Bestandskündigungen: AfW wähnt Rechtsverstöße bei Versicherern
Handeln Versicherungsunternehmen rechtswidrig, wenn sie den gesamten Vertragsbestand – oder einen großen Teil davon – in einer Sparte auf einmal kündigen? Der Bundesverband Finanzdienstleistung AfW sagt „ja“. Ein jüngst erstelltes Rechtsgutachten im Auftrag des Vermittlerverbands untermauert dies. Erstellt wurde es vom Juristen Prof. Dr. Hans-Peter Schwintowski von Humboldt-Universität Berlin. Darin heißt es:
Die flächendeckende Auflösung von Versicherungsbeständen – oder großer Teile der Bestände - mittels kollektiver Kündigungen verstößt gegen grundlegende Rechtsprinzipien, wie das Schädigungsverbot (§ 226 BGB) und die Grundsätze von Treu und Glauben (§ 242 BGB). Derartige Maßnahmen stellen einen Missbrauch des Kündigungsrechts dar und sind rechtlich unzulässig. Durch die kollektiven Kündigungen verlieren auch Kunden mit schadenfreien Verträgen ihren Versicherungsschutz.
Spezielle Probleme für Immobilienbesitzer
Speziell in der Wohngebäudeversicherung kann dieses Vorgehen für zahlreiche Kunden zu Problemen führen, meint Wirth. Denn viele Banken verlangen für die Vergabe von Immobilienkrediten eine bestehende Wohngebäudeversicherung für das Objekt. „Wenn Banken aufgrund fehlenden Versicherungsschutzes zusätzliche Sicherheiten verlangen oder sogar bestehende Kredite gefährden, entsteht für Immobilienbesitzer eine existenzbedrohende Situation. Dies unterstreicht, wie unverantwortlich es ist, durch kollektive Kündigungen den Versicherungsschutz ohne sachlichen Grund zu entziehen“, ordnet der AfW-Vorstand ein.
Run-off statt Kündigung?
Auch für Makler sei die Situation „katastrophal“. Sie müssten ihren Kunden nun erklären, warum ihre Verträge trotz Schadenfreiheit und ohne sachlichen Grund gekündigt werden, kritisiert der Vermittlerverband in einer Pressemitteilung. Dies würde Aufwand und Kosten mit sich bringen und die Umdeckung sei nicht immer erfolgreich.
Der AfW und Schwintowski sehen nun sogar die BaFin in der Pflicht, bei solchen Kollektivkündigungen einzuschreiten. Dies begründen sie mit § 13 VAG. Diese Rechtsnorm regelt eigentlich Bestandsübertragungen, also zum Beispiel externe Run-offs, bei denen ganze Vertragsbestände von einem Versicherer an den anderen verkauft werden. Laut Schwintowski seien die beschriebenen Massenkündigungen ein klarer Verstoß gegen diese Vorgaben. Due Aufsicht müsse nun Maßnahmen ergreifen, um diese zu beheben. Ob es dazu kommt und Versicherer ihre Kündigungen zurückziehen oder gar ihre Bestände verkaufen statt zu kündigen, wird procontra weiterverfolgen.