Honorar-Factoring: Was die Factura-Insolvenz für den Markt bedeutet
Versicherungsmakler dürfen Nebenleistungen und Services gegen Honorar anbieten, sofern gegenüber dem Kunden offenlegt wird, was der Berater an Vergütungen von Produktgebern erhält und er den Mehrwert für seinen kostenpflichtigen Service benennt.
Im Trend liegen dabei Dienste, die nur ein versierter Berater liefern kann, etwa Hilfe beim Risikomanagement, bei der Analyse bestehender Versorgungsansprüche, der Dokumentation und Wertermittlung von Gebäuden, Wertsachen und Geschäftsinhalt oder der Klärung des Sozialversicherungs-Status seines Kunden.
„Für die Abrechnung der Honorare und Services sollte der Makler einen Zahlungsdienstleister einschalten“, rät Peter Süßengut, Inhaber von Süßengut Consulting in Leipzig, einer digitalen Unternehmensberatung für Versicherungsvermittler. Im Markt der Dienstleister sind neben Maklerpools wie Fonds Finanz und Maxpool, die die Verbreitung von Servicegebühren unterstützen, auch einige Spezialisten am Werk. Darunter sind Nischenanbieter, die sich zum Beispiel auf das Rechnungswesen konzentrieren.
Insolvenz der Rhein-Main-Factoring
Einer dieser Dienstleister, der sich auf Rechnungsstellung (Fakturierung), Inkasso und Factoring spezialisiert hat, ist jetzt pleite. Die Rhein-Main-Factoring AG in Würzburg muss Insolvenz anmelden. Leidtragende ist zugleich die Mutter Factura AG, die bis Ende 2018 als Deutsche Verrechnungsstelle für Versicherungs- und Finanzdienstleistungen (DVVF) firmierte, bekannt als Pionier bei der Einführung von Servicepauschalen und Dienstleister für die Abwicklung von Honorarforderungen.
Das hat erhebliche Folgen für den Markt. Erst vor einem Jahr hatte der Honorarberatungs-Dienstleister Con.fee AG der Factura die Abrechnung von Honoraren, die damit verbundene Fakturierung, den Lastschrifteinzug, die Zahlungseingangsüberwachung sowie das Debitorenmanagement für alle an die Con.fee angeschlossenen Berater übertragen.
Die Schieflage der Factura kommt nach eigenen Angaben nicht aus dem operativen Bereich, sondern sei durch die „Insolvenz unserer Tochter Rhein-Main-Factoring AG bedingt, die die Mutter mitreißt“, erklärte Factura-Vorstand Michael A. Hillenbrand dem „versicherungstip“. Hintergrund ist offenbar, dass die Banken Corona-bedingt viel restriktiver Kredite vergeben. Factoring-Institute benötigen zum Ankauf von Forderungen Refinanzierungsmittel. Die sind heute nicht mehr so leicht zu bekommen wie vor zwei oder drei Jahren.
Harter Schlag für das Honorar-Factoring
Jahrelange Aufbauarbeit im Bereich der Servicepauschalen und des Honorar-Factorings sind in Gefahr. Dabei hatte Rhein-Main-Factoring wohl ein erfolgreiches Geschäftsmodell. „Obwohl das Unternehmen Gewinne macht und keine Zahlungsunfähigkeit vorliegt, muss aufgrund der sogenannten negativen Fortführungsprognose der Geschäftsbetrieb eingestellt werden, weil die Banken die Kreditlinien nicht weiter verlängern werden“, so Hillenbrand einem Medienbericht zufolge. Das führe dazu, dass auch die Factura Insolvenz anmelden muss.
Die Redaktion procontra hakte bei Hillenbrand zu Einzelheiten der Insolvenz, zum Ende des Geschäftsbetriebes und zur Zahl der betroffenen Berater nach, doch die Nachfragen blieben auch nach einer Woche ohne Antwort. „Betroffene Versicherungsmakler müssen keine Ausfälle befürchten, denn alle Gelder, die die Factura für die Makler eingezogen hat, liegen auf einem Anderkonto“, ließ sich der Factura-Chef in einem Pressebericht zitieren. Als Sondervermögen bestehe hier ein Aussonderungsrecht. Zudem seien alle Abrechnungen bis Ende März vorgenommen worden.
