Ombudsmann: Klageaufkommen bei Reiseversicherungen steigt um 80 Prozent

Das Corona-Geschehen hat auch Auswirkungen auf die Arbeit des Ombudsmannes gehabt, wie dieser bei der Vorstellung seines Jahresberichts darlegte. Nach wie vor ist aber die Rechtsschutzversicherung die Sparte mit den meisten Beschwerden.

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11:05 Uhr | 20. Mai | 2021
Urlauber Bild: Adobe Stock/Saw

Die Corona-Krise führte dazu, dass das Beschwerdeaufkommen zu Reiseversicherungen beim Ombudsmann regelrecht explodierte. Bild: Adobe Stock/Saw

Brennpunkt Rechtsschutzversicherung: Im fünften Jahr in Folge erreichten Versicherungs-Ombudsmann Wilhelm Schluckebier zur Rechtsschutzversicherung die meisten Beschwerden. Insgesamt 3.463 der im Jahr 2020 insgesamt eingegangenen 13.235 zulässigen Beschwerden beinhalteten Auseinandersetzungen zwischen Versicherungsnehmern und ihren Rechtsschutzversicherern. Gegenüber dem Vorjahr stieg die Fallzahl noch einmal um gut acht Prozent.  

Damit ist und bleibt die Rechtsschutzversicherung mit Abstand die beschwerdeintensivste Sparte, erklärte Schluckebier bei der Vorstellung seines Jahresberichts an diesem Donnerstag. Mit weitem Abstand folgen die Lebensversicherung (2.779 zulässige Beschwerden), die Kfz-Kasko- (1.320) sowie die Gebäudeversicherung (1.197).  

Diesel-Affäre treibt Rechtsschutz-Beschwerden

Nach wie vor ist die sogenannte Diesel-Affäre maßgeblich für das hohe Beschwerdeaufkommen. Dabei gelte es immer, auf die aktuelle Rechtssprechung einzugehen, erklärte Schluckebier. So hatte im Mai vergangenen Jahres der Bundesgerichtshof die Abgas-Manipulationen der Autohersteller als eine sittenwidrige und illegale Handlung eingestuft. Wer in diesen Fällen Schadensersatzforderungen stellen möchte, hat dafür drei Jahre Zeit.  

Der Versicherungsombudsmann musste sich nun aber mit der Frage beschäftigen, ab welchem Zeitpunkt diese 3-Jahres-Frist anläuft bzw. wann die Ansprüche verjährt sind. Reichte als Startpunkt für die Verjährungsfrist bereits die Medienberichterstattung im Jahr 2015? Begann sie erst mit der Mitteilung der Autohersteller an ihre Kunden, dass in ihren Fahrzeugen Abschaltvorrichtungen verbaut seien? Oder konnte der Kunde noch die obergerichtlichen Entscheidungen zur Frage einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung abwarten? Fragen, die von Versicherungsnehmern und Rechtsschutzversicherern unterschiedlich beantwortet wurden und somit auch den Ombudsmann im vergangenen Jahr stark beschäftigten (mittlerweile hat hier der BGH für mehr Klarheit gesorgt).  

Corona beeinflusst Klageaufkommen

Neben der Diesel-Affäre beeinflusste auch die Corona-Pandemie die Arbeit des Ombudsmanns wesentlich. Einen der Schwerpunkt bildete dabei die Reiserücktrittsversicherung ab, zu der den Ombudsmann insgesamt 80 Prozent mehr Klagen als noch im Vorjahr erreichten.  

In vielen Fällen hatten Urlauber ihre geplanten Reisen aufgrund der Angst vor dem Virus storniert, unter anderem, wenn ihnen ihr Arzt aufgrund diverser Vorerkrankungen eindrücklich von einem Trip abgeraten hatte. Allerdings konnte Schluckebier den Versicherungsnehmern in diesen Fällen auch nicht helfen – schließlich handelt es sich bei der reinen Angst vor einer schweren Erkrankung nicht um ein versichertes Ereignis. Bei vielen Kunden scheint in Bezug auf die Reiserücktrittsversicherung jedoch weiterhin Beratungsbedarf zu herrschen: Vielfach scheint die Auffassung verbreitet, dass der Versicherer die Stornokosten auch dann erstatten muss, wenn der Reiseantritt ist.  

Gleiches galt im Übrigen für Fälle, da sie oder andere Reiseteilnehmer sich aufgrund eines Corona-Verdachts in Quarantäne hatten begeben müssen. Der bloße Verdacht, unerwartet schwer erkrankt zu sein, ist jedoch ebenfalls nicht im Versicherungsschutz inbegriffen – auch in diesen Fällen konnte Schluckebier die Versicherungsnehmer nur auf die bestehende Rechtslage hinweisen.

Seite 1: Wie Corona das Klageaufkommen beeinflusstSeite 2: Klagen gegen Vermittler meist unzulässig

Auch in anderen Sparten machte sich die Pandemie bemerkbar. So erreichten Schluckebier mehrere Klagen zur Betriebsschließungs- bzw. -unterbrechungsversicherung. Da es sich bei den Klägern jedoch um Gewerbetreibende und eben nicht um Verbraucher handelte, konnte der Ombudsmann diese Fälle in der Regel nicht annehmen.  

Insgesamt ließ sich aber feststellen, dass das  „Ausnahmejahr 2020“ das Klagevolumen (bislang) nicht maßgeblich beeinflusst hat – zwar stieg sowohl die Zahl der eingegangenen als auch die der zulässigen Klagen leicht gegenüber dem Vorjahr (siehe Grafik), der Anstieg befinde sich allerdings noch „im Rahmen der üblichen Schwankungsbreiten“, relativierte Schluckebier. „Angesichts von rund 400 Millionen Versicherungsverträgen in Deutschland kann man hier wohl kaum von einer generellen Unzufriedenheit der Kunden sprechen.“  

Erfreulich ist dabei auch die weiterhin geringe Zahl der eingegangenen Vermittlerbeschwerden. Zwar stieg diese im Vergleich zum Vorjahr um 14 Prozent auf 298 (Vorjahr: 261), bewegt sich aber damit noch auf dem Niveau der vergangenen Jahre.  

Zudem ist der Großteil der Beschwerden unzulässig, wie ein Blick auf die im vergangenen Jahr beendeten Beschwerden zeigt. Von den 283 bearbeiteten Vermittler-Beschwerden wurden knapp zwei Drittel (63,3 Prozent) als unzulässig bewertet, beispielsweise weil die Beschwerde in keinerlei Zusammenhang mit der Vermittlung stand, die Streitigkeit bereits beigelegt war oder den Bereich PKV betraf. Lediglich knapp ein Drittel der Beschwerden gegen Vermittler war 2020 zulässig.  

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