Baufinanzierung - bald geschenkt?!
Nie war es für Immobilienkäufer günstiger, sich ihren Traum vom Eigenheim zu finanzieren: Bestkonditionen für Darlehen mit zehnjähriger Zinsbindung sind unter die 0,5-Prozent-Marke gefallen und haben sich damit weiter Richtung Null bewegt. „Bei sehr guten Bonitäten sind bei sehr günstigen Anbietern sogar Darlehen zu Zinsen von rund 0,4 Prozent möglich“, erklärt Mirjam Mohr, Vorstand beim Baufinanzierungsvermittler Interhyp.
Banken kreieren Mindestzins
Das Gros der Angebote liege derzeit zwischen rund 0,5 und 1 Prozent. In der Vergangenheit lagen die Konditionen oft beim Vier- oder Fünffachen, berichtet Interhyp. Ein Ende der Traumkonditionen ist nicht in Sicht. Laut dem monatlich erhobenen Interhyp-Bauzins-Trendbarometer erwarten viele Experten, dass die Zinsen langfristig auf dem niedrigen Niveau verharren werden. Gleichzeitig hielten sie ein Abgleiten bis auf null für wenig wahrscheinlich. Nur vereinzelt würden noch leicht fallende Zinsen erwartet. Vielmehr etablieren viele Kreditinstitute derzeit positive Mindestzinsen.
Für Banken sind Nullzinsen in der Baufinanzierung ein heikles Thema. Wohl auch deshalb stand auf Anfrage bei einigen Banken niemand für ein Interview zu diesem Thema zur Verfügung. Ein Geldhaus, dass bis bei den Zinskonditionen auf null oder sogar in den negativen Bereich runter ginge, würde in einem ohnehin hart umkämpften Markt noch aggressiver auftreten. Undenkbar ist so ein Szenario allerdings nicht. In Dänemark gibt es negative Zinsen in der Baufinanzierung. Das funktioniert so: Ein Kunde nimmt zum Beispiel 200.000 Euro Schulden auf, zahlt aber nur 198.000 Euro zurück. Die Zinslast auf Tilgungen entfällt.
Geldgeschenke für Konsumenten
Im Bereich der Konsum-Finanzierung sind negative Zinsen bereits seit geraumer Zeit anzutreffen. So lockt zum Beispiel das Online-Kreditvergleichsportal Smava Kunden aktuell mit einem effektiven Jahreszins von minus 0,4 Prozent – mit „günstiger-geht-nicht-Garantie“. Und demnächst dürfte Check24 folgen. Das Vergleichsportal hat eine Banklizenz beantragt und sich gegenüber der Börsen-Zeitung bereits geäußert, in Zukunft „Produkte anzubieten, die der Markt nicht bereitstellt“. Und weiter: „Das können zum Beispiel Kredite mit Negativzins sein.“ Check24 wolle zudem weiterhin die Angebote der Partnerbanken vermitteln. Bereits diese zwei Beispiele aus dem Konsum-Segment zeigen, das im Kreditgeschäft bisher völlig Abwegiges möglich ist.
Seite 1: Banken kreieren Mindestzins Seite 2: Refinanzierung zum Negativzins Seite 3: Gefahr der Übertreibung
Ob Negativzinsen in der Baufinanzierung Realität werden, bleibt abzuwarten. Die meisten der im Interhyp-Trendbarometer befragten Experten haben aktuell keine konkrete Aussage zum Thema Negativzins getroffen. Demnach schließen viele Banken Negativzinsen aus, nur vereinzelt wird dies grundsätzlich für denkbar gehalten, ohne konkrete Umsetzung. „Aus unseren Produktvergleichen unter mehr als 400 Instituten geht hervor, dass etliche Banken Mindestzinsen im positiven Bereich eingeführt haben. Insgesamt halten wir die Einführung von Negativzinsen derzeit nicht für wahrscheinlich“, erklärt Mohr. Ähnlich sieht das Max Herbst von der FMH-Finanzberatung: „Es ist möglich, dass die Bauzinsen bis auf null fallen, aber die Wahrscheinlichkeit negativ verzinster Immobilienkredite für die Masse ist minimal.“
Refinanzierung zum Negativzins
Glaubt man diesen Aussagen, gibt es angesichts der Entwicklungen auf dem Kapitalmarkt und der fallenden Renditen für Bundesanleihen bisher lediglich einzelne Überlegungen und Prüfungen zur grundsätzlichen Umsetzbarkeit von Negativzinsen. Einer Umsetzung stehe den Fachleuten zufolge auch die gesellschaftspolitische Relevanz entgegen: Negativzinsen auf Kredite und Sparanlagen widersprächen der Erfahrung und würden von Kunden gewissermaßen als verkehrte Welt empfunden.
Andererseits wären Minuszinsen in der Immobilienfinanzierung nicht unbedingt ein Verlustgeschäft für Banken. Das hängt mit der Möglichkeit der Refinanzierung über Pfandbriefe zusammen; einer Option neben der Refinanzierung über Kundeneinlage und der sonstigen Fremdkapitalaufnahme am Geld- und Kapitalmarkt. Um Gelder für Baufinanzierungen zu beschaffen, beleihen Banken ihre Immobilien, indem sie Pfandbriefe an Anleger ausgeben. Der Zins für Pfandbriefe mit Laufzeiten von sieben bis zehn Jahren ist ebenfalls in den Negativbereich gerauscht. Solange die Pfandbriefrendite niedriger ist als der Bauzins, verdient eine Bank Geld in der Immobilienfinanzierung.
Kleineres Übel Baufinanzierung
Hinzu kommt, dass negativ verzinste Immobilienkredite für Banken schlicht das kleinere Übel sein können. Parken sie Geld bei der Europäischen Zentralbank (EZB), zahlen sie neuerdings einen erhöhte Strafzinsen von 0,5 Prozent. „Der Druck wird größer“, sagt Herbst. „Die Banken wollen ihr Geld loswerden, weil die EZB ihnen zu teuer wird.“ Als eine Lösung böten sich große Baufinanzierungen an, die Banken selbst bei niedrigen Zinsen so gut wie ohne Risiko vergeben könnten.
Seite 1: Banken kreieren Mindestzins Seite 2: Refinanzierung zum Negativzins Seite 3: Gefahr der Übertreibung
Eine Ursache für die verrückte Zinssituation ist also in der Zinspolitik zu suchen, meint auch Interhyp. „Obwohl sowohl die EZB als auch die amerikanische Notenbank Fed die Geldpolitik gelockert haben, haben die jüngsten zinspolitischen Schritte aktuell noch nicht dazu geführt, die Konjunktur nachhaltig anzukurbeln“, sagt Mohr mit Blick auf das weltweit nachlassende Wirtschaftswachstum, geringe Inflation und die Handelskonflikte. Diese Unsicherheiten führten zu einer starken Nachfrage nach sicheren Anlagen wie deutschen Staatsanleihen. Dies wiederum lässt die Renditen bei den Staatsanleihen sinken, was sich neben der Zinspolitik auf die Entwicklung der Bauzinsen niederschlägt.
Gefahr der Übertreibung
Die extreme Zinssituation heißt eine ohnehin boomende Immobiliennachfrage weiter an. Immerhin liegt das Risiko einer Immobilienblase für Deutschland laut Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung bei 84 Prozent; Tendenz allerdings abnehmend. Auch deshalb rät Mohr zur Besonnenheit bei der Kreditaufnahme. „Der Zinssatz bleibt auch in Tagen wie diesen nur ein Baustein der Finanzierung. Das Fundament bildet vielmehr ein individuell passendes Objekt und eine auf den Kreditnehmer zugeschnittene und solide Finanzierungsstruktur.“ Sie empfiehlt einen möglichst hohen Eigenkapitaleinsatz und höheren Tilgungsraten von mindestens drei Prozent. Mohr: „Mit Blick auf die vielerorts hohen Immobilienpreise und gestiegenen Kreditsummen empfehlen wir zudem längere Zinsbindungen. Sie sichern die Zinsen für eine längere Zeit – und die Restschuld ist am Ende der Zinsbindung geringer.“
Die Gefahr es zu übertreiben, ist sehr real. Für den Kauf von Eigentumswohnungen und Häusern machen die Bundesbürger immer mehr Schulden. Innerhalb der letzten zehn Jahre ist das Volumen der Wohnimmobilienkredite um rund ein Viertel gestiegen, wie aus einer Antwort des Bundesfinanzministeriums auf eine Anfrage der Fraktion Bündnis90/Die Grünen hervorgeht. Demnach nahmen im vergangenen Jahr private Haushalte rund 995 Milliarden Euro zur Finanzierung von Wohnimmobilien auf. Nimmt man die Selbständigen und Einzelkaufleute dazu, steigt die Summe auf etwa 1,2 Billionen Euro. Zugleich nahm die Zahl der Käufe und Verkäufe auf dem Immobilienmarkt von 2008 bis 2016 um etwa 25 Prozent zu, der Umsatz mit Wohn- und Geschäftsimmobilien sogar um mehr als 80 Prozent. Die Grünen erkennen in diesen Zahlen eine deutliche Überhitzung des Marktes, vor allem weil Kaufpreise stärker stiegen als Mieten.
Unerfüllter Traum
Wohl auch vor diesem Hintergrund wünscht sich jeder zweite Mieter gerne in den eigenen vier Wänden zu leben, wie eine aktuelle Umfrage von Kantar-Emnid im Auftrag der Postbank ergab. Von den 30- bis 39-Jährigen hegten sogar 73 Prozent diesen Wunsch, von den 18- bis 29-Jährigen 69 Prozent. Zudem hielten drei von vier Deutschen die Immobilie für die ideale Form der Altersvorsorge. Die Umfrage ergab allerdings auch, dass vielen Mietern schlicht das Eigenkapital als Sicherheit fehlt, um überhaupt von einer Bank einen Kredit zu bekommen. Dann nützen auch die besten Finanzierungskonditionen nichts. „Auch, wenn die Zinsen für Immobilienkredite auf einem Rekordtief verharren, ist ein Großteil der Mieter nicht in der Lage, den finanziellen Grundstock für den Immobilienerwerb zu legen“, reüssiert Eva Grunwald, Finanzierungsexpertin bei dem Bonner Kreditinstitut. Damit bleibt der Traum vom Eigenheim für viele Menschen unerfüllt – Null- oder sogar Negativzinsen hin oder her.
Seite 1: Banken kreieren Mindestzins Seite 2: Refinanzierung zum Negativzins Seite 3: Gefahr der Übertreibung