Deepfakes: Welche Versicherungen bezahlen die Löschung von Pornos & Co?
Es läuft ein Pornovideo im Internet, in dem eine junge Frau mitwirkt. Nicht nur ihre Familie, Freunde und Kollegen sind schockiert darüber – auch sie selbst kann es nicht glauben. Das sei nicht sie, beteuert sie immer wieder, doch kaum jemand kann ihr glauben. Viel zu echt wirken ihre Bewegungen, speziell ihre Mimik. Die Folgen des Videos sind sehr wahrscheinlich ein Reputationsverlust im eigenen Umfeld, in der Schule oder im Beruf sowie Stress, der bis zu psychischen Erkrankungen führen kann.
Von vielen Seiten wird bestätigt, dass Szenarien wie dieses in den letzten Jahren stark zunehmen. Nicht, weil immer mehr Amateurpornos ins Netz geladen werden. Sondern weil die Gesichter völlig unbeteiligter Frauen und sogar minderjähriger Mädchen einfach auf vorhandene Nacktbilder und in pornographische Videos montiert werden. Deepfake nennt sich so ein Vorgang, der bis vor kurzer Zeit überwiegend Prominente traf, um sie öffentlich zu diskreditieren oder sogar zu erpressen. Doch immer öfter trifft es unbekannte Menschen, die Opfer von Rachegelüsten oder kruden Fantasien werden.
Mithilfe von künstlicher Intelligenz (KI) werden die Aufnahmen einer Person so raffiniert mit pornografischem Material verschmolzen, bis das Resultat für fast alle Betrachter authentisch wirkt. Laut einem SWR-Bericht trifft das in 96 Prozent der Fälle zu. Auch um ein Bewegtbild zu erstellen, benötigen die Verursacher nicht mehr als ein harmloses Foto des Opfers, zum Beispiel ein Profilbild auf Facebook oder Instagram.
Experten bieten Löschung an
„Durch die immer ausgereiftere Software wie Bildbearbeitungsprogramme und Smartphone-Apps, die mittlerweile allen Nutzern zur Verfügung stehen und von diesen auch mit geringen technischen Vorkenntnissen und wenig zeitlichem Aufwand bedienbar sind, sind die Hürden immer weiter gesunken“, erklärt Christian Scherg, Geschäftsführer des Düsseldorfer Unternehmens Revolvermänner.
Er und sein Team sind auf Online Reputation Management spezialisiert, also die Wiederherstellung der öffentlichen Wahrnehmung von Personen, nachdem diese Opfer von Rufmord und falschen Inhalten – zum Beispiel Deepfakes – im Internet geworden sind.
Dabei arbeiten die Revolvermänner auch mit vielen großen Versicherungsunternehmen zusammen. Bei seinen Aufträgen zur Entfernung von Deepfakes aus dem Internet handelt es sich, laut Scherg, sogar in den meisten Fällen um versicherte Schäden. Dabei seien die Chancen für eine vollständige Löschung sehr gut, da Scherg zusammen mit einem erfahrenen Anwaltsteam nicht nur die Seitenbetreiber, sondern auch die Suchmaschinen angehe. „Da sich die Ursprungsdatei ja offenkundig auf einem Gerät des Verursachers befindet, existiert keine hundertprozentige Sicherheit, dass das Material nicht wieder im Netz auftaucht“, weiß der Geschäftsführer, der unter anderem als Sachverständiger für digitale Sicherheit die Bundesregierung berät.
Man könne nach der Löschung aber ein Monitoring einstellen, über das sich auch entsprechende neue Inhalte finden und löschen ließen. Dabei rechnen die Revolvermänner pro Fund beziehungsweise pro individueller Quelle ab, was letztendlich Kosten zwischen einem kleinen dreistelligen und einem vierstelligen Betrag verursacht.
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Laut Scherg greifen bei den Deepfake-Löschungen durch sein Unternehmen ausschließlich Cyber-Versicherungen. Zum Abschluss einer solchen Police, auch für Privatpersonen, könne er nur jedem raten. Doch das Thema Datensicherheit und Schutz vor Identitätsmissbrauch im Internet schreiben sich auch einige wenige Hausratversicherer auf die Fahnen. Beispielsweise die VHV,immerhin Drittplatzierte bei „Maklers Lieblinge 2022“ in der Hausratversicherung. Deren „BEST-LEISTUNGS-GARANTIE“ bietet immerhin Schutz für Schäden durch Phishing, Onlinehandel oder Datenrettungskosten, „allerdings nicht bei Deepfakes“, wie das Unternehmen auf procontra-Nachfrage mitteilt.
Anders die R+V, mit mehr als einer Million Verträgen einer der größten Hausratversicherer hierzulande. Deren Police kann man mit dem Zusatzbaustein „IdentitätsSchutz“ ergänzen, der auch bei Reputationsschäden durch Deepfakes leistet. „Die Kosten für den Versuch einer Löschung werden je Versicherungsfall und Versicherungsjahr in Höhe von bis zu 2.000 Euro übernommen“, erklärt ein R+V-Sprecher auf Nachfrage.
Als Leistungsauslöser genüge es, wenn ein Reputationsschaden eintrete, egal wie es dazu komme. Die Daten müssten vorher nicht extra per Hacker-Angriff oder sogar physisch, zum Beispiel durch ein gestohlenes Endgerät, erbeutet werden. Konkrete Zahlen zu Vertragsabschlüssen des Zusatzbausteins und Deepfake-Schadenfällen will die R+V zwar nicht machen. Die bisherige Nachfrage würde dem Versicherer aber zeigen, dass es in diesem Bereich einen Bedarf gebe.
Das Problem dürfte noch deutlich größer werden
Die Allianz, Deutschlands größter Hausratversicherer, bietet in ihren Policen zwar selbst keinen Schutz im Falle solcher Deepfakes an. Die Versicherer müssten nun aber prüfen, inwieweit bestehende Policen in solchen Fällen bereits Schutz bieten (Stichwort: Silent Cyber), glaubt man beim Marktführer.
Bei mehreren Versicherern rechnet man damit, dass Schäden durch Deepfakes die Versicherungsbranche in Zukunft noch deutlich mehr beschäftigen werden. Von einer stark steigenden Zahl an Deepfakes geht auch Experte Scherg aus. Er glaubt außerdem, dass die kriminellen Bildmanipulationen qualitativ immer besser werden, so dass sich in Zukunft auch Experten immer schwerer damit tun werden, diese als solche zu identifizieren.
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