Haben die R+V und ihre Tochter Condor bei ihren Lebensversicherungskunden über Jahre die Bewertungsreserven falsch berechnet? Diesen Vorwurf erhebt die Verbraucherzentrale Hamburg und beruft sich dabei auf Schreiben der Versicherer an ihre Kunden, in dem R+V und Condor auf den Fehler aufmerksam machen und eine Auszahlung der ausstehenden Beträge ankündigen. Die R+V bestätigte die Vorwürfe auf procontra-Nachfrage und erklärt ihr Bedauern über den Fehler.
Offenbar sind aber nur einige und nicht sämtliche Kunden betroffen gewesen. Diese werden vom Versicherer eigenständig über die Fehlberechnung informiert. Im Anschluß werden dann die ausstehenden Beträge inklusive Verzugszinsen an die Betroffenen ausgezahlt, erklärte ein Sprecher gegenüber procontra.
Es geht um viel Geld
Dabei geht es für die Kunden teilweise um viel Geld. Die Verbraucherzentrale berichtet in einer Pressemitteilung von einem 2017 ausgezahlten Vertrag. Dessen Besitzer bekomme nun „viele hundert Euro“ nachgezahlt, heißt es.
Bewertungsreserven sind vereinfacht gesagt Buchgewinne. Sie entstehen, wenn der aktuelle Marktkurs bestimmter Wertpapiere, wie beispielsweise von Staatsanleihen, über deren Kurs liegt, der zum Zeitpunkt des Kaufs vorlag. Durch die anhaltenden Niedrigzinsen waren die Kurse älterer, hoch verzinster Staatsanleihen stark gestiegen – für den Kunden sind sie somit ein wichtiger Faktor.
Dass der Berechnungsfehler erst jetzt aufgefallen ist, sorgt bei den Verbraucherschützern für Kritik. „Es ist nicht zu entschuldigen, dass Berechnungsfehler über so lange Zeit in den Unternehmen unentdeckt bleiben“, bemängelt Sandra Klug von der Verbraucherzentrale Hamburg. „Die intransparente Berechnung der Bewertungsreserven ist für Verbraucherinnen und Verbraucher ein großes Problem.“ Für den Einzelnen sei es nicht zu erkennen, ob die Abrechnung korrekt durchgeführt worden sei.
Auch andere Versicherer betroffen?
Die Verbraucherschützer halten es für wahrscheinlich, dass das Problem nicht auf die R+V und Condor beschränkt ist. „Wir vermuten, dass auch Kundinnen und Kunden weiterer Versicherer betroffen sind“, so Klug. Darum habe man einen Musterbrief entworfen, den Lebensversicherungskunden an ihre Versicherer schicken können, um diese aufzufordern, die korrekte Berechnung der Überschussbeteiligung sowie der Bewertungsreserven zu überprüfen.
Die Verbraucherzentrale empfiehlt allen Kunden, deren Vertrag seit 2014 ausgelaufen ist oder jenen, die ihn seitdem gekündigt haben, diesen Weg zu beschreiten und die Verbraucherzentrale im Fall einer fehlerhaften Berechnung zu informieren. 2014 war durch das Lebensversicherungsreformgesetz die Beteiligung der Kunden an den Bewertungsreserven neu geregelt worden.
Neben dem Angebot des Musterbriefs spricht man sich auf Verbraucherschützerseite auch für mehr Transparenz der Versicherer gegenüber dem Kunden aus, um solche Fehler zukünftig leichter zu vermeiden beziehungsweise eher zu entdecken. „Wenn die Versicherer die Ablaufleistung in garantierte Ablaufleistung, laufende Überschüsse, Schlussüberschüsse, Sockelbetrag Bewertungsreserven und volatiler Anteil Bewertungsreserven aufteilen müssten, könnte die Fehlerquelle kleiner sein“, sagt Verbraucherschützerin Klug auf procontra-Nachfrage.
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