„Ökonomische Grundbildung ist kein Nice-to-Have, sondern ein Muss.“

Junge Menschen wünschen sich schon in der Schule die Vermittlung von grundlegendem Finanzwissen. Aber nur das Wahlprogramm einer Partei sieht die Einführung eines flächendeckenden Pflichtfachs Wirtschaft vor.

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09:08 Uhr | 27. August | 2021

Um das Finanzwissen der Deutschen ist es nicht gut bestellt: Junge Menschen haben zunehmend das Gefühl, dass ihnen die ökonomische Grundbildung fehlt und würden sich selbst – laut einer aktuellen Umfrage – in Bezug auf ihr Wissen rund um Finanzen nur die Note 3,3 geben. Gut 20 Prozent der heute Erwerbstätigen sorgen nicht für das Alter vor und sind in Zukunft entsprechend von Altersarmut bedroht, heißt es vom Spitzenverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Immer noch investieren nur wenige Deutsche ihr Geld in den Aktienmarkt: zwölf Millionen Anleger waren es nach Angaben des Deutschen Aktieninstituts (DAI) im vergangenen Jahr. Knapp sieben Millionen Menschen in Deutschland gelten nach einer aktuellen Erhebung des Instituts für Finanzdienstleistungen (iff) als überschuldet.

Fehlende finanzielle Allgemeinbildung gilt als ein Hauptgrund für diese Missstände. „Die Zahlen zeigen, dass es Wissensdefizite gibt“, sagt Sven Schumann, Co-Vorsitzender des Bündnisses Ökonomische Bildung Deutschland (BÖB), im Rahmen einer Online-Veranstaltung des Deutschen Instituts fürs Altersvorsorge (DIA). Die 2019 gegründete Initiative, getragen von Lehrkräften, Verbänden, Wissenschaft und Wirtschaft, drängt darauf, dass ökonomische Bildung fester Bestandteil in allen weiterführenden Schulen in Deutschland wird. „92 Prozent der jungen Menschen haben ein hohes Bedürfnis nach Finanzbildung“, so Schumann.

Wie kann finanzielle Allgemeinbildung funktionieren?

„Die Kultusministerkonferenz hat das Thema erkannt, aber seitdem ist wenig passiert“, sagt Bettina Stark-Watzinger, parlamentarische Geschäftsführerin der FDP-Bundestagsfraktion. Es fehle nicht an der Einsicht, dass es dem Gros der Bevölkerung an finanzieller Bildung fehle, sondern an den Konsequenzen, die daraus gezogen werden müssten. „Ökonomische Grundbildung ist kein Nice-to-Have, sondern ein Muss“, so die FDP-Frau. Aber wir kann der Weg hin zur finanziellen Allgemeinbildung aussehen?

Die Liberalen fordern, als einzige der großen Parteien, in ihrem aktuellen Wahlprogramm die flächendeckende Einführung des Schulfachs „Wirtschaft“. Auch Schumann vom Bündnis Ökonomische Bildung ist überzeugt, dass die Vermittlung von grundlegendem Finanzwissen ein fester Bestandteil der Lehrpläne werden muss.

Diese Vermittlung dürfe, so Schumann, nicht mehr vom Zufall abhängen. Sie müsse, auch um der Chancengleichheit gerecht zu werden, einheitlich im Curriculum aller Schulformen verankert werden. „Es gibt in der Schulen 50 verschiedene Formen wirtschaftlicher Bildung.“ Aber weil Bildung Ländersache ist, sei es schwer Lerninhalte zu vereinheitlichen. „Wir brauchen Bildungsstandards für die Breite.“

Unabhängige Wissensvermittlung

Nur lässt sich Praxiswissen, dass sich Schüler ja auch wünschen, wirklich allein durch einen Lehrplan, aneignen? „Bildung ist immer ein Produkt aus Erfahrung und Erkenntnis“, sagt Schumann. Die aktuelle Lebenssituation müsse mitgedacht werden. Schließlich gilt es auch zu unterscheiden zwischen finanzieller und ökonomischer Bildung, also einerseits der Organisation der eigenen Finanzen und andererseits dem Verständnis grundlegender volkswirtschaftlicher Begriffe.

Für viele junge Menschen ist das Verständnis über die erste Gehaltsabrechnung erst einmal wichtiger als wirtschaftliche Kreisläufe. Sie treiben in erster Linie Fragen um wie: Was macht die Schufa? Wie eröffne ich mein erstes Konto? Welche Versicherung brauche ich dringend? Wie funktioniert eine Steuererklärung?

Bestimmte Bankinstitute bieten Workshops für Schülerinnen und Schüler an, in denen diese Praxisbeispiele durchdekliniert werden. „Wenn Finanzinstitute in die Schulen gehen, schwingt immer auch eine Absicht mit, also die Vermarktung eigener Produkte“, kritisiert Schumann. Auch Stark-Watzinger sieht an dieser Stelle den Interessenkonflikt. Sie betont nachdrücklich: „Finanzbildung darf nicht in einem einmaligen Workshop abgehandelt werden.“ 

Mal wieder: Vorbild Schweden

Schumann nennt Schweden als Vorbild: „In der nationalen Strategie ist Finanzbildung implementiert. Das fängt bereits in der Kita an, geht in der Schule weiter. Auch Einwanderer werden in die Finanzbildung einbezogen.“ Er bemängelt, dass hierzulande viele Schulinhalte nicht mehr zeitgemäß seien. „Lehrpläne müssen der Anpassung an den Zeitgeist unterliegen. Wäre das nicht so, dann stünde heute noch Bogenschießen auf dem Lehrplan.“

Schumann und Stark-Watzinger betonen gleichermaßen, dass es die Bildung ist, die Menschen dazu befähigt, eigenverantwortliche Entscheidungen zu treffen. „Junge Menschen müssen mehr Finanzwissen erlernen, um die Zukunft dieses Landes mitzugestalten“, so Stark-Watzinger. Doch auch Erwachsenen mangelt es an grundlegendem Verständnis von Wirtschaft und Finanzen. Eine unabhängige Beratung seitens des Staates könnte demnach eine Lösung sein. Aber man müsse zuvor die Menschen für das Thema interessieren, damit sie ein solches Angebot auch zu nutzen wissen. „Aber ein Grundverständnis muss schon in der Grundausbildung angelegt werden.“

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