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Was Betroffene zu April-Forderungen wissen sollten
Allerdings gehe es mit den Forderungen an die Bestandskunden im April ja weiter. Da Factura kein Geld mehr einzieht und die Factoring-Tochter ebenfalls keine Dienstleistung mehr erbringt, müssten Makler aktiv werden. Das Unternehmen hat dazu dem Bericht zufolge einen „Insolvenz-Leitfaden“ erstellt, der hilft, die Kunden- und Rechnungsdaten zu exportieren. Trotz Nachfrage hat procontra diesen Leitfaden nicht erhalten.
„Die Fälligkeiten zum 1. April müssten Betroffene selbst bearbeiten", soll es darin heißen. Maklern wird geraten, sich vom Factura-Portal gemäß Leitfaden die Kunden-, Rechnungs- und Turnuslisten sowie Rechnungskopien zu ziehen, um weiterarbeiten zu können.
Con.fee muss sich nach einem neuen Dienstleister umsehen. Als neuen Partner empfiehlt die Firma ihren angeschlossenen Honorarberatern die digitale Honorarabwicklungsplattform Dipay, die von der IQ²strategies GmbH betrieben wird. „Wir haben uns von deren umfangreichen Leistungen überzeugen lassen“, lässt sich Con.fee-Vorstand Walter Hubel in einem Branchendienst zitieren.
Con.fee empfiehlt als Alternative nun Dipay
Dipay könne für Con.fee-Partner nicht dasselbe Schicksal wie Factura ereilen, sagen Handan Isik und Dirk Erfurth, Geschäftsführer von IQ²strategies, auf Nachfrage von procontra. Man sei selber kein Zahlungsdienstleister, sondern biete nur eine Payment- und Serviceplattform.
„Für die Zahlungsabwicklung haben wir über eine Plattform-Schnittstelle mit ‚Stripe‘ einen der weltweit größten Zahlungsdienstleister angebunden, der nun in die Bresche springen kann“, ergänzt Erfurth. Um den Risiken und Folgen des sehr unwahrscheinlichen Ausfalls von Stripe vorzubeugen, sei hervorzuheben, dass alle Verträge, Rechnungen und Kundendaten beim Makler in dessen eigenen Dipay-Plattform-Account verwaltet werden. „Wir könnten somit jederzeit und kurzfristig über die Plattform-Schnittstelle weitere Zahlungsdienstleister anbinden, ohne dass die Rechnungs- und Zahlungsabwicklung betroffen wäre“, so Erfurth weiter.
Für Vermittler, die zunächst nur das Abrechnungstool für automatisierte Rechnungsstellung und Onlinezahlung buchen möchten, gibt es ab Mai „Dipay Light“ als zusätzliche, kostengünstige Option, blickt Erfurth voraus. Dies sei auch für Factura-Partner interessant, denn damit könnten sie bestehende Verträge sofort einbinden und fortführen.
Bonität der Dienstleister im Blick behalten
Was auf die Factura-Insolvenzanmeldung folgt, bleibt abzuwarten. Im Zuge des möglichen Insolvenzverfahrens könnten die Daten für Makler früher oder später nicht mehr zugänglich sind. Die Suche nach einem neuen Abrechnungs-Dienstleister sollte jetzt Priorität haben. Dabei ist der Blick auch auf die Bonität wichtig.
Zum 1. April fällige Forderungen werden nicht wertlos, bloß weil noch keine Rechnung gestellt wurde. Zu nennenswertem Schaden für Makler sollte es damit also nicht kommen. Für die Abwicklung von Honorarforderungen generell im Markt ist die Factura-Insolvenz jedoch ein herber Rückschlag.
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