BU umgedeckt, DU vergessen – Mehrfachvertreter und Versicherer müssen haften

Ein Vermittler hatte einen Feuerwehrmann zur Umdeckung seiner BU- und DU-Police überredet. Erst als dieser dienstunfähig wurde, bemerkte er, dass er nur noch gegen Berufsunfähigkeit versichert war. Vor Gericht ging es unter anderem um die Quasideckung aus seiner DU.

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14:09 Uhr | 08. September | 2022
Bild: Matic Grmek

Erst als ein Feuerwehrmann nicht mehr arbeiten konnte bemerkte er, dass der Mehrfachvertreter nur seine Berufsunfähigkeitsversicherung umgedeckt hatte, nicht aber seine Dienstunfähigkeitsversicherung. Bild: Matic Grmek

Ein verbeamteter Berufsfeuerwehrmann verfügte bereits seit einiger Zeit sowohl über eine Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) als auch eine Dienstunfähigkeitsversicherung (DU). 2016 ergab sich dann die Beratung durch einen Mehrfachvertreter, der ihm zu einer Umdeckung seiner Policen riet. In der Folge wurden beide Verträge gekündigt, beim neuen Versicherer aber nur eine BU und keine DU abgeschlossen. Jahre später ordnete der Dienstherr des Feuerwehrmannes zu dessen Leidwesen eine Dienstunfähigkeit für ihn an. Zwar wurde sein Antrag auf Berufsunfähigkeit vom neuen Versicherer abgelehnt, aus seiner früheren DU hätte er in diesem Falle aber eine monatliche DU-Rente von 531,80 Euro erhalten. Als er herausfand, dass er mittlerweile über keinen DU-Schutz mehr verfügte, zog der Feuerwehrmann vor Gericht.

Dort erklärte er glaubhaft, dass es ihm bei der Umdeckung zwar um eine Kostenersparnis gegangen sei. Gleichzeitig habe er aber unter keinen Umständen eine Verschlechterung seines Versicherungsschutzes in Kauf nehmen wollen. Das hab er dem beklagten Vertreter erklärt und in der Folge darauf vertraut, dass die neu abgeschlossene Versicherung zugleich auch eine Dienstunfähigkeit umfasse. Er forderte deshalb aufgrund der Quasideckung die Zahlung der DU-Rente, die er aufgrund seines Versicherungsbedarfs eigentlich aus der gekündigten Police erhalten hätte.

Der Versicherer hatte dem nur entgegenzusetzen, dass man sich mit dem Feuerwehrmann erst in der Auswahlphase und noch nicht in der konkreten Anbahnungsphase der Beratung befunden habe. Der für ihn tätige Mehrfachagent sei deshalb von jedwedem Beratungsverschulden freizusprechen.

Vermittlerpflichten bei der Umdeckung

Das sahen die Richter am Erfurter Landgericht völlig anders (Urteil vom 17.03.2022; Az.: 8 O 860/20). Vielmehr sei dem Vertreter „ein gravierendes Beratungsverschulden vorzuwerfen“. Dies müsse sich durch das Vertreterverhältnis der Versicherer zu Eigen machen lassen, so dass eine gesamtschuldnerische Haftung eintrete. Zwar liege die Beweislast für eine fehlerhafte Beratung grundsätzlich beim Versicherungsnehmer. Im Falle einer Umdeckung habe aber der Berater darauf zu achten, dass sein Kunde in der Regel keine Verschlechterung des Versicherungsschutzes in Kauf nehmen wolle, sondern einen gleichwertigen oder besseren Schutz zu einem günstigeren Preis anstrebe. Am konkreten Beispiel einer existenziell wichtigen DU-Police für einen Feuerwehrmann sei das die Maßgabe, nach der beraten werden müsse. Vor diesem Hintergrund werde die Beweiserbringung für den Versicherungsnehmer erleichtert.

Aus der vorliegenden Beratungsdokumentation sei nicht herauszulesen, dass der Vermittler dem Feuerwehrmann eine DU angeboten hatte, deren Neuabschluss dieser wiederum abgelehnt hätte. Dem Berater hätten sogar alle bisherigen Verträge vorgelegen, so dass er auf jeden Fall darauf hätte kommen müssen, eine DU anzubieten. Tatsächlich wäre aus handschriftlichen Vermerken des Vermittlers auf den Beratungsunterlagen sogar herauszulesen, dass dieser für den Feuerwehrmann und dessen Ehefrau eine „BU/DU“ im Sinn hatte. Im Zuge seiner Anhörung habe der Vertreter sogar eingeräumt, dass über die Unterschiede zwischen einer Berufsunfähigkeit und Dienstunfähigkeit gesprochen wurde, heißt es im Urteilstext.

In falscher Sicherheit gewogen

Vor diesem Hintergrund erkannte das Gericht den Punkt der Beweislastumkehr. Der Versicherer und sein Vertreter hätten beweisen müssen, warum die DU nicht angeboten beziehungsweise abgeschlossen wurde. Diesen Beweis konnten beide nicht erbringen. Darüber hinaus habe man sich bereits in einer konkreten Anbahnungsphase und nicht mehr nur in einer Auswahlphase befunden, da sich das Interesse und die Beratung im Zuge mehrerer Treffen bereits auf die Angebote eines Versicherers fokussiert hätten. Es sei bei dem Feuerwehrmann auch nicht von grob fahrlässiger Unkenntnis der von ihm neu abgeschlossenen Policen auszugehen. Denn aufgrund der Bekundungen des Vermittlers habe er sich in Sicherheit gewogen.

Somit urteilte das Gericht, dass der Mehrfachagent und in der Folge der Versicherer dem Feuerwehrmann auf Basis der Quasideckung seiner früheren DU-Police 531,80 Euro monatlich bis zu deren damaligem Vertragsende (30.04.2036) bezahlen müssen.