Beratungsverzicht: Verbraucherschützer siegen gegen ADAC Versicherung
Versicherungen sind komplexe Produkte, die für den Laien nicht immer gleich zu verstehen sind. Entsprechend stehen Versicherer in der Pflicht, ihre Kunden hierzu zu beraten. Kunden können auf die Beratung allerdings unter bestimmten Bedingungen verzichten.
Die ADAC Versicherung hat es sich beim Beratungsverzicht allerdings zu einfach gemacht. Dies geht aus einem aktuellen Urteil des Landgerichts München (Az: 3 HK O 9060/24) hervor, das die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg erstritten hat.
Worum ging es?
Im konkreten Fall ging es um ein Werbeschreiben des Versicherers, in dem einer Kundin der Versicherungstarif „ADAC Unfallschutz exklusiv“ angeboten wurde. Ein Vertrag wäre zustandegekommen, wenn die Kundin den hierfür fälligen Betrag mittels beiliegendem Überweisungsträger überwiesen hätte.
Das Schreiben enthielt im Fließtext auch eine Passage zum Beratungsverzicht, die grafisch hervorgehoben war. Hier heißt es unter anderem:
„Beratungsverzicht: im Rahmen dieses Abschlusses verzichte ich auf eine persönliche oder telefonische Beratung.“
Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg sah hierin einen Verstoß gegen Paragraph 6 Absatz 3 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG): Dieses sieht vor, dass der Versicherungsnehmer auf die Beratung durch eine gesonderte schriftliche Erklärung verzichten kann – an dieser fehle es hier jedoch. Der Versicherer wies hingegen darauf hin, dass auf den Beratungsverzicht deutlich durch einen separaten Kasten sowie die in Fettdruck hervorgehobene Überschrift „Beratungsverzicht“ hingewiesen werde.
Doch das Münchener Landgericht schloss sich der Ansicht der Verbraucherschützer an. „Das Erfordernis einer gesonderten Verzichtserklärung soll dem Verbraucher die Bedeutung seiner Erklärung bewusst vor Augen führen“, stellte das Gericht klar. Um eine gesonderte Erklärung handele es sich dann, wenn der Beratungsverzicht entweder durch eine gesonderte, sprich separate, Unterschrift oder durch gesonderte in Textform abzugebende Erklärung abzugeben ist. „Die zu unterzeichnende Formulierung muss vom übrigen Fließtext gestalterisch getrennt und vom Versicherungsvertreter separat zu unterzeichnen sein.“ Im vorliegenden Fall war der Beratungsverzicht zwar grafisch aus dem Fließtext hervorgehoben – allerdings konnte er nicht durch eine gesonderte Unterschrift bestätigt werden. Folglich genüge er im besagten Fall nicht den Erfordernissen des Paragraphen 6 Absatz 3 VVG.
Versicherer will Urteil prüfen
„Das Urteil unterstreicht, wie wichtig es ist, dass Verbraucherinnen und Verbraucher den Beratungsverzicht gesondert erklären und sich darüber bewusst sind, dass sie dies tun“, kommentierte Peter Grieble, Versicherungsexperte der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. „Dass Anbieter versuchen, sich an der Beratungsverpflichtung vorbeizudrücken, ist völlig inakzeptabel.“
Rechtskräftig ist das Urteil jedoch noch nicht. Auf procontra-Nachfrage bestätigte eine Sprecherin der ADAC Versicherung, dass man Berufung gegen das Urteil eingelegt habe. Man wolle die Urteilsbegründung sorgfältig prüfen um dann eine Entscheidung treffen zu können, ob man gegen das Urteil vorgehe.
Das Münchener Urteil ist das zweite Urteil zum Thema Beratungsverzicht in kurzer Zeit. Im Januar hatte sich bereits das Oberlandesgericht Nürnberg mit dem Thema beschäftigt. Im Kern ging es um die Klärung der Frage, ob der Beratungsverzicht zwingend auf einer, vom Antragsformular körperlich losgelösten eigenen Urkunde erfolgen müsse.