Mehrheit der Deutschen fordert Abschaffung der Eigenanteile
Mit einer neuen Pflegereform will Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach das marode System der gesetzlichen Pflegeversicherung wieder auf Kurs bringen: Am 1. Juli tritt das Pflegeunterstützungs- und Entlastungsgesetz (PUEG) in Kraft, das unter anderem für Kinderlose und Eltern mit einem Kind höhere Beiträge vorsieht. Parallel ist mit der Reform auch eine Absenkung der Eigenanteile geplant. Doch für das Gros der Bundesbürger ist es mit der Absenkung nicht getan. 60 Prozent der Deutschen wünschen sich, dass die gesetzliche Pflegeversicherung für alle Pflegekosten aufkommen soll, die Eigenanteile also komplett gestrichen werden. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Nachrichtenagentur dpa, für die im Juni 2.033 Menschen ab 18 Jahren befragt wurden.
Klares Stimmungsbild unter den Versicherten
24 Prozent der Befragten gaben darin an: Die soziale Pflegeversicherung solle „auf jeden Fall“ die Pflegekosten vollständig übernehmen, 36 Prozent antworteten hier mit „eher ja“. „Eher nein“ gaben 17 Prozent der Teilnehmer an und acht Prozent waren der Meinung, die Kosten sollten „auf keinen Fall“ komplett durch das gesetzliche System beglichen werden. Damit zeichnet sich bereits vor Inkrafttreten von Lauterbachs Reform ein klares Stimmungsbild unter den Versicherten ab.
Würden die Zuzahlungen für die reine Pflege allerdings tatsächlich abgeschafft werden, entstünden dadurch in logischer Konsequenz Mehrausgaben für die Pflegeversicherung. Um diese Mehrausgaben zu finanzieren, schlägt die Mehrheit der Befragten dauerhafte Steuerzuschüsse aus dem Bundeshaushalt vor.
Eine ähnliche Forderung hatten zu Beginn des Jahres die gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen sowie mehrere Sozialverbände in einem Brandbrief an Bundeskanzler Olaf Scholz und Finanzminister Christian Lindner formuliert. Sie befürworteten Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt allerdings nicht, um damit die Eigenanteile abzuschaffen – stattdessen seien diese zur Stabilisierung des finanziell angeschlagenen staatlichen Systems nötig. Denn infolge der wachsenden Zahl von Pflegebedürftigen und der steigenden Ausgaben würden die Pflegekosten ohne Zuschüsse immens weiter steigen, so die Begründung der Unterzeichner.
Steuerzuschüsse zur Finanzierung
62 Prozent befürworten in der aktuellen dpa-Analyse den Steuerzuschuss, um damit die Abschaffung der Eigenanteile zu finanzieren. 15 Prozent favorisieren zu diesem Zweck eine weitere Erhöhung des Pflegebeitrags. Acht Prozent stimmen für eine „andere Finanzierung“.
Anfang des Jahres lagen die Eigenanteile nach Angaben des Verbands der Ersatzkassen (vdek) bei durchschnittlich 2.411 Euro – und damit 278 Euro über dem Vorjahresbetrag. Ab 1. Januar 2024 werden die Zuzahlungen mit der neuen Pflegereform dann schrittweise reduziert, indem die sogenannten Entlastungszuschläge erhöht werden. Das geschieht abhängig von der jeweiligen Aufenthaltsdauer im Pflegeheim.
Um das Problem der stetig steigenden Eigenanteile in den Griff zu bekommen, hatte sich der PKV-Verband im April für die Einführung einer Pflegepflichtversicherung ausgesprochen. Der konkrete Vorschlag eines zu dem Zweck gegründeten Expertenrates: Statt in der sozialen Pflegeversicherung weiter auf das Umlageverfahren zu setzen, solle eine neue kapitalgedeckte Versicherung – die sogenannte Pflege+-Versicherung – für 90 Prozent der stationären Pflegekosten aufkommen. Damit bliebe lediglich ein Selbstbehalt von zehn Prozent. Eine Gesundheitsprüfung bei Abschluss solle entfallen.