Verbraucherschützer schießen gegen Entgeltumwandlung

Die Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung bleibt hinter den Erwartungen zurück. Die derzeitige Entgeltumwandlung sei unattraktiv, kritisiert der Verbraucherzentrale Bundesverband und plädiert für einen grundlegenden Wandel.

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15:11 Uhr | 22. November | 2021
Dorothea Mohn Bild: vzbv

Das Team Finanzmarkt des Verbraucherzentrale Bundesverband (Bild: Leiterin Dorothea Mohn) hat ein Positionspapier zur Entgeltumwandlung vorgelegt. Bild: vzbv

Die betriebliche Altersversorgung gilt neben der gesetzlichen Rente als wichtigste Säule bei der Altersvorsorge. 2019 benannte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil die bAV als „das Mittel der Wahl, um den Lebensstandard im Alter zu halten“.  

Doch die Verbreitung der bAV hinkt den Erwartungen hinterher: Zwar stieg laut Zahlen der Bundesregierung die Zahl der aktiven Anwartschaften von rund 17,5 Millionen im Jahr 2015 auf rund 18,2 Millionen im Jahr 2019. Da zeitgleich jedoch auch die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten um 2,6 Millionen auf 33,8 Millionen stieg, sank die Verbreitung von 56,2 (2015) auf rund 53,9 Prozent.  

Kritik von Verbraucherschützern

Das liege daran, dass die bAV aus Sicht vieler Arbeitnehmer schlicht und einfach unattraktiv sei, kritisiert nun der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) in seinem aktuellen Positionspapier „Reform der kapitalgedeckten Zusatzvorsorge nicht in der betrieblichen Altersversorgung verankern“. Um hieran etwas zu ändern, schlagen die Verbraucherschützer Reformen in drei Bereichen vor:  

Kritikpunkt bei der Vorsorge zur Entgeltumwandlung ist unter anderem, dass dadurch die Beiträge der Arbeitnehmer in die Rentenversicherung sinken und so letztlich auch die zu erwartenden Leistungen. „Eine ergänzende betriebliche Altersversorgung, die dazu führt, die gesetzliche Rente zu schwächen, ist nicht sinnvoll“, heißt es im Positionspapier. Konsequenz hieraus müsste aus Sicht des vzbv sein, dass seitens der Arbeitgeber ein signifikanter Zuschuss gezahlt werde.  

Ein weiterer Kritikpunkt ist die eingeschränkte Portabilität. Denn seine angesparten Ansprüche könne ein Arbeitnehmer bei einem Wechsel des Arbeitgebers nicht einfach mitnehmen. So könnten Arbeitnehmer allenfalls den Rückkaufwert des alten Vertrages auf den Anbieter beim neuen Arbeitgeber übertragen. Voraussetzung sei jedoch ein sogenanntes Übertragsabkommen, dem sowohl alter als auch neuer Anbieter beigetreten sind. Darüber hinaus müssten auch beide Arbeitgeber einverstanden sein.

Kritik am Versicherungsmantel

Die Verbraucherschützer bemängeln außerdem, dass die betriebliche Altersversorgung zumeist in Form von Lebensversicherungen durchgeführt werden. Eine solche Vorsorge sei jedoch unflexibel, unsicher sowie renditeschwach, heben die Verbraucherschützer hervor.  

So werden unter anderem die „erheblichen Abschlusskosten“ vom vzbv ins Feld geführt. Diese seien insbesondere dann problematisch, wenn der Vertrag in einem frühen Stadium wegen eines Arbeitsplatzwechsels storniert werde. Durch die garantierten Leistungen müssten die Versicherer das Kapital überwiegend in festverzinsliche Rentenpapiere investieren, die sich jedoch kaum rentieren. Die zu bildende Zinszusatzreserve würde zusätzlich dazu führen, dass die Versicherer hochverzinste Alt-Papiere verkaufen und die freiwerdenden Mittel zu deutlich schlechteren Konditionen reinvestieren müssten.  

Dass die Verbraucherschützer ihr Positionspapier gerade jetzt veröffentlichen, ist sicherlich kein Zufall. Derzeit verhandeln FDP, Grüne und SPD in Berlin über die Bildung einer gemeinsamen Regierung – die Zukunft der Rente beziehungsweise Altersvorsorge steht ebenfalls zur Debatte. Ob und wenn ja, worauf sich die Parteien hierbei möglicherweise schon geeinigt haben, ist bislang unbekannt – allerdings gibt es Gerüchte, der Koalitionsvertrag könnte bereits in dieser Woche veröffentlicht werden.  

Ampel-Parteien wollen bAV stärken – aber wie?

Einer Stärkung der bAV haben sich alle der sogenannten Ampel-Parteien verschrieben. Während sich die SPD für eine Stärkung tarifvertraglich vereinbarter Altersversorgungsformen – Stichwort Nahles-Rente – einsetzt, plädiert die FDP dafür, auch nicht tarifgebundenen Unternehmen die Möglichkeit zu breiteren Anlageformen und insbesondere höheren Aktienquoten einzuräumen. Auch die Grünen sprechen sich in ihrem Wahlprogramm dafür aus, eine reine Beitragsgarantie für kleine Unternehmen einzuführen, diese somit bei der Haftung zu entlasten und so eine bessere Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung zu bewirken.

Und der vzbv? Die Verbraucherschützer plädieren für die Schaffung eines öffentlich-rechtlich organisierten Vorsorgefonds, der mit der privaten Altersvorsorge kombiniert werden könne. Auch für diese wird seitens der Verbraucherschützer ein Neustart gefordert – am vergangenen Freitag hatten Vertreter von vzbv, der Bürgerbewegung Finanzwende und des Bunds der Versicherten 19.000 Unterschriften ihrer Petition „Stoppt die Riester-Rente“ dem Büro von Finanzminister und SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz übergeben. Auch hier plädieren die Verbraucherschützer für die Schaffung eines öffentlich verwalteten Vorsorgefonds.

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