bAV: Welche Fragen beim AG-Zuschuss noch strittig sind
Spätestens ab 1. Januar müssen Arbeitgeber, die Entgeltumwandlungsvereinbarungen aus der Zeit vor 2019 umsetzen, 15 Prozent Zuschuss auf die Einzahlungen des Arbeitnehmers zahlen, sofern sie selbst durch die Entgeltumwandlung SV-Beitrag einsparen (nach Paragraf 1a Absatz 1a BetrAVG). Was einfach klingt, ist in der Praxis mit vielen Fragezeichen verbunden. Vor allem lassen viele Versicherer keine Aufstockung der Beitragszahlung in den Bestandspolicen zu, die seinerzeit mit höheren Garantien abgeschlossen worden waren.
Ausnahmen bestätigen die Regel. Dazu gehören neben der Stuttgarter, Axa, Alte Leipziger auch HDI (Talanx-Konzern). Man biete für den AG-Zuschuss verschiedene Optionen an – vom Neuabschluss über die Erhöhung bestehender Policen bis hin zur internen Verrechnung des AG-Zuschusses mit der bestehenden Entgeltumwandlung. „Die Aufstockung einer bestehenden Direktversicherung erfolgt technisch im selben Vertrag unter Verwendung eines zusätzlichen Versorgungsbausteines, der aber in der Regel mit aktuellen Rechnungsgrundlagen hinterlegt wird“, erklärte Fabian von Löbbecke, Talanx-Vorstand für bAV, auf dem virtuellen „HDI-bAV-Expertenforum 2021“.
Geklärte Zweifelsfragen
„Einige arbeitsrechtliche Zweifelsfragen zum AG-Zuschuss sind weitgehend geklärt“, sagte Mathias Ulbrich, Professor für Arbeitsrecht an der Fakultät für Wirtschaftsrecht der Hochschule Schmalkalden und zugleich Inhaber einer Kanzlei für bAV, in seinem Vortrag auf dem Forum. So sei kein AG-Zuschuss für Umwandlungsbeträge oberhalb von 4,0 Prozent der Beitragsbemessungsgrenze (BBG) West in der Rentenversicherung zu zahlen, auch nicht für Bruttoeinkommensteile oberhalb der BBG, da für diese Teile keine SV-Pflicht besteht. „Generell besteht für alle Entgeltumwandlungen, durch die der AG keine SV-Beiträge einspart, keine Zuschusspflicht“, ergänzt Ulbrich.
Für Entgeltumwandlungen mit pauschal versteuerten Verträgen nach Paragraf 40b EStG (alte Fassung) bestehe dagegen die Pflicht zum AG-Zuschuss, sofern die geförderte Obergrenze nicht überschritten werde. Für eingesparte Beiträge aus einer Umlagefinanzierung, etwa bei der gesetzlichen Unfallversicherung, müsse kein AG-Zuschuss gezahlt werden, da sich aus der Umlage keine individuelle Einsparung von SV-Beiträgen bemessen lässt, sagt Ulbrich mit Verweis auf eine Entscheidung des zuständigen GKV-Spitzenverbandes vom 21. November 2018. Darin sei auch entschieden worden, dass es nicht auf eine jährliche Betrachtung ankomme, sondern eine monatliche Abrechnung vorzunehmen sei.
Offen: Anrechnung des bisherigen AG-Zuschusses
Viele Fragen zum AG-Zuschuss seien aber noch nicht geklärt und müssten letztlich durch die Rechtsprechung beantwortet werden. Viele Arbeitgeber fragen sich, ob ihre bisherigen Beiträge zur bAV auf den neuen 15 Prozent-Zuschuss angerechnet werden können. Dazu besteht keine gesetzliche Regelung. „Gute Gründe sprechen für eine Anrechnung der AG-Beiträge, wenn sie einen inneren Bezug zur Weitergabe der SV-Ersparnis haben“, sagt Ulbrich. Beispiel: Der Bezug wird ausdrücklich erwähnt oder durch Auslegung der Zusage ermittelt, insbesondere bei Matching-Modellen, wo der AG die EU des AN bisher schon mit einem Zuschuss aufstockt.
Zudem müssen die bereits in der Vergangenheit gezahlten AG-Beiträge in einen versicherungsförmigen Durchführungsweg geflossen sein, um anrechenbar zu sein, also in eine Direktversicherung, Pensionskasse oder einen Pensionsfonds. Gebe es den inneren Bezug nicht oder der AG-Zuschuss erfolgt über eine U-Kasse oder Direktzusage, müsse der AG nun neben seinem bisherigen Zuschuss den neuen 15-Prozent-Zuschuss gesondert gewähren, so Ulbrich.
