bKV-Spezialmakler Marco Scherbaum im Interview

„Die betriebliche Krankenversicherung braucht eine Sachbezugsreform“

bKV-Spezialmakler Marco Scherbaum war dieser Tage im Bundesfinanzministerium zu Gast. Zentrales Thema: die steuerliche Behandlung von Arbeitgeber-Beiträgen zur bKV. procontra sprach mit Scherbaum über seinen Besuch in Berlin, die aktuelle Sachbezugsfreigrenze und die Beliebtheit von Budgettarifen in der betrieblichen Krankenversicherung (bKV).

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10:09 Uhr | 26. September | 2024
bKV-Spezialmakler Marco Scherbaum

Setzt sich für eine Sachbezugsreform in der bKV ein: Spezialmakler Marco Scherbaum.

| Quelle: Marco Scherbaum

procontra: Herr Scherbaum, wie kam es zu der Einladung nach Berlin?

Marco Scherbaum: Im Mai dieses Jahres besuchte ich in Berlin einen Empfang. In diesem Rahmen hatte ich die Gelegenheit, Bundesfinanzminister Christian Lindner persönlich zu treffen und kurz auf eine Thematik anzusprechen, die mich schon seit Jahren beschäftigt: meine Position über die Divergenz in der steuerrechtlichen Behandlung von Arbeitgeberbeiträgen zur betrieblichen Krankenversicherung.

Es war ein sehr angenehmes Gespräch. Christian Lindner signalisierte dabei seine Bereitschaft zu einem weiterführenden Austausch. Ich war sehr überrascht, dass ich dann tatsächlich einen Termin im Bundesfinanzministerium bekommen habe. Der Bundesminister hat Wort gehalten.

Bundesfinanzminister Christian Lindner mit Marco Scherbaum

Bundesfinanzminister Christian Lindner mit Marco Scherbaum

| Quelle: Marco Scherbaum

procontra: Und wie ist der Termin gelaufen?

Marco Scherbaum: Sehr gut. Das Gespräch wurde von Dr. Nils Weith, dem Leiter der Steuerabteilung des Ministeriums, geleitet. Ich war in Begleitung von Frank Kettnaker vom Vorstand der ALH-Gruppe. Im fachlichen Dialog ging es um die Einordnung der aktuellen Rechtslage zur steuerrechtlichen Behandlung von Betriebsausgaben zu arbeitgeberfinanzierter bKV. Überlegungen zu einer möglichen Reformierung der Sachbezüge wurden im Dialog andiskutiert. Es war ein sehr angenehmer offener Austausch mit gegenseitigen wertvollen Einblicken und Hinweisen.

procontra: Nach der aktuellen Gesetzgebung gelten Beiträge für eine betriebliche Krankenversicherung einkommensteuerlich als Sachbezug und bleiben bis zu einer monatlichen Gesamtsumme von 50 Euro lohnsteuer- und sozialabgabenfrei. Wie ist Ihrer Position hierzu?

Marco Scherbaum: Aus meiner Sicht als bKV-Experte ist die steuerrechtliche Einordnung zur 50-Euro-Freigrenze für Sachbezug nicht ausreichend, da sie für eine Vielzahl von Sachleistungen gilt und oft bereits ausgeschöpft ist. Es kann doch nicht sein, dass die bKV zum Beispiel in einen Topf mit Tankgutscheinen geworfen wird und somit in Konkurrenz steht. Meine Position lautet deshalb: Tankgutschein und bKV im Sachbezug-Konflikt macht keinen Sinn! Mit diesem Zitat habe ich übrigens Christian Lindner angesprochen und damit seine Aufmerksamkeit erreicht.

Dr. Niels Weith (Leiter Steuerabteilung Bundesministerium der Finanzen) mit Marco Scherbaum

Dr. Niels Weith (Leiter Steuerabteilung Bundesministerium der Finanzen) mit Marco Scherbaum (li.)

| Quelle: Marco Scherbaum

procontra: Was konkret fordern Sie von der Politik?

Marco Scherbaum: Mein Ziel ist es, in der Politik Rahmenbedingungen zu schaffen, die allen gerecht werden und eben nicht verschiedene Arbeitgeber-Leistungen in einen Interessenkonflikt bringen.

