Schadenfall der Woche: Wer den Wal hat, hat die Qual

Seit über einem Jahr kommt es immer wieder zu Angriffen junger Orcas auf Schiffe vor der spanischen und portugiesischen Küste. Forscher rätseln über die Hintergründe – ist es Rache oder nur ein neuer „Freizeit-Hype“?

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10:10 Uhr | 14. Oktober | 2021

Es liest sich wie ein Auszug aus dem Buch „Der Schwarm“: Im Juli attackierte eine Gruppe von 30 Schwertwalen eine Segelyacht in der Straße von Gibraltar. Zwei Stunden lang schubsten die Tiere das Boot umher, um danach von dem Boot abzulassen – jedoch nicht, ohne zuvor ein Stück aus dem Ruder herauszubeißen. Die Crew fürchtete in der Zeit um ihr Leben, wie sie später dem britischen Boulevard-Blatt „Sun“ verrieten.  

Der Angriff der Schwertwale ist bei weitem kein Einzelfall. Seit vergangenem Jahr attackieren immer wieder Orcas Yachten und Segelboote vor der Küste Spaniens und Portugals. Die Organisation „Orca Iberica“, in der sich zahlreiche Wissenschaftler zusammengeschlossen haben, verzeichnete zwischen Juli und Dezember im vergangenen Jahr insgesamt 45 Vorfälle. Meist waren Segelboote die bevorzugten Ziele der Tiere, jedoch wurden auch Angriffe auf Schlauch- und Fischerboote verzeichnet.  

Der Angriff auf die "Essex"

Beim zur Allianz gehörenden Industrieversicherer wurden bislang insgesamt zehn Schäden gemeldet – finanziell fallen die Schäden jedoch nichts ins Gewicht, teilte das Unternehmen am Dienstag mit.  

Angriffe von Walen auf Menschen beziehungsweise Schiffe sind äußerst selten, haben es aber teils zu weltweiter Berühmtheit gebracht. Unvergessen ist sicherlich der Angriff eines Pottwals auf das Walfangschiff „Essex“ im November des Jahres 1820, der später als Vorlage für die Geschichte „Moby Dick“ diente. Laut einem Bericht des ersten Offiziers Owen Chase rammte das bis zu 20 Meter große Tier das Schiff seitlich und drehte dann ab – allerdings nur um erneut Schwung für eine weitere Attacke zu holen.  

Der gezielte Angriff ließ den 22-jährigen Seemann fassungslos und ohne Schiff zurück – dass Wale mutwillig und zielgerichtet als Rammbock agieren, war bis dahin noch nicht beobachtet worden. Der Wal – bekannt für seine Sanftheit – war zum scheinbar bösartigen, rachegetriebenen Angreifer mutiert. Kurze Zeit vorher hatte die Crew drei Pottwale aus dem Schwarm des angreifenden Tieres harpuniert und erlegt. „Es war, als sei er von Rachedurst für ihre Leiden befeuert“, notierte Chase in sein Tagebuch.  

Auch bei den jüngsten Orca-Angriffen bringen Medien die Rache-Theorie als mögliche Erklärung. So sollen Segler zuvor mit Harpunen auf die Schwertwale geschossen haben. Ob die Tiere mit der Unterstellung von Vergeltungsgelüsten nicht zu sehr vermenschlicht werden, sei einmal dahingestellt. Auch andere Gründe für das ungewöhnliche Verhalten sind auf jeden Fall zu bedenken.

Rache oder "Freizeit-Hype"?

Gegenüber der Zeitschrift „Geo“ erklärte der Meeresbiologe Fabian Ritter beispielsweise, dass es sich auch um einen „Freizeit-Hype“ pubertierender Jung-Wale handeln könnte. So spreche einiges dafür, dass es bei den Angreifern stets um dieselbe Gruppe Wale handele, die an der Ruder-Knabberei Spaß gefunden haben könnte.

Nicht als Schadensquelle, sondern als Werbe-Ikone dient einem Versicherer derzeit übrigens ein anderer „Meeresbewohner“. So wirbt der amerikanische Kfz-Versicherer Geico derzeit mit Kapitän Ahab, dem hasserfüllten und rachegetriebenen Hauptcharakter aus Herman Melvilles Wal-Opus „Moby Dick“. Im Gegensatz zur literarischen Vorlage ist Melville im Geico-Spot jedoch nicht auf der unerbittlichen Jagd nach dem weißen Wal, sondern nach einem Parkplatz.

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