Warum die bKV bessere steuerliche Rahmenbedingungen benötigt
procontra: Die obligatorische bKV wird zu 100 Prozent vom Arbeitgeber finanziert. Wie ist hier der Status Quo in Sachen Steuerfreiheit?
Marco Scherbaum: Laut aktueller Rechtsprechung unterliegt die Verschaffung von betrieblichem Krankenversicherungsschutz als Sachbezug der Freigrenze von 44 Euro im Monat. Das regelt Paragraf 8, Absatz 2, des Einkommensteuergesetzes. Zum 1. Januar 2022 steigt der monatliche Freibetrag auf 50 Euro. Das heißt: Arbeitgeberbeiträge für Gewährung betrieblicher Krankenzusatzversicherung sind als Sachlohn steuer- und sozialversicherungsfrei möglich, wenn der Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber ausschließlich Versicherungsschutz und nicht auch eine Geldzahlung verlangen kann. Ich muss aus rechtlichen Gründen an dieser Stelle darauf hinweisen, dass diese Informationen keine verbindliche steuerrechtliche Auskunft darstellen.
procontra: Das ist doch eine gute Regelung, oder?
Scherbaum: Natürlich ist die Regelung über Sachbezug eine lukrative Alternative zur Barlohn-Variante. Aber aus meiner Sicht ist das nicht genug! Als bKV-Spezialmakler vertrete ich die Interessen der Arbeitgeberseite und mache mich als Unternehmer und in meinem Amt als Europäischer Wirtschaftssenator für bessere steuerliche Rahmenbedingungen stark.
procontra: Aber könnte man nicht auch fragen: Warum bedarf es angesichts des Booms der bKV überhaupt einer steuerlichen Förderung?
Scherbaum: Einem Unternehmer wird immer mehr Verantwortung übertragen – unter anderem soziale Verantwortung und Fürsorge für die Gesundheit seiner Belegschaft. Die Investition in nachhaltige Konzepte der betrieblichen Krankenversicherung steht dann in der steuerlichen Betrachtung aber im Rahmen der 44-Euro-Freigrenze in Konkurrenz mit anderen Sachbezügen. Auf welcher Grundlage steht etwa ein Benzingutschein auf gleicher Stufe wie Gesundheit? Das kann und darf nicht sein. Personaler werden sich der Bedeutung der Qualität der Gesundheitsversorgung Ihrer Mitarbeitenden auch „dank“ Corona immer mehr bewusst. Dann muss aber bitte die Politik auch für entsprechende Rahmenbedingungen sorgen und die Beiträge des Arbeitgebers zur bKV unabhängig von anderen Zuwendungen steuerfrei ermöglichen.
procontra: Was fordern Sie konkret von der Politik?
Scherbaum: Die Einordnung der bKV als Sachbezug reicht nicht aus. Diese steuerliche Divergenz habe ich in einem Positionspapier an die Politik moniert und fordere von der Regierung einen eigenen Durchführungsweg in der steuerlichen Rechtsprechung, für Beiträge des Arbeitgebers zur bKV. Hierzu stehe ich aktuell im persönlichen Dialog mit dem Bundegesundheitsminister Jens Spahn und mache mich für die Verbesserung stark.
procontra: Wie ist die Situation bei der betrieblichen Pflegeversicherung?
Scherbaum: Ausfallzeiten schaden und kosten den Betrieb ein Vermögen. Arbeitnehmer fehlen allerdings nicht nur aufgrund von Krankheit. Die Pflege von Angehörigen spielt immer häufiger eine Rolle. Wir wissen aus Studien: 80 Prozent der Pflegebedürftigen werden zu Hause von Angehörigen gepflegt. 61 Prozent der Erwerbstätigen würden die Arbeitszeit reduzieren, um Pflegefälle in der Familie zu versorgen. Neben der betrieblichen Krankenversicherung sehe ich immensen Bedarf an betrieblichen Pflegelösungen. Im betrieblichen Setting muss die Pflegeversicherung allerdings, anders als in der privaten Pflegezusatzversicherung, den Erhalt der Arbeitskraft absichern.
procontra: Was muss sich hier ändern?
Scherbaum: Das Modell der betrieblichen Pflegeversicherung kann als neue Säule der sozialen Sicherung eine wichtige Rolle in der Debatte über die künftige Finanzierung der Pflege spielen. Hierüber müssen wir sprechen und branchenübergreifend Lösungen für das betriebliche Setting anbieten. Betriebliche Leistungszusagen verbessern unmittelbar die Gesundheits- und Pflegeversorgung der Mitarbeitenden. Dies hilft auf Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite, entlastet zudem die Sozialsysteme und bringt somit einen gesamtgesellschaftlichen Nutzen mit sich.