Offen: Wenn der Zuschuss in bisheriger Zusage nicht klappt
„Der neue AG-Zuschuss muss in der Regel in der bisherigen Zusage umgesetzt werden“, berichtet der Arbeitsrechtler. Somit sind für den Zuschuss grundsätzlich Durchführungsweg, Versorgungsträger und bestehender Versicherungsvertrag der Entgeltumwandlung zu verwenden, sofern diese auch Bestandteil der bisherigen Zusage sind (Regelfall). Zulässig sei auch ein neuer Vertrag für den Zuschuss mit gleichem Inhalt beim selben Versorgungsträger.
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Wenn die Umsetzung in der bisherigen Zusage nicht möglich ist, gibt es laut Ulbrich zwei Möglichkeiten:
AG-Zuschuss und Mindestlohn
Grundsätzlich sei eine Anrechnung von Leistungen auf den Mindestlohn nicht möglich, wenn es sich dabei um Leistungen handelt, die ohne Rücksicht auf eine tatsächliche Arbeitsleistung des Arbeitnehmers zu erbringen sind oder die einer besonderen gesetzlichen Zweckbestimmung unterliegen, entschied das Bundearbeitsgericht (BAG) mit Urteil vom 25. Mai 2016 (Az.: 5 AZR 135/16). Das treffe hier zu. „Deswegen kann der Zuschuss nicht auf den Mindestlohn angerechnet werden“, betont Ulbrich.
Sollte der Arbeitgeber seine SV-Ersparnis „spitz“ oder „pauschal“ abrechnen? „Beides ist zulässig“, sagt Ulbrich und verweist auf die Klarstellung des BMAS im BMF-Schreiben vom 6. Dezember 2017, Randziffer 26. „Spitz“ bedeutet: Die SV- Ersparnis wird für jeden Mitarbeiter Monat für Monat genau errechnet, was mit Nachteilen verbunden ist, etwa hoher Verwaltungsaufwand und Problemen bei schwankender SV-Ersparnis. Daher sei es in der Regel besser, „pauschal“ 15 Prozent des umgewandelten Betrages zu zahlen, unabhängig von der konkreten Einsparung an SV-Beitrag.
Maklerpflichten beim AG-Zuschuss
Grundsätzlich gelten im Zusammenhang mit dem AG-Zuschuss die allgemeinen Prinzipien für versicherungsförmige Durchführungswege in der bAV. Im Verhältnis zum Arbeitgeber ist der Versicherer aus der Beratungs- und Dokumentationspflicht raus, wenn vom AG ein Makler eingeschaltet ist (Paragraf 6 Absatz 6 VVG). Die Pflichten des Maklers gelten dabei für von ihm vermittelte laufende Verträge – ohne Neuvermittlung, so Ulbrich.
Eine Beratungspflicht zum neuen AG-Zuschuss bestehe nur, wenn dies aus dem Maklervertrag ableitbar ist, etwa bei vereinbarter dauerhafter Betreuung. Für von ihm vermittelte Neuverträge zur Umsetzung des AG-Zuschusses gelten für den Makler die allgemeinen Beratungs- und Dokumentationspflichten (gemäß Paragraf 60 ff. VVG). „Dazu wird in der Regel auch die Beratung zu den Möglichkeiten und Grenzen des AG-Zuschusses gehören“, meint Ulbrich.
Maklerpflichten gegenüber dem AN
Anders bei den Makler-Pflichten im Verhältnis zum Arbeitnehmer: Da leiten sich prinzipiell keine unmittelbaren Pflichten aus dem VVG ab, was jedoch strittig gesehen werden könne. Der Arbeitgeber habe prinzipiell ebenfalls keine Beratungspflicht gegenüber dem Arbeitnehmer. Hinweis- und Informationspflichten könnten sich jedoch nach den „Umständen des Einzelfalls und einer umfassenden Interessenabwägung“ ergeben, entschied das BAG am 18. Februar 2020 (Az.: 3 AZR 206/18).
Zum Schluss erwähnte Ulbrich einen Sonderfall, der „in der Praxis häufig vorkommt“: Übernimmt ein Makler vom Arbeitgeber die arbeitsrechtlichen Informationspflichten des Arbeitnehmers, bestimmt sich sein Pflichtenumfang gegenüber dem AG ebenfalls nach den arbeitsrechtlichen Informationspflichten.
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