Renditepotential vs. Risiko – Wo liegt der "Kipppunkt" bei Garantien?
Lange hatte es gedauert, bis das Bundesfinanzministerium ankündigte: Der Höchstrechnungszins soll gekürzt werden. Ab Januar kommenden Jahres sollen die Versicherer dann eine jährliche Verzinsung von maximal 0,25 Prozent statt wie bisher 0,9 Prozent über die gesamt Laufzeit der Verträge versprechen.
Von Seiten der Versicherungsaktuare folgte prompt die Mahnung, im gleichen Zuge die hundertprozentige Beitragsgarantie bei der Riester-Rente sowie innerhalb der betrieblichen Altersversorgung zu reformieren: „Wir appellieren eindringlich an die politischen Entscheidungsträger, zusammen mit der Senkung des Höchstrechnungszinses auch den bislang gesetzlich vorgeschriebenen Beitragserhalt in der Riesterrente und bei der Beitragszusage mit Mindestleistung (BZML) in der betrieblichen Altersversorgung zu überarbeiten“, sagte Dr. Guido Bader, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Aktuarvereinigung (DAV). So würden sich zum einen mit einem Garantiezins von 0,25 Prozent keine angemessenen Kosten mehr ausgleichen lassen, zum anderen würden sich die Riester-Anbieter auf so risikoarme Geldanlagen beschränken, dass die Riester-Rente sowie die BZML für die Kunden zu einem „teuren Festgeldsparen“ würden.
Senkung der Beitragsgarantie dringend geboten
Rückendeckung erfährt der DAV nun auch von Dr. Jochen Ruß, Professor für Aktuarwissenschaften an der Universität Ulm sowie Geschäftsführer des Ulmer ifa-Instituts. Ruß erklärte am Montag den Mitgliedern des Bundestags-Finanzausschusses, dass bei einer Absenkung des Höchstrechnungszinses „Lebensversicherungsprodukte mit einer Garantie von 100 Prozent der eingezahlten Beiträge faktisch nicht mehr angeboten werden können“ – dies gelte auch für extrem kostengünstige Produkte. Eine Senkung der Beitragsgarantie sei darum dringend geboten.
Ruß machte deutlich, dass auch für sicherheitsorientierte Sparer Garantien, die signifikant unter 100 Prozent liegen würden, bedarfsgerecht seien. Diese Produkte seien zum einen wesentlich chancenreicher, zum anderen aber nur geringfügig riskanter, bemerkte Ruß.
Durch eine Absenkung der Garantien steige das Renditepotential, erklärte Ruß – allerdings nicht linear. Denn reduziere man die Garantie immer weiter, so steige das Renditenpotential immer weniger, während das Risiko – sofern man von einer hohen Volatilität der Aktienmärkte ausgeht – immer stärker zunehme. Analysen des ifa-Instituts hätten ergeben, dass ein Garantieniveau von 70 Prozent der gezahlten Beiträge einen „Kipppunkt“ darstelle. „Bis zum Kipppunkt steigt das reale Renditepotenzial deutlich stärker an als das reale Risiko. Senkt man die Garantie dann noch weiter ab, so steigt das Risiko stärker als die Chance“, bemerkte Ruß.
Wohldosierte Garantie empfehlenswert
Gerade für sicherheitsorientierte Sparer empfehle sich folglich eine „wohldosierte Garantie“ – diese sollte in einem Niedrigzinsumfeld zwischen 70 und 80 Prozent liegen, so Ruß, dann sei sie auch für sicherheitsorientierte Sparer absolut angemessen.
Komplett abgelehnt wird der Höchstrechnungszins hingegen von Seiten des Verbraucherschutzes. In seiner Stellungnahme plädierte der Verbraucherzentralen Bundesverband (vzbv) für eine endgültige Abschaffung des Garantiezinses – diese biete den Versicherungsnehmern keinerlei Mehrwert. Statt auf unwirtschaftliche Garantieversprechen zu setzen, sollten die Versicherer aus Sicht des vzbv ihre Eigenkapitalausstattung verbessern, um in risikoreichere und renditeträchtigere Assetklassen investieren zu können.
Zudem sehen die Verbraucherschützer die Garantiezins-Absenkung als Gelegenheit, erneut für die Einführung eines Provisionsdeckels in der Lebensversicherung beziehungsweise sogar eines Provisionsverbotes. Ein solcher war ursprünglichen von Seiten der Bundesregierung geplant gewesen, eine entsprechende Regelung scheint aber aufgrund von Unstimmigkeiten zwischen SPD und Union festzustecken – eine Verabschiebung in dieser Legislaturperiode gilt als höchst unrealistisch.
Aus Sicht des vzbv sei ein Provisionsdeckel aber dringend geboten. Denn durch den niedrigeren Garantiezins dürfte es schwerer werden, die aus einer hohen Kostenbelastung in den ersten Vertragsjahren entstehenden „Verluste“ auszugleichen. Entsprechend müssten mit den Zinsen auch die Kosten sinken – im Hinblick auf die Vertriebs- und Abschlusskosten sei hier aus Sicht der Verbraucherschützer aber keine Entwicklung sichtbar. „Da der Provisionsdeckel nach Ansicht des vzbv nicht dafür sorgen wird, dass Verbraucher hinsichtlich Beitrag und Laufzeit bedarfsgerecht beraten werden, kann nur ein Provisionsverbot für dieses Produkt den Fehlanreiz beseitigen und für eine deutliche Kostensenkung sorgen“, heißt es abschließend in der Stellungnahme der Verbraucherschützer.