BU-Neuheiten: Leistungs-Plus oder Marketing-Gags?

Können wirklich fast alle Antragsteller eine BU abschließen und wie revolutionär sind Neuerungen wie Teilzeitklausel oder Berufsgruppenabkehr? Diese und andere Fragen beantwortete der spezialisierte BU-Makler Guido Lehberg im Interview.

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08:10 Uhr | 04. Oktober | 2019
Laut dem GDV könnten über 90 Prozent aller BU-Antragsteller eine Police abschließen. Der spezialisierte BU-Makler Guido Lehberg bezog dazu im Interview mit procontra Stellung.

Laut dem GDV könnten über 90 Prozent aller BU-Antragsteller eine Police abschließen. Der spezialisierte BU-Makler Guido Lehberg bezog dazu im Interview mit procontra Stellung. Bild: Guido Lehberg

procontra: Sie sind auch als ‚Der BU-Profi‘ bekannt. Welchen Stellenwert hat die Berufsunfähigkeitsversicherung innerhalb der Arbeitskraftabsicherung und sollte jeder eine solche abschließen?

Guido Lehberg: Diese Behauptung wird ja gerne aufgestellt. Von Versicherungsvermittlern, von den Medien und auch von Verbraucherschützern. Das schöne ist, dass in Deutschland niemand verhungern oder draußen im Kalten schlafen muss, der keine BU-Versicherung hat. Man stirbt also nicht ohne BU.

Die BU-Versicherung bietet allerdings einen Schutz des erreichten Status in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht. Nun sollte sich also jeder selbst einmal fragen: Habe ich einen schützenswerten Status oder bin gerade dabei einen zu erwerben, zum Beispiel durch Aus- oder Weiterbildung? Dann ist eine Berufsunfähigkeitsversicherung unbedingt sinnvoll. Habe ich keinen Status, den ich selbst für schützenswert halte und habe auch nicht vor das später zu ändern dann brauche ich nicht zwingend eine Berufsunfähigkeitsversicherung.

procontra: Laut GDV-Zahlen könnten über 90 Prozent aller BU-Antragsteller eine Police abschließen, drei Viertel von ihnen sogar ohne Beitragszuschläge oder Leistungsausschlüsse. Ist das die Realität?

Lehberg: Hier gibt es mehrere Realitäten. Gehe ich einmal davon aus, dass der GDV uns hier die echten Zahlen präsentiert, dann kann das auch damit zusammenhängen, dass bei der Vermittlung einer BU bewusst oder unbewusst nicht jeder gefahrenerhebliche Umstand angegeben wurde. Hierfür gibt es mehrere Gründe. Zum einen wissen Kunden teilweise nicht, was in ihrer Krankenakte steht. Fragen sie diese nicht an und geben in gutem Glauben im Antrag an, dass nie etwas gewesen ist haben wir hier schon den Umstand der Falschangabe.

Sicherlich gibt es dann auch noch die anderen Kunden. Diejenigen, die entweder bewusst Dinge unterschlagen und diejenigen, denen gesagt wird, dass der Bandscheibenvorfall aus dem letzten Jahr schon nicht gemeint sein wird bei der Frage nach Rückenerkrankungen. Je weniger der Versicherer weiß, desto höher ist natürlich erst einmal die Annahmequote. Desto höher ist aber zumindest in den ersten 10 Vertragsjahren auch die Ablehnungsquote im Leistungsfall aufgrund Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht. Meine Realität sieht so aus, dass ich nahezu 100 Prozent meiner Kunden versichert bekomme, aber eben durchaus mit Zuschlägen und beziehungsweise oder mit Ausschlussklauseln.

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procontra: Die Condor hat kürzlich eine sogenannte BU-Teilzeitklausel auf den Markt gebracht und die Zurich will die Risiken nicht mehr nach dem klassischen Berufsgruppenmodell einordnen. Handelt es sich dabei eher um Marketingmaßnahmen oder längst überfällige Verbesserungen auf dem BU-Markt?

Lehberg: Beides hat erst einmal primär einen Zweck: Vertrieb, ohne über den Preiskampf gehen zu müssen. Wie wertvoll die Teilzeitklauseln der Condor und der Württembergischen im Leistungsfall wirklich sind, wird sich erst in der Praxis zeigen müssen. Ich sehe hier nicht das riesige ‚Leistungs-Leck‘, wenn diese Klausel nicht in den Bedingungen steht, möchte aber einen Mehrwert auch nicht gänzlich abtun.

Das Verabschieden von Berufsgruppen halte ich dagegen für reines Marketing, denn auch heute macht es bei den meisten Berufen Sinn, eine Einstufung aufgrund des Tätigkeitsprofils im Rahmen der Risikovoranfrage einzuholen.

procontra: Warum?

Lehberg: Letztens hatte ich einen Schichtmeister in der Beratung. Diese Berufsbezeichnung ist recht unklar und ermöglicht sehr viel Spielraum was denn nun eigentlich zu seiner Tagesarbeit gehört. Von reinen Aufsichtstätigkeiten bis hin zu vorwiegend körperlichen Arbeiten ist hier alles möglich.

Durch die Risikovoranfrage und somit manuelle Einstufung bei der Versicherung spart der Kunde im Vergleich zur ‚klassischen‘ Auswahl im Tarifrechner jeden Monat rund 25 Euro an Beiträgen. Ich wäre meiner Pflicht als Versicherungsmakler nicht vollständig nachgekommen, wenn ich meinem Kunden diesen Vorteil verwehrt hätte.

procontra: Welche Baustellen sehen Sie sonst noch in der Berufsunfähigkeitsversicherung?

Lehberg: Die ganz große allgemeine Baustelle in der BU-Versicherung sehe ich nicht. Welcher Versicherer die BU-Versicherung neu und revolutionär denkt, wird aber in Zukunft den Unterschied machen. Also wer wirklich etwas Disruptives schafft. Der ein oder andere Versicherer ist hier schon in die Planung gegangen und bin sehr gespannt, was uns in naher Zukunft erwarten wird.

procontra: Welche Versicherer sind das denn?

Lehberg: Das darf ich aktuell leider noch nicht bekanntgeben.

Das vollständige Interview mit Guido Lehberg findet sich in der neuesten procontra-Print-Ausgabe.

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