Pepp: Neue Wasserstandsmeldungen von der Europa-Rente
Rentenlücken und Probleme mit der Portabilität haben die Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung (Eiopa) und die EU-Kommission 2015 dazu gebracht, eine grenzüberschreitende Altersvorsorge in Angriff zu nehmen. Herausgekommen ist Pepp (Pan-European Personal Pension Product). Mit dieser grenzüberschreitend gültigen Europa-Rente sollen EU-Bürger zusätzlich zu bestehenden Vorsorgemöglichkeiten eine private Altersversorgung aufbauen können.
Sowohl Angestellte, Arbeitslose und Selbständige als auch Studenten sollen auf das Angebot zurückgreifen können. Geworben wird damit, dass das standardisierte private Vorsorgeprodukt besonders leicht verständlich, kostengünstig, digital und transparent sein soll.
Rente soll ins Ausland ziehen können
Wer in einen anderen EU-Mitgliedsstaat zieht, kann seinen Pepp-Vertrag mitnehmen und dort, ohne den Anbieter wechseln zu müssen, weiter ansparen. Sogenannte Regulierungsstandards stellen weitere Kernmerkmale wie Transparenzanforderungen, Anlagevorschriften und -optionen sowie das Wechselrecht sicher. Von Beginn an gab es viel Pro und Contra. Kritiker argwöhnen, dass die weltgrößte Fondsgesellschaft Blackrock hinter der Idee steckt.
Inzwischen wurde die PEPP-Verordnung im Amtsblatt der EU-Kommission veröffentlicht. In Deutschland soll die Umsetzung im Rahmen des „Gesetzes zur begleitenden Ausführung der Verordnung (EU) 2020/1503 und der Umsetzung der Richtlinie EU 2020/1504 zur Regelung von Schwarmfinanzierungsdienstleistern (Schwarmfinanzierung-Begleitgesetz) und anderer europarechtlicher Finanzmarktvorschriften“ erfolgen. Die erste Lesung fand am 26. März im Bundestag statt. Der Bundesrat hatte bereits vorher positiv reagiert und die Bundesregierung aufgefordert, noch in dieser Legislaturperiode einen Gesetzentwurf vorzulegen.
Ob das klappt, darf bezweifelt werden. Die GroKo hat es bisher ja nicht einmal geschafft, die im Koalitionsvertrag verabredete Reform der Riester-Rente umzusetzen. Das mindert die Chance zur kurzfristigen Umsetzung eines europäisches Standard-Produkts, quasi die Konkurrenz zur Riester-Rente.
Anbieter bremsen Riester-Rente wegen Beitragsgarantie aus…
Die Europa-Rente soll sechs verschiedene Anlagemöglichkeiten bieten. Herzstück ist bei allen das Basis-Pepp. Diese Standardoption zeichnet sich durch niedrige Kosten aus: Verwaltungskosten und Provisionen müssen beim Basis-Pepp insgesamt auf ein Prozent des jährlichen Beitrages begrenzt werden. Dazu zählen auch die Kosten für Beratung und Vertrieb. Spätestens alle fünf Jahre darf man den Anbieter wechseln, wobei Wechselkosten limitiert sind.
Das Basis-Pepp muss auch eine Garantie bieten – entweder als Kapitalgarantie, bei der der Anleger wie bei der Riester-Rente mindestens seine eingezahlten Beiträge zurückbekommt -, oder durch Instrumente zur Risikobegrenzung wie eine konservative Anlagestrategie oder eine „Lebenszyklusstrategie“ (Life-Cycle-Modell).
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… und sollen ausgerechnet auf Pepp-Zug aufspringen?
Ob Kapitalgarantien angesichts anhaltender Niedrigzinsen der richtige Weg sind, bezweifeln Experten längst. „Vom gesetzlich vorgeschriebenen Beitragserhalt ist ab 2022 abzurücken“, fordert etwa Guido Bader, Vorstandschef der Deutschen Aktuarvereinigung. „Der vollständige Beitragserhalt mündet sonst in einen Realwertverlust und würde damit das Aus für die Riester-Rente bedeuten“, so Bader. Eine ähnliche Prognose dürfte für die Europa-Rente gelten.
Angeboten werden soll die Europa-Rente jedoch nicht nur als Basisprodukt. Zur Wahl stehen weitere Investment-Varianten. Auch bei der Ausschüttung sind mehrere Möglichkeiten erlaubt, etwa Einmalzahlung oder fortlaufende Renten. Die neuen Produkte benötigen vor dem Verkaufsstart die Eiopa-Genehmigung.
Kostendeckel erschwert vernünftige Beratung
Michael Hoppstädter, Geschäftsführer des bAV-Beraters Longial, ist skeptisch: „Ob ein grundsätzlich beratungsintensives Thema wie die Altersvorsorge komplett online vertrieben werden kann, ist fraglich.“ Doch den klassischen Vertrieb über Banken und Versicherungsvermittler sieht er auch nicht. „Das ist mit den vorgesehenen Kostendeckeln gar nicht machbar“, sagt der Experte, der in seinem Hause den Geschäftsbereich Kundenbetreuung, Beratung und Vertrieb verantwortet.
Offen ist auch die steuerliche Förderung: Ob und wie gefördert wird, liegt bei den einzelnen EU-Mitgliedsstaaten. Vom BMF in Berlin ist zu hören, dass eine Pepp-Förderung grundsätzlich möglich wäre, wenn die Europa-Rente dieselben Vorgaben erfüllt, die für andere, in Deutschland geförderte Altersvorsorgeprodukte gelten.
„Nachdem der rechtliche Rahmen steht, könnten die ersten Angebote wohl ab März 2022 erfolgen“, sagt Hoppstädter. Er sei gespannt, ob eher Banken, Investmentgesellschaften oder Versicherer Produkte dazu entwickeln und wie diese aussehen. Angesichts der Probleme mit der Bruttobeitragsgarantie, die deutsche Lebensversicherer, Fondsindustrie und Bausparkassen in seltener Einhelligkeit bei der Riester-Rente gesetzlich auf 80 Prozent gedrückt sehen wollen, wird das in der Tat spannend.
Kein Regelungsbedarf bei Bruttobeitragsgarantie?
Das BMF bleibt dazu aktuell zugeknöpft. Man sehe „keinen Regelungsbedarf“. Für die Aufsichtsbehörde BaFin ist die Beitragsgarantie „kein vordergründiges Thema für die Aufsicht“. Damit dürften bei privaten und betrieblichen Riester-Renten sowie der am meisten verbreiteten bAV-Zusageart „Beitragszusage mit Mindestleistung“ ab sofort schwere Umsatzeinbußen zu befürchten sein. Ob die Anbieter da ausgerechnet beim neu erlaubten Pepp aufspringen, bleibt abzuwarten.
„Wir suchen nach einem tollen Produkt, haben es aber bisher nicht gefunden", sagte Reinhold Thiede, Leiter des Geschäftsbereichs Forschung und Entwicklung der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV), schon vor mehr als einem Jahr. Er hatte seinerzeit solche Modelle wie „Deutschlandrente“, „Extrarente“ oder „Vorsorgekonto“ analysiert und dabei „umso mehr Schwächen festgestellt, je detailgenauer sie vorgestellt wurden“.
Kritik am Pepp hatte schon vor längerer Zeit der Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute an der „unnötigen" Einführung und dem reinen Online-Abschluss geübt. Es dürfe keinen Pepp-Vertrieb ohne Beratung geben, schließlich sei das einer der Kerngedanken der EU-Versicherungsvertriebsrichtlinie.
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