BU-Serie (I): Warum es eine gute Teilzeitklausel braucht
Kürzlich hat die Condor Lebensversicherung mit einem Novum in der Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) aufgewartet, der Teilzeitklausel. Dies erleichtert auch Teilzeitbeschäftigten, im BU-Fall volle Leistung zu bekommen (procontra berichtete). Makler Guido Lehberg zählt das Produkt zur absoluten Spitze im Markt (procontra berichtete).
„Die neue Klausel erhöht nicht nur die Sicherheit, die vertraglich zugesagte BU-Leistung zu bekommen, sondern bietet Vermittlern auch neue Beratungsansätze“, sagt Versicherungsmakler Bert Heidekamp, zugleich Analyst sowie erster vom Bundesverband Deutscher Sachverständiger und Fachgutachter (BDSF) geprüfter und zertifizierter Sachverständiger (DIN EN ISO/IEC 17024) für Berufsunfähigkeits-, Unfall- und Pflegeversicherungen. Er ist auch Inhaber der Online-Plattform fairtest.de, die Versicherungsbedingungen analysiert und bewertet.
Zum Hintergrund: Heidekamp hat über diese Plattform maßgeblich an der neuen Condor-Teilzeitklausel mitgewirkt. „Die neue Klausel ist im Rahmen einer Produktberatung von fairtest.de in Berlin entstanden“, bestätigt Christian Dulitz, Produktmanager der Condor Lebensversicherung. Fairtest.de bewerte BU-Bedingungen in einem wirklich sehr tiefgehenden Detaillierungsgrad. „Hier stößt man auf Dinge, die man sonst vielleicht nicht sofort sieht – in diesem Falle die größte Krankheit der BU: die Teilzeitfalle“, so Dulitz weiter.
Evolution für BU-Leistungsprüfung
Die Teilzeitklausel weitet den Versicherungsschutz im Kern aus. „Es geht also nicht nur um ein neues Tarif-Feature , sondern um höhere Rechtssicherheit in der BU-Definition und Leistungsprüfung“, betont Heidekamp. Grund: Reduziert der Kunde seine Arbeitszeit, bleibt für die BU-Beurteilung trotzdem die höchste vertraglich oder gesetzlich fixierte Arbeitszeit maßgebend.
Bei anderen Anbietern müsste er als Teilzeitbeschäftigter einen viel höheren BU-Grad nachweisen (etwa 80 Prozent statt 50 Prozent bei Vollzeitarbeit). Mit anderen Worten: Man müsste zum Teil noch kranker sein (weniger als zwei Stunden pro Tag arbeitsfähig) als für eine private Erwerbsunfähigkeitsrente (weniger als drei Stunden pro Tag arbeitsfähig).
„Das ist am Markt bisher einmalig und sehr gut“, betont Professor Hans-Peter Schwintowski, Humboldt-Universität zu Berlin. Der Experte für Privatversicherungsrecht hat sich über viele Jahre intensiv mit Transparenz und Ratings von Versicherungsprodukten beschäftigt. „Es reicht einmalig ein Monat einer Vollzeitbeschäftigung aus, um unbefristet den BU-Schutz einer Vollzeittätigkeit auch bei späterer Teilzeitarbeit zu bekommen“, ergänzt BU-Sachverständiger Heidekamp.
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Warum Hinweis auf Klausel in Neugeschäft und Bestand zählt
Für den Vermittler bedeutet es, sich mit dem Inhalt der Klausel zu befassen und in der Beratung zumindest darauf hinzuweisen. „Wer aus Bequemlichkeit oder wegen alter Verbindungen andere Tarife ohne Berücksichtigung der Teilzeitklausel vermittelt, könnte in eine Haftungsfalle tappen, wenn davon auszugehen ist, dass auch bei einem Versicherer mit Teilzeitklausel der Vertrag angenommen worden wäre“, sagt Heidekamp.
Gleiches gilt aber auch in der Betreuung von Bestandsverträgen. Je nach Zielgruppe, zu der auch Schüler, Studenten, Berufsanfänger, Selbstständige, Hausfrauen, Angestellte und sogar Beamte zählen, sollte Wert auf den Hinweis bestehender Deckungslücken in Policen ohne Teilzeitklausel gelegt und dies dokumentiert werden. „Man weiß nie, wie sich die berufliche Laufbahn der Kunden ändert“, sagt Heidekamp mit Verweis auf steigende Teilzeitquoten. Es gibt viele Ursachen für kürzere Arbeitszeiten, etwa Kindererziehung, Pflege eines Angehörigen, der Wunsch nach mehr Freizeit oder fehlende Vollzeitstellen.
Aktuell hat die AachenMünchener einen BU-Leistungsfall laut dem Magazin "WISO" nicht anerkannt, obwohl der Kunde zu 100 Prozent erwerbsunfähig ist und in Vollzeit tätig war. „Das zeigt, wie schwer es bei ungenügenden Definitionen in den Bedingungen ist, BU-Leistung zu bekommen“, warnt Heidekamp. Dem Kunden hätte es geholfen, wenn der BU-Versicherer in seinen Bedingungen auch den Bescheid über eine volle unbefristete Erwerbsunfähigkeit anerkannt hätte, was laut Heidekamp erst in neueren Tarifen zu finden ist.
Condor bekennt sich zur Teilzeitklausel
Condor setzt nach Einschätzung des BU-Sachverständigen einen neuen Meilenstein in den BU-Bedingungen. Dies sei der Württembergischen mit Einführung ihrer Teilzeitklausel einen Monat vor der Condor nicht in dem Maße gelungen, so Heidekamp. Bei der Württembergischen gilt der Maßstab für volle BU-Leistung bei reduzierter Arbeitszeit nur für 12 Monate und ausdrücklich nur bei Teilzeit. Nicht jede Reduzierung der Arbeitszeit gilt aber als Teilzeit unter 32 Wochenstunden (gemäß Paragraf 2 Teilzeit- und Befristungsgesetz). „Sinnvoller wäre da sicherlich die unbegrenzte Anwendung wie bei der Condor“, findet Heidekamp.
Generell wäre vielleicht auch der Begriff „Arbeitszeitklausel“ besser , um sich von der gesetzlichen Teilzeit-Definition abzugrenzen. Bei der Condor handelt sich um eine reine Arbeitszeitbetrachtung „und nicht um die eventuell damit verbundene wirtschaftliche und soziale Lebensstellung“, so Heidekamp. Es geht darum, ob durch Unfall, Krankheit oder Kräfteverfall der Versicherte nicht mehr als 50 Prozent in seiner höchstens jemals erreichten Arbeitszeit tätig sein kann.
Fazit für Heidekamp: Nachdem Condor bereits 1999 als erster Anbieter am Markt BU-Leistung bei mehr als sechs Monaten andauernder Arbeitsunfähigkeit (AU-Klausel) zugesagt hatte und damit einen Meilenstein bei den BU-Bedingungen setzte (procontra berichtete), bringt die Teilzeitklausel nun für den wachsenden Markt der Teilzeitbeschäftigten den Ausweg aus der größten BU-Falle und damit eine faire und gerechte BU-Leistungsprüfung. „Ich rechne damit, dass die Klausel in Ratings bald als Kriterium aufgenommen und damit auch von anderen Gesellschaften vereinbart wird, denn sie bietet echten Mehrwert“, sagt der Analyst.
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