Ich wünsche mir eine bessere Förderung der betrieblichen Krankenversicherung, denn davon profitieren Arbeitgeber, Arbeitnehmer sowie übrigens auch der Staat in mehrfacher Hinsicht: Die Gesundheitskosten werden durch präventive Maßnahmen gesenkt, die Produktivität der Arbeitnehmer gesteigert, das öffentliche Gesundheitssystem entlastet und der Wirtschaftsstandort Deutschland gestärkt. Das Bundesfinanzministerium hat in unserem Gespräch jedenfalls seine Bereitschaft dazu signalisiert und möchte eine „Initiative Sachbezugsreform“ einberufen. Mein vorgebrachtes Anliegen ist also im Bundesministerium der Finanzen angekommen und hat somit Aufmerksamkeit in der höchsten politischen Ebene erzielt.

procontra: Kommen wir noch zu einem anderen Thema: In der betrieblichen Krankenversicherung liegen Budgettarife schon seit Jahren im Trend. Wie lässt sich deren anhaltende Beliebtheit erklären?

Marco Scherbaum: Das Prinzip hinter Budgettarifen ist simpel, ganz nach dem Motto: „Nicht dem Angler – sondern dem Fisch muss der Köder schmecken.“ Was meine ich damit: Mit dem Budgettarif hat zum einen nicht mehr der Arbeitgeber, der ja die Beiträge bezahlt, die Qual der Wahl für die obligatorische Kollektivzusage aus vielen Einzelleistungs-Bausteinen – sondern er legt lediglich ein garantiertes jährliches Euro-Budget fest für eine breite Auswahl an hochwertigen medizinischen Gesundheitsleistungen. Und auf der anderen Seite wählen die Mitarbeitenden im Rahmen des zugesagten Budgets individuell für sich flexibel die Leistungen aus, die sie gerade benötigen. Einfacher geht’s nicht. Damit ist die bKV klar verständlich, erlebbar und führt bei der Belegschaft zu großer Beliebtheit.

procontra: Und wie wird sich der Markt der Budgettarife aus Ihrer Sicht weiterentwickeln?

Marco Scherbaum: Seit Einführung des ersten Budgettarifs 2018 haben viele Krankenversicherer Budgettarife auf dem Markt gebracht. Doch leider haben nicht alle Leistungsträger das Prinzip dahinter verstanden. So gibt es zum Beispiel Anbieter, die versicherte Mitarbeitende belohnen, wenn sie keine Leistungen aus der bKV in Anspruch nehmen. Das ist die typische Denke von Beitragsrückerstattung aus der Welt der PKV.

Mein Credo hingegen ist, dass in der bKV der Anspruch von Seiten des Arbeitgebers darin besteht, dass möglichst viele Mitarbeitenden Erstattungen aus der bKV erhalten. Insbesondere die Inanspruchnahme von Vorsorgeuntersuchungen hilft durch Früherkennung oder gar Vermeidung von Krankheiten dem Unternehmen nachhaltig in der Reduzierung von Ausfallzeiten und Kosten.

Also spreche ich von einer Weiterentwicklung und Innovation des Budgettarif-Gedankens, wenn der Mitarbeitende für seine Nutzung und Vollausschöpfung seines Grundbudgets belohnt wird!

Als bKV-Makler freue ich mich über jede weitere Entwicklung und wünsche mir noch mehr Kreativität und Innovationsgeist von den Tarifentwicklern und Mathematikern der Versicherer. Doch aufgepasst: Ich appelliere, Sorge zu tragen für eine ausgewogene Harmonie zwischen innovativer Weiterentwicklung und sauberer Kalkulation!

procontra: Wie ordnen Sie vor diesem Hintergrund Bausteintarife ein? Haben die jetzt komplett ausgedient?

Marco Scherbaum: Für diese Tarife beobachte ich so gut wie keine Nachfrage mehr. Doch es kommt in Einzelfällen zu einer individuellen Kombination von Bausteintarifen. Fakt ist: Der Budgetansatz überzeugt. Das beweisen entsprechende Leistungsauswertungen. Stationäre Tarife und betriebliche Pflegeversicherung sind sinnvolle Ergänzungen zum Budgettarif und machen die bKV zu einem richtig wertvollen Personalinstrument.

Zur Person:

Senator h.c. Marco Scherbaum ist unabhängiger Spezialmakler für betriebliche Krankenversicherung, Gründer & Geschäftsführer der Kanzlei HEALTH FOR ALL® und Autor des bKV-Fachbuchs „Gesundheit für alle – Revolution der betrieblichen Gesundheitsversorgung“ (Springer Verlag).