Impfschäden: Dürfen Makler mit der Absicherung werben?

Handeln Vermittler gesetzwidrig, wenn sie die private Unfallversicherung als Schutz gegen Corona-Impfschäden bewerben? Wir fragten Peter Breun-Goerke, Syndikusrechtsanwalt der Wettbewerbszentrale.

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13:04 Uhr | 19. April | 2021
Das Risiko von Impfschäden ist in Deutschland unter anderem wegen Astrazeneca in aller Munde. Manche Unfallversicherungen decken die finanziellen Folgen der sehr seltenen schweren Nebenwirkungen ab. Aber dürfen Vermittler mit dieser Leistung überhaupt wer

Das Risiko von Impfschäden ist in Deutschland unter anderem wegen Astrazeneca in aller Munde. Manche Unfallversicherungen decken die finanziellen Folgen der sehr seltenen schweren Nebenwirkungen ab. Aber dürfen Vermittler mit dieser Leistung überhaupt werben? Bild: Adobe Stock/Konstantin Yuganov

Der Corona-Impfstoff von Astrazeneca wird hierzulande nur noch Personen ab 60 Jahren verabreicht. Seit Kurzem wird nun auch das Vakzin des US-Herstellers Johnson & Johnson auf ein erhöhtes Blutgerinnselrisiko untersucht. Dabei geht es vor allem um die gefährliche Sinusvenenthrombose im Gehirn. Zwar ist diese bislang nur sehr selten aufgetreten (55 bekannte Fälle bei vier Millionen Astrazeneca-Impfungen und sechs Fälle bei sieben Millionen Johnson & Johnson-Impfungen in den USA). Jedoch hat dadurch die Sorge vor bleibenden körperlichen Schäden infolge von Corona-Schutzimpfungen zugenommen.

Tatsächlich decken einige Unfallversicherungen ganz konkret die finanziellen Folgen solcher Impfschäden ab. Und auch vor dem Hintergrund der Beratungshaftung sollten Vermittler das Thema gegenüber ihren Kunden ansprechen. Aber dürfen sie auch für den Versicherungsschutz gegen Impfschäden werben?

Versicherer bedauern Werbung ihrer Vertreter

Im Stuttgarter Raum hatte dies kürzlich ein Vermittler getan. „Jetzt Impfschäden absichern“ stand einem Medienbericht zufolge auf Flugblättern, die er zahlreichen Verbrauchern in den Briefkasten gesteckt hatte. Von dieser Werbeaktion ihres Vertreters habe sich der zugehörige Versicherer distanziert. Von mehreren ähnlichen Fällen berichtete die ARD-Sendung „plusminus“ dieser Tage. Dabei seien Überschriften wie „Absicherung von Impfschäden“ oder „Versicherungsschutz sogar bei Impfrisiken und Folgeschäden“ vor allem in den sozialen Netzwerken aufgetaucht.

Auch in diesen Fällen hätten die betroffenen Versicherer auf „plusminus“-Anfrage die Werbeanzeigen ihrer Vertreter bedauert und klargestellt, dass dies keine offiziellen Werbekampagnen der Konzerne seien. Aber handelt es sich bei der Werbung für Versicherungsschutz gegen Impfschäden nur um eine Geschmacksfrage oder agieren derart werbende Vermittler gesetzeswidrig?

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Die Regeln des Wettbewerbsrechts seien nicht dazu geschaffen, bei Werbung Fragen des guten Geschmacks zu klären, meinte dazu heute Peter Breun-Goerke, Syndikusrechtsanwalt der Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs (Wettbewerbszentrale) auf procontra-Nachfrage. Er verwies auf die BGH-Urteile zur Werbung der Firma Benetton. Trotz der als anstößig empfundenen Werbung des Klamottenherstellers mit zum Beispiel HIV-Infizierten oder ölverschmierten Enten seien die Kampagnen des Bekleidungsherstellers aus juristischer Sicht hinzunehmen gewesen.

Vor der Reform des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) im Jahr 2015 hätten die heutigen Impfschäden-Anzeigen von Vermittlern durchaus als unzulässig bewertet werden können, da es sich dabei um Werbung mit der Angst der Menschen handeln könnte, so Breun-Goerke. Heute würde der zuständige § 4a UWG aggressive geschäftliche Handlungen verbieten, die die Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers erheblich beeinträchtigen würden. Zum Zeitpunkt des Erhalts der Werbung sei der Verbraucher aber noch nicht beeinträchtigt und insoweit auch nicht besonders schutzwürdig.

Grenze wird nur selten überschritten

„Aus Sicht der Wettbewerbszentrale muss es bei der Bewerbung von Risikoversicherungen natürlich möglich sein, das versicherte Risiko aufzuzeigen und zu beschreiben. Der Verbraucher soll ja gerade im Fall, dass ein entsprechendes Ereignis eintritt, versichert sein“, sagte Breun-Goerke. Unabhängig von der Geschmacksfrage und der richtigen Wortwahl sei das Werben für die Absicherung von Impfschäden also rechtlich zulässig.

Überschritten wäre die gesetzliche Grenze nur in eher unrealistischen Szenarien. Breun-Goerke beschreibt: „Wenn ein Versicherer in einem Werbeschreiben gegenüber Kindern den Abschluss einer Unfallversicherung bewirbt mit dem Hinweis darauf, dass jedes Jahr zwei Millionen Kinder verunfallen und die Kinder aufgefordert werden, ihre Eltern auf das Erfordernis des Abschlusses einer Unfallversicherung hinzuweisen. In einem solchen Fall sind aus Sicht der Wettbewerbszentrale die Grenzen überschritten und die Werbung als aggressive Geschäftspraxis unzulässig.“

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