ESG-Abfragepflicht: Regierung kalkuliert mit „unrealistischem“ Erfüllungsaufwand
Die ESG-Abfragepflicht soll ab kommendem Jahr auch für Finanzanlagenvermittler sowie Honorar-Finanzanlagenvermittler gelten. Eine entsprechende Änderung der Finanzanlagenvermittlungsverordnung hatte vor einigen Wochen das Bundeswirtschaftsministerium angekündigt. Bis zum 30. November können Verbände noch zu diesem noch nicht innerhalb der Bundesregierung abgestimmten Entwurf Stellung nehmen.
Der Votum-Verband hat von dieser Möglichkeit nun Gebrauch gemacht. Grundsätzlich begrüßt der Verband das Vorhaben, mit dem im Hinblick auf die Abfragepflicht von Nachhaltigkeitspräferenzen nicht mehr zwischen 34d- und 34f-Vermittlern differenziert wird.
Klare Aufgabentrennung
Damit Anlagevermittler ihre Kunden aber auch entsprechend beraten können, sind sie darauf angewiesen, „dass die verantwortlichen Kapitalverwaltungsgesellschaften und Vermögensanlagenanbieter die Nachhaltigkeitsmerkmale ihrer Kapitalanlageprodukte zutreffend beschreiben und insbesondere den Nachhaltigkeitsanteil korrekt bestimmen. Es kann nicht die Aufgabe der Berater sein, die Angaben der Produktanbieter auf Richtigkeit zu überprüfen“, stellte Votum-Vorstand Martin Klein klar.
Klein befürchtet, dass Vermittler für falsche Angaben seitens der Produktanbieter verantwortlich gemacht werden könnten – beispielsweise, wenn sie diese nicht auf ihre Plausabilität hin untersucht haben. Diese Prüfpflicht sieht Klein indes nicht bei den Vermittlern. „Eine Zulassung von Verkaufsprospekten zum Vertrieb muss auch für die Vermittler mit der Sicherheit verbundenen werden, dass sie diese im Vertrieb nutzen können, ohne Haftungsrisiken zu befürchten. Für die Prospektaussagen müssen daher konsequent allein die Prospektverantwortlichen haften“, so Klein.
Erfüllungsaufwand wird deutlich unterschätzt
Zudem bemängelt der Votum-Vorstand, dass der Erfüllungsaufwand für Vermittler vom Ministerium deutlich unterschätzt werde. Im vom Wirtschaftsministerium veröffentlichten Verordnungsentwurf beziffert das Ministerium den durchschnittlichen zeitlichen Aufwand für die Abfrage und Zusammenstellung von Informationen über die Nachhaltigkeitspräferenzen der Kunden auf sechs Minuten je Fall.
Diese Einschätzung ist aus Sicht des Votum-Verbands vollkommen unrealistisch. „Tatsächlich ist pro Beratungsfall von einem Vielfachen des hier angesetzten Zeitaufwandes auszugehen“, so Klein. Untersuchungen des Verbands deuteten darauf hin, dass der zeitliche Erfüllungsaufwand vielmehr zehnmal so hoch liege. Man könnte auch bei einer Stunde sagen.
Dass die Bundesregierung hier boshaft agiert, will Klein nicht glauben, stichelt aber: "Es besteht zu hoffen, dass diese gänzlich unrealistische Aufwandsbeurteilung nur auf Unwissenheit beruht und nicht auf der generellen Haltung, dass eine Anlageberatung als minderqualifizierte Dienstleistung abgetan wird.“