Staatsfonds: Milchmädchenrechnung mit vielen Unbekannten
Kürzlich forderten Verbraucherschützer gemeinsam mit dem Deutschen Aktieninstitut mehr Kapitaldeckung in der Altersvorsorge. Gemeinsamer Nenner ist die Einführung einer Widerspruchslösung (Opt-out) in der zweiten oder dritten Schicht, wobei die Verbraucherschützer einzig in der dritten Schicht auf eine Art Staatsfonds setzen (Extrarente). Dabei sollen die Arbeitgeber eingespannt werden, um die quasi verpflichtende, arbeitgebergestützte Privatvorsorge mit Opt-out-Option umzusetzen.
Dazu kam inzwischen scharfe Ablehnung von der Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung (Aba). „Wir brauchen mehr kapitalgedeckte Altersversorgung, aber nicht so“, sagte Aba-Geschäftsführer Klaus Stiefermann. Staatsfondsmodelle seien momentan en vogue, jede der großen Parteien habe mehr oder weniger konkrete Vorschläge, die sicher gut gemeint sind, aber viele Schwächen aufweisen und unvollständig sind. „Deutschland-Rente, Extrarente, Aktienrente und Co. sind der reinen Beitragszusage (rBZ) in der betrieblichen Altersversorgung weit unterlegen“, stellte Stiefermann fest.
„Überkonkurrent“ würde Arbeit auf Firmen abwälzen
Zumeist konzentrieren sich die Vorschläge allein auf die Kapitalanlage, beziehen nur Arbeitnehmer aber keine Selbständigen, Beamten und Abgeordneten ein und vernachlässigen überdies die Leistungsphase,“ kritisiert Stiefermann. „Altersversorgung ist aber mehr als das bloße Einsammeln und Anlegen von Geld.“ Zudem sei es wettbewerbsrechtlich und ordnungspolitisch problematisch, wenn ein „Überkonkurrent“ geschaffen würde, der über den Arbeitgeber als „Vertriebskanal“ und ein Obligatorium Wettbewerbsvorteile genieße. Besonders ärgerlich für die Aba: „Die Verwaltungskosten werden schöngerechnet, der Kontrollaufwand bleibt unberücksichtigt und ein großer Teil des administrativen Aufwandes wird den Arbeitgebern aufgebürdet.“
Begründung: Bei den meisten Modellen sollen die Arbeitnehmer über ihren Arbeitgeber automatisch in einen Staatsfonds einzahlen. Sie können aus dem Fonds rausoptieren und den Betrag, der eingezahlt wird, zumeist jederzeit ändern. Solche Systeme seien nicht verwaltungsarm. Obligatorien mit Opt-Out-Möglichkeit zögen zudem einen hohen Kontrollaufwand nach sich, der von staatlichen Stellen zu erfüllen sei.
Gefahr staatlicher Einflussnahme auf Staatsfonds
„Die gesetzliche Rentenversicherung kennt die Selbstverwaltung, das Sozialpartnermodell die Durchführung und Steuerung mithilfe der Sozialpartner“, erinnert Stiefermann. Bei den Staatsfondsmodellen sei so etwas nicht vorgesehen, obwohl es um das Geld der Arbeitnehmer geht und der Arbeitgeber einen Großteil der Verwaltung erfüllen muss. Außerdem werde nicht ausreichend sichergestellt, dass die Staatsfonds – vor allem in Krisenzeiten – keiner politischen Einflussnahme oder gar Zweckentfremdung unterliegen. Kein Wort werde zudem über den aufsichtsrechtlichen Rahmen verloren.
„Die neue Bundesregierung sollte solche Modelle meiden und stattdessen endlich, wie schon so oft versprochen, Verbreitungshemmnisse bei der bAV beheben. Beim Sozialpartnermodell muss beispielsweise die Bremse des Tarifvertrages gelockert werden und auch die Vorgaben für Durchführung und Steuerung müssten praxisgerechter werden. „Einrichtungen der bAV dürfen nicht totreguliert werden und eine zukunftsfähige bAV muss flexibler auf sich verändernde wirtschaftliche Rahmenbedingungen reagieren dürfen“, fordert Stiefermann.
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Freiwilligkeit contra Obligatorium
Die Wirtschaft spricht sich mehrheitlich gegen Obligatorien und Staatsfonds aus. In Bezug auf die bAV begründen Experten die Ablehnung so: „Freiwilligkeit ist besser als ein Obligatorium, weil die Arbeitskosten sonst ausufern und dennoch eine niedrigere bAV-Leistung droht“, sagt Richard Nicka (BASF), Vizevorstandschef der Aba.
„Die Enthaftung des Arbeitgebers bei der reinen Beitragszusage (rBZ) und der Gestaltungsspielraum der Tarifvertrags-Partner sind besser als starre Staatsfonds“, ergänzt Aba-Vizevorstandschef Dirk Jargstorff (Robert Bosch). Bei einem Obligatorium schwinde der Elan der bAV, weil es einheitliche Lösungen gäbe statt passgenauer bAV.
Bisherige Erfolgsmodelle wertschätzen
„Alles, was man sich von einem Staatsfonds erhofft, könnte man durch die rBZ besser erreichen“, fasst Aba-Vorstandschef Georg Thurnes zusammen. Die bAV sei ein erprobtes Fördermodell. Eine aktienbasierte Altersvorsorge lasse sich beispielsweise in der rBZ umsetzen. Zudem biete die bAV eine kollektive Abfederung von Risiken auch in der Rentenbezugsphase. Bei einem Staatsfonds müsste der Steuerzahler einspringen. Ein bAV-Obligatorium ist überflüssig, so Thurnes.
Zum Erfolg der bAV zähle auch eine praxisgerechte Insolvenzsicherung, in die ab 2022 auch Arbeitgeber-Zusagen für Pensionskassenleistungen einbezogen werden. Für 2020 und 2021 gelten Übergangsvorschriften. Erfreulich: Nachdem die Wirtschaft wegen der Pandemie und der Gesamtwirtschaftslage 2020 einen hohen Beitragssatz von 4,2 Promille für den bAV-Insolvenzschutz zahlen musste, zeichnet sich für 2021 ein Beitragssatz von nur 0,6 Promille ab, der niedrigste Satz seit 2016, berichtet der Pensions-Sicherungs-Verein (PSV). Der PSV geht allerdings davon aus, „dass sich die entlastenden Effekte 2022 nicht erneut in dieser Größenordnung ergeben werden“, sagt Vorstand Benedikt Köster.
Was der PSV leistet
Die Selbsthilfeeinrichtung der deutschen Wirtschaft umfasst rund 70 Prozent des Verpflichtungsumfangs der gesamten bAV in Deutschland. Die Betriebsrenten von rund 98.100 Mitgliedsfirmen aus unverfallbaren Anwartschaften würden bei Insolvenz der Mitgliedsfirmen vom PSV übernommen. Der Beitragssatz für die Beitragszahlungen der Firmen spiegelt den Schadenaufwand (Insolvenzen) eines Kalenderjahres wider. Das Finanzierungsverfahren ist ziemlich komplex. Es wurde 2006 auf vollständige Kapitaldeckung umgestellt.
Die monatlichen Leistungen des PSV für Betriebsrentner sind auf maximal das Dreifache der Bezugsgröße (nach Paragraf 18 Sozialgesetzbuch IV) begrenzt. Die Bezugsgröße ist für 2021 und 2022 auf 3.290 Euro festgelegt, im Osten 3.150 Euro (2022). Damit kann der PSV höchstens 9.870 Euro pro Monat auszahlen (Ostdeutschland: 9.450 Euro). Die tatsächliche monatliche Durchschnittsrente ist mit rund 160 Euro aber deutlich niedriger.
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