es gibt dabei auch Überschneidungen“, so Matthias Beenken. Insgesamt offerieren 23 Versicherer entweder Nettotarife oder die Durchleitung oder beides an.

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Insbesondere in der Lebensversicherung planen weitere Anbieter ein Angebot aufzubauen. Das liege laut Studie auch daran, dass die Abschlussprovision in der Lebensversicherung seit längerem im Fokus der Politik steht. Der Neugeschäftsanteil der Nettotarife ist jedoch weiterhin verschwindend gering mit rund sechs Promille Anteil in der Lebensversicherung und noch geringeren Anteilen in der Kranken- und Schadenversicherung, konstatieren die Autoren.

Die Versicherer selbst schätzen die Bedeutung von Nettotarifen aktuell analog der tatsächlichen Marktanteile als unbedeutend ein. „Hier hat sich keine signifikante Veränderung zu den früheren Untersuchungen von 2016 und 2011 ergeben“, so die beiden Wissenschaftler. Interessant: Ungefähr gleich viele Versicherer meinen, dass Mischmodelle aus Provisions- und Honorarvermittlung unterbunden oder umgekehrt zugelassen werden sollten.

Neue strategische Partnerschaft

Auf ihre Abschlussvergütung angesprochen gaben knapp 61 Prozent der Makler, die Honorarberatung betreiben, in der Liechtenstein-Life-Umfrage an, die Abschlussvergütung als Beratungsleistung über den Stundensatz zu regeln. 28 Prozent wiederum bieten die Abschlussvergütung über Honorarberaterplattformen wie Nettowelt an. Jeder Zehnte lässt sich laut Studie die Abschlussvergütung über Factoring vorfinanzieren.

Derweil verkündeten jüngst mehrere Anbieter eine strategische Partnerschaft zum Ausbau des Honorargeschäfts im deutschen Markt: Die LV 1871, die myLife Lebensversicherung und die auf Honorarberatung spezialisierte Honorar Konzept GmbH wollen Makler dabei unterstützen.

LV 1871 im Bunde mit myLife und Honorar Konzept

„Viele Makler nutzen Honorarberatung bereits insbesondere bei gehobenen Privatkunden“, beobachtet Hermann Schrögenauer. Bei Fondspolicen gab es 2020 ein Neugeschäftswachstum von 49 Prozent, so der Vertriebsvorstand der LV 1871 weiter – „der Anteil an alternativer Vergütung liegt bei uns bei rund 40 Prozent“.

Die myLife setzt als Versicherer ausschließlich auf provisionsfreie Vorsorge- und Investmentlösungen. „Wir können die überaus positive Entwicklung des Honorarmarktes bestätigen“, sagt Vorstandschef Jens Arndt, der für 2020 auf knapp 40 Prozent gestiegene Beitragseinnahmen im Neugeschäft mit fondsgebundenen Nettopolicen verweist.

Für Heiko Reddmann, Geschäftsführer der Honorar Konzept, schließen sich damit drei starke Marktplayer zusammen, die „fair, transparent und partnerschaftlich“ agieren und erfolgreich sind. Diese gemeinsame Power wolle man nun Vermittlern und Kunden weitergeben. Ob das gelingt, bleibt abzuwarten. Zumindest haben Endkunden mit dem Ausbau der Honorarberatung unter Beibehaltung der Provisionsberatung mehr Auswahl für Qualitätsberatung.

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