Versicherungspflicht auf dem Prüfstand: Berlin checkt Putins Schatten-Tanker
Was Sie erfahren werden:
Warum die russische „Schattenflotte“ als Risiko für Umwelt und Sicherheit gilt.
Welche Maßnahmen deutsche Behörden gegen unterversicherte Schiffe ergreifen.
Welche rechtlichen Hürden die Durchsetzung der Kontrolle erschweren.
Seit Anfang Juli nehmen deutsche Behörden Tanker in der Ostsee stärker ins Visier und überprüfen deren Versicherungsschutz gegen Ölverschmutzungsschäden. Nach Auskunft des Bundesverkehrsministeriums betrifft das vor allem ostgehende Schiffe auf der Höhe von Fehmarn. Bereits Ende 2024 hatte sich eine Gruppe von Nord- und Ostsee-Anrainerstaaten auf eine stärkere Kontrolle von Schiffen verständigt, die der so genannten Schattenflotte Russlands zugerechnet werden.
Diese Flotte, die mehrere Hundert Schiffe umfassen soll, besteht vor allem aus älteren Öltankern, die in der Regel schlecht gewartet und unterversichert sind. Die Schiffe, mit denen Russland die westlichen Öl-Sanktionen umgehen will, werden außerdem oft von Unternehmen mit undurchsichtigen Eigentümerstrukturen betrieben und fahren unter verschiedenen (Billig-)Flaggen. Nicht zuletzt stehen sie auch unter Spionage- und Sabotageverdacht.
Gefahr einer Ölkatastrophe
Umweltverbände wie Greenpeace warnen schon seit längerem vor den Umweltrisiken, die von diesen Schiffen insbesondere auf der Hauptroute durch die Ostsee ausgehen. Die geringen Wassertiefen zwischen der dänischen Insel Bornholm und dem schwedischen Festland sowie im Seegebiet Kattegat nördlich von Kopenhagen tragen ohnehin schon zu einem erhöhten Unfallrisiko bei.
Experten schätzen, dass rund drei beladene Schattentanker pro Tag die Ostsee durchfahren. Dabei ist es schon öfter zu ernsthaften Zwischenfällen gekommen, so zum Beispiel im Januar 2025, als die „Eventin“ mit 100.000 Tonnen russischem Öl an Bord navigationsunfähig vor der deutschen Küste trieb. Weil viele dieser Tanker, wie erwähnt, unzureichend versichert sind, bleibt unklar, wer im Fall einer ernsthaften Havarie für die Kosten aufkommen würde.
In einer Einschätzung der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) heißt es dazu:
„Mit der Umwandlung von Schiffen in ,Schattentanker’ wurden Versicherungen gekündigt, die den internationalen Standards der International Group of P&I Clubs entsprachen, und durch neue Versicherungen ersetzt. Erstens ist zu befürchten, dass diese neuen Versicherungen finanziell nicht in der Lage wären, für einen in die Milliarden gehenden Schaden durch eine Ölkatastrophe aufzukommen.
Zweitens gibt es erhebliche Zweifel, ob diese – vielfach russischen – Versicherungen gewillt wären, eine Zahlung an ein Land oder in einem Land zu leisten, dass von der russischen Regierung als ,unfreundlich‘ eingeschätzt wird. Drittens sind wichtige russische Versicherungen bzw. der zentrale Rückversicherer Russian National Reinsurance Company (RNRC) in der EU und anderen Rechtsräumen sanktioniert und es ist unwahrscheinlich, dass eine Zahlung von einem solchen Unternehmen überhaupt akzeptiert werden könnte.“
Weiteres Puzzlestück
Mit den jetzt gestarteten Überprüfungen zum Versicherungsschutz setzt die Bundesregierung genau an dieser Schwachstelle an. „Mit der Abfrage des Versicherungsstatus durch die Verkehrszentralen fügen wir unserem Lagebild ein weiteres Puzzlestück hinzu“, sagt Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) dazu.
Die von den Verkehrszentralen eingeholten Unterlagen würden von der Dienststelle Schiffssicherheit geprüft. Auffälligkeiten aus den Rückmeldungen könnten zu einer europaweiten Beobachtung, Maßnahmen durch den Flaggenstaat und – bei Vorliegen weiterer Kriterien – zu einer Sanktionierung der Schiffe führen. Diese Schiffe dürfen dann keine EU-Häfen mehr anlaufen und auch keine Dienstleistungen mehr wie etwa Frachtverladung in Anspruch nehmen. Aktuell sind rund 340 Tanker mit solchen Hafenzugangssperren und Dienstleistungsverboten von der EU belegt.
Wirksamkeit der Kontrollen fraglich
Bleibt jedoch die Frage, welche Konsequenzen die überprüften Schiffsbetreiber zu erwarten haben, wenn sie die Auskunft über den Versicherungsschutz einfach verweigern. Denn ein Schiff in europäischen Gewässern zu stoppen, ist aus seerechtlichen Gründen kompliziert und nur sehr schwer möglich, wie procontra auf Nachfrage im Bundesverkehrsministerium erfuhr. Die Wirksamkeit der neuen Kontrollen muss sich also erst noch erweisen.