Deutschlands Pensionskassen leiden seit geraumer Zeit besonders unter den Niedrigzinsen. Gegenwärtig stehen 36 Pensionskassen unter intensivierter Aufsicht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Um die Zinsgarantien mittel- und langfristig zu erfüllen, haben viele Pensionskassen in den vergangenen Jahren ihre Rückstellungen massiv erhöhen müssen.
Zudem hat der Gesetzgeber Mitte 2020 regulierte Pensionskassen unter den Insolvenzschutz des Pensions-Sicherungsvereins (PSV) gestellt - im Rahmen des „Siebten Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze (7. SGB IV-ÄndG)“.
Betroffen sind Pensionskassen, die nicht gemeinsame tarifliche Einrichtungen, nicht Mitglied von Protektor sind (dort sind praktisch alle Wettbewerbs-Pensionskassen der Lebensversicherer freiwillig Mitglied) oder eine Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst betreiben, also vor allem Firmenpensionskassen. Arbeitnehmer oder Betriebsrentner, denen solche Zusagen erteilt wurden, gehen somit nicht mehr leer aus, sollte die Pensionskasse Leistungen kürzen und der Arbeitgeber nach 2021 insolvent werden (2021 würde der Bund über den PSV einspringen).
Arbeitgeber muss weiter für Leistungen haften
Trotz erfolgter Gesetzesänderung bleibt es weiter bei der Subsidiärhaftung des Arbeitgebers. „Erst bei Insolvenz des Arbeitgebers würde der PSV einstehen, nicht bei Insolvenz einer Pensionskasse“, erklärt Klaus Stiefermann, Geschäftsführer der Aba Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung. Schieflagen der Kassen müssten zunächst durch den Arbeitgeber und Sanierungsklauseln beherrscht werden.
Viele Arbeitgeber entziehen sich dieser Nachschuss-Pflicht, aber nicht aus falsch verstandener Sparsamkeit, sondern wegen des Satzungsrechts der regulierten Pensionskassen. Laut Satzung kann die Kasse durch Nachschüsse der Arbeitgeber ihre Eigenmittel schonen. Diese Eigenmittel werden eingesetzt, um Finanzierungsdefizite in den Versicherungsverträgen der Arbeitgeber zu schließen, die keine Nachschüsse leisten. Und hier beißt sich die Katze quasi in den Schwanz: Im Ergebnis leisten entweder alle Trägerunternehmen oder niemand Nachschüsse, obwohl die dringend nötig wären.
Satzungsänderung ermuntert zu nötigen Nachschüssen
Um diese Nachschussblockade aufzulösen, hat das Bundesministerium der Finanzen (BMF) kurzfristig einen Referentenentwurf vorgelegt und zur Stellungnahme an Verbände verschickt, mit dem das Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) so geändert werden soll, dass regulierte Pensionskassen, meist Firmenpensionskassen, leichter an zusätzliche Mittel all ihrer Trägerunternehmen kommen können.
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Konkret soll in Paragraf 233 VAG ein Absatz 6 eingefügt werden, um den Kassen die Möglichkeit zu einer Satzungsänderung zu geben. So sollen die Arbeitgeber, die Geld nachschießen wollen, nicht länger die Finanzierungsdefizite derjenigen Arbeitgeber auffangen, die nicht bereit sind, Geld nachzuschießen. Wer trotz Finanzierungsdefizit nicht nachschießt, bei dessen Betriebsrentnern werden die Leistungen gekürzt. Damit könnten in Zukunft auch Teilbestände von regulierten Pensionskassen leichter saniert werden. Die Lücke der Rentner muss dann der Arbeitgeber wegen seiner subsidiären Haftung zwingend auffüllen (bei Insolvenz füllt der PSV auf).
Da eine solche Satzungsänderung auch bestehende Versicherungsverhältnisse betrifft, kann sie nur eingeführt werden, wenn die Satzung grundsätzlich eine Kürzung von Versicherungsansprüchen zulässt, wenn sämtliche Eigenmittel der Kasse aufgebraucht sind (Sanierungsklausel). In diesem Fall soll die Satzung ergänzt werden dürfen und anwendbar sein, wenn die Pensionskasse ihre Rückstellungen erhöht, damit Leistungen auf Dauer erfüllbar bleiben, und sich eine breite Mehrheit von Arbeitgebern (mindestens 75 Prozent) bereiterklärt, für ihre konkreten Versicherungsverhältnisse die Erhöhung der Rückstellung zu finanzieren.
Leistungskürzung nicht ohne Mitgliedervertreter und BaFin
Die neue Satzungsregelung gestattet dann Leistungskürzungen bei Versicherungsverhältnissen, bei denen die Erhöhung der Rückstellung nicht finanziert ist. Die Kürzung muss von der Mitgliedervertretung mit Mehrheit von 75 Prozent beschlossen werden und bedarf zudem der BaFin-Zustimmung. Das BMF will damit die Bereitschaft von Arbeitgebern zu Nachschüssen erhöhen. Der sehr technisch gehaltene Entwurf ist auf der BMF-Website einsehbar.
Die Aba hält die Vorschläge im Referentenentwurf für nötig. Nur der Begriff „Nachschüsse“ sei unglücklich, da er in den in den Satzungen von regulierten Pensionskassen inhaltlich bereits anderweitig belegt ist. Nachschüsse der Mitglieder sind dort ausgeschlossen. Daher schlägt die Aba den Begriff “Unterstützungszahlungen“ oder „Sonderzahlungen“ vor.
Randnotizen der Aba
„Zudem sollte präzisiert werden, dass in jedem Fall „eine ‚Übersanierung‘ zugunsten Solvabilitätsquote vermieden wird“, sagt Stiefermann. Auch sei die Gesetzesänderung nicht auf regulierte Pensionskassen zu beschränken, sondern für alle Gegenseitigkeitsvereine mit einer Sanierungsklausel vorzusehen. Hintergrund: Nicht alle Pensionskassen, die eine Sanierungsklausel in ihren Statuten führen, hatten 2005 beantragt, reguliert zu werden.
Fazit: Der gesetzgeberische Schritt ist überfällig, weil damit die Nachschießer nicht länger die Dummen sind. Bislang geht ihr Nachschuss in den großen Topf und ist nicht nur auf ihre eigenen Berechtigten beschränkt. Makler sind von der Neuregelung nicht betroffen, wenn sie nur Verträge von LV-Pensionskassen vermittelt haben, die wiederum meist freiwillig Mitglieder bei Protektor sind. Mitunter sind jedoch auch Zusagen von regulierten Firmenkassen eingedeckt worden.
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