Wann die Betriebsrente nicht angepasst werden muss

Arbeitnehmer spüren Ungerechtigkeiten bei der bAV. Abschlüsse der jüngeren Generation sind oft schlechter als alte, die Inflation frisst Rendite und die nötigen Anpassungen der Rentenhöhe sind gering. Was das Bundesarbeitsgericht entschieden hat.

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08:05 Uhr | 19. Mai | 2022

Lohnt bAV angesichts von aktuell 7,1 Prozent Inflation? Die Frage stellt sich auch für alle anderen Formen der Vorsorge. Immerhin: Im Betriebsrentengesetz wird die Prüfung zur Dynamisierung von bAV-Leistungen sehr breit ermöglicht (Paragraf 16 BetrAVG). Grundsätzlich muss der Arbeitgeber danach alle drei Jahre eine Anpassung der laufenden Leistungen prüfen und darüber nach billigem Ermessen entscheiden.

Die Verpflichtung gilt als erfüllt, wenn die Anpassung nicht geringer ist als der Anstieg des Verbraucherpreisindexes für Deutschland oder der Nettolöhne vergleichbarer Arbeitnehmergruppen des Unternehmens. Soweit, so gut, denn da ist die Inflation mit eingepreist, sofern der Arbeitgeber dies wirtschaftlich leisten kann („billiges Ermessen“). Keine Anpassung ist nötig, wenn:

Zu Recht unterbliebene Anpassung muss nicht später nachgeholt werden

Sind laufende Leistungen nicht oder nicht in vollem Umfang anzupassen – sogenannte zu Recht unterbliebene Anpassung – ist der Arbeitgeber auch nicht verpflichtet, dies zu einem späteren Zeitpunkt nachzuholen. Zu Recht unterblieben ist die bAV-Leistungserhöhung, wenn der Arbeitgeber dem Rentner die wirtschaftliche Lage des Unternehmens schriftlich dargelegt, der Rentner nicht binnen drei Kalendermonaten nach Zugang der Mitteilung schriftlich widerspricht und er auf die Rechtsfolgen eines nicht fristgemäßen Widerspruchs hingewiesen wurde.

„Der Gesetzgeber hat für die Anpassungsmethodik im Zeitverlauf Alternativen geschaffen, die eine Inflationsbindung der Anpassung vermeiden“, betont Aktuar Georg Thurnes, Vorstandschef der Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersvorsorge (aba). Allerdings seien die Leistungen „Ausfluss der arbeitsrechtlichen Zusage und beinhalten je nach Ausgestaltung einen stärkeren oder schwächeren Inflationsschutz“, weiß Thurnes.

Wenig Aussicht auf Rentenerhöhung bei Niedrigzins

Zu Punkt 2 (keine nötige bAV-Anpassung bei Direktversicherung oder Pensionskasse) hatte kürzlich das Bundesarbeitsgericht (BAG) in mehreren Verfahren zu entscheiden. In einem Fall wurde die Sache an das LAG Schleswig-Holstein zurückverwiesen, in einem anderen Fall in letzter Instanz entschieden.

Eine Pensionskassen-Rentenempfängerin bekommt demnach nicht die nachträglich geforderte höhere Rente von 37,72 Euro pro Monat seit 1. Oktober 2014, weil die rückwirkende Anwendung einer 2017er-Gesetzesänderung in Zusammenhang mit dem Gesetz zur Umsetzung der EU-Mobilitäts-Richtlinie vom Dezember 2015 eine Änderung auch für Anpassungszeiträume erlaubt, die vor 2016 liegen (Az.: 3 AZR 408/21).

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BAG-Aussage: Rückwirkende Verschlechterung erlaubt

Damit verstößt die Regelung zur Nichtanpassung von Pensionskassen-Renten laut BAG nicht gegen EU-Recht und ist im Einklang mit dem Grundgesetz auch rückwirkend anwendbar: Durch das Gesetz zur Umsetzung der EU-Mobilitäts-RL fiel ab dem 31. Dezember 2015 die Voraussetzung weg, wonach zur Berechnung der garantierten Leistung der festgesetzte Höchstzinssatz zur Berechnung der Deckungsrückstellung nicht überschritten werden darf (Paragraf 16 Absatz 3 Nr. 2 BetrAVG).

„Die durch Paragraf 30c Absatz 1a BetrAVG angeordnete Geltung der am 31. Dezember 2015 in Kraft getretenen Änderung auch für Anpassungszeiträume, die vor dem 1. Januar 2016 liegen, stellt keine verfassungsrechtlich unzulässige Rückwirkung dar“, schreibt das BAG und korrigiert damit seine bisherige Rechtsprechung.

Kleiner Erfolg im Einzelfall, doch mit riesigem Aufwand

Was technisch kompliziert klingt, ist für die betroffene Rentnerin letztlich ein Kompromiss. Die Frau hatte bei einer Bank gearbeitet und mit Rentenbeginn 2011 vom BVV Versicherungsverein des Bankgewerbes, der größten Pensionskasse Deutschlands, eine Betriebsrente bezogen, die seither nicht erhöht wurde. Sie wollte eine höhere Rente, weil die genannten rechtlichen Neuregelungen ab 2016 verfassungsrechtlich nicht rückwirkwirkend angewendet werden dürften.

Die Klage scheiterte in allen Instanzen, doch das BAG entschied in dem Fall bereits mit Urteil vom 10. Dezember 2019 (Az.: 3 AZR 122/18), dass das Hessische Landesarbeitsgericht „nachsitzen“ muss. Es hatte der Frau immerhin 16,92 Euro brutto monatlich mehr Rente zugesprochen. Das war der Frau zu wenig und sie legte neuerlich Revision beim BAG ein – aber vergeblich. Es bleibt damit beim Kompromiss. Das heißt ganz praktisch: Auch auf einen Ausgleich hoher Inflationszahlen können Empfänger von Pensionskassen- und Direktversicherungs-Renten nicht hoffen, solange ab Rentenbeginn sämtliche auf den Rentenbestand entfallende Überschussanteile zur Erhöhung der laufenden Leistungen verwendet werden.

Arbeitgeber haftet nur, wenn Kasse arbeitsrechtliche Zusage unterschreitet

Andererseits besteht Subsidiärhaftung des Arbeitgebers nur, wenn die Pensionskasse als externer Träger die arbeitsrechtliche Zusage nicht vollständig erfüllt. „Dann ist der Arbeitgeber einstandspflichtig“, stellt Thurnes klar. Eine „schleichende Renten-Entwertung“ könne dabei zwar resultieren, sei aber über die arbeitsrechtliche Zusage hinaus nicht leistungsrelevant, so der Experte.

Thurnes empfiehlt institutionellen Kapitalanlegern wie Versicherern und Pensionskassen eine Verlagerung möglichst auf reale Vermögensanlagen wie Aktien, Infrastruktur, Immobilien sowie weitgehende Diversifizierung. Insbesondere für regulierte Pensionskassen fordert die aba schon seit langem eine Lockerung von Bedeckungsvorschriften und eine Liberalisierung der Anlagevorschriften, um höhere Renditen zu ermöglichen. Dem sind BMF und BaFin bislang nicht gefolgt